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EUROPA/1464: Merkel und Hollande mit zu viel Vergangenheit und zu wenig Zukunft


fdk - freie demokratische korrespondenz 489/2015 - 7. Oktober 2015

LAMBSDORFF: Merkel und Hollande mit zu viel Vergangenheit und zu wenig Zukunft


Berlin. Zu den Reden von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande vor dem Europäischen Parlament erklärt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF:

"Der Auftritt von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande war als historisch angekündigt - doch er hat die Erwartungen nicht erfüllt. Zu viel Vergangenheit, zu wenig Zukunft. Zu viel Beschreibung, zu wenig neue Ideen. Zu viel nationale Befangenheit, zu wenig europäische Vision. Die Bestätigung laufender Projekte ist nicht dasselbe wie eine europäische Grundsatzrede.

In der entscheidenden Syrien-Frage gibt es keine einheitliche Linie. Sich Assad und den IS hinwegzuwünschen, wie es der französische Präsident tut, ist wohlfeil, denn nach der russischen Intervention sitzt Assad fester im Sattel als je zuvor. Aus Berlin dagegen ist überhaupt nichts zu hören. Wo ist die deutsch-französische diplomatische Initiative zur Befriedung Syriens? Es ist nicht nachvollziehbar, warum es nach über vier Jahren Bürgerkrieg immer noch keine funktionierende Syrien-Kontaktgruppe gibt. Aus Sicht der Freien Demokraten ist dabei das Format der Iran-Verhandlungen unter Vorsitz der EU der Schlüssel zum Erfolg. Nur so werden wir den Zustrom an Flüchtlingen unter Kontrolle bringen und den Menschen eine Rückkehr-Perspektive in ihre Heimat eröffnen können. Es ist richtig, dass Europa eine gemeinsame Asylpolitik braucht, was bisher die Mitgliedstaaten nach Kräften zu verhindern suchten. Statt bereits nach dem Bootsunglück vor Lampedusa im Oktober 2013 entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, haben die Staats- und Regierungschefs viel zu lange die Hände in den Schoß gelegt und die Innenminister haben gebremst, wo sie nur konnten.

Der Ruf nach einem starken Europa klingt hohl aus dem Mund eines französischen Präsidenten, unter dem die französische Wirtschaft nicht aus der Krise kommt und der keine Gelegenheit auslässt, den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufzuweichen. In der Außen- und Sicherheitspolitik setzt Hollande auf nationale Alleingänge und die bilaterale Zusammenarbeit mit Großbritannien statt auf gemeinsame europäische Ansätze.

Das Bekenntnis zu einer europäischen Zukunft klingt wenig glaubwürdig aus dem Mund einer Kanzlerin, die die entscheidenden Weichenstellungen ihrer Kanzlerschaft ohne Rücksicht auf die Nachbarn und die gemeinsamen europäischen Regeln vorgenommen hat - von der urplötzlichen Energiewende über den Bruch des ESM-Vertrages bis zur hakenschlagenden Flüchtlingspolitik der letzten Wochen, bei der ihr auch noch ihre eigene Partei von der Stange ging."

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Quelle:
fdk - freie demokratische korrespondenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2015

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