Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FDP

WIRTSCHAFT/2794: Beschluss der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz


fdk - freie demokratische korrespondenz 213/2014 - 2. April 2014

Beschluss der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz



Berlin. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Freien Demokratischen Partei hat auf ihrer Sitzung am 02. April 2014 in Erfurt beschlossen:


Deutschland braucht eine Neuausrichtung der Energiepolitik
Bürger entlasten - Wirtschaftsstandort stärken!

I. Wo wir stehen

Die Energiewende steht vor dem Scheitern. Der beinahe schon zum Selbstzweck erklärte, unge-bremste Kapazitätsausbau der erneuerbaren Energien belastet mit stetig steigenden Strompreisen private Haushalte und Unternehmen. Preise, die beim Industriestrom 19 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegen und mehr als doppelt so hoch wie in den USA sind, gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Deutschland. Seit Jahren ist eine schleichende Deindustrialisierung energieintensiver Branchen zu beobachten. Kleine und mittel-ständische Unternehmen ohne Möglichkeit der Befreiung von EEG-Umlage und Netzentgelten leiden unter den steigenden Stromkosten besonders. Während über den Ausbau der erneuerbaren Energien in vielen Bundesländern grundsätzlich Konsens besteht, gefährdet die zunehmende Verspargelung mit Windkraftanlagen sowie die weitere Verschandelung der Kulturlandschaft mit Photovoltaik-Freiflächen und Biogasanlagen in zahlreichen Regionen die Akzeptanz der Energiewende.

Eine wesentliche Ursache steigender Strompreise liegt im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Über die EEG-Umlage werden 2014 rund 24 Mrd. Euro umverteilt, mit einem Betrag von 6,24 ct/kWh ist ihr Anteil am Strompreis in nur fünf Jahren von fünf auf zwanzig Prozent gestiegen. Entstandene Überkapazitäten bei den erneuerbaren Energien führten, auch wenn sie in Abhängigkeit von Sonneneinstrahlung und Wind nur zeitweise zur Verfügung stehen, zu einer erheblichen Senkung des Börsenpreises für Strom. Im gleichen Maße steigt jedoch die EEG-Umlage als Differenz zwischen dem Börsenpreis und der garantierten Einspeisevergütung. Durch den Einspeisevorrang erneuerbarer Energien und den niedrigen Börsenpreis wird der Betrieb konventioneller Gas- und Kohlekraftwerke unrentabel (Merit-Order-Effekt).

Die Einspeisung erneuerbarer Energien, zum Teil fernab des Verbrauchs, erfordert zusätzliche Netzstrukturen, deren Kosten über die höheren Netzentgelte die Allgemeinheit zu tragen hat und nicht der Erzeuger. Mit der festen Einspeisevergütung werden Innovationen gehemmt, da es keine Anreize gibt, besonders effiziente Technologien einzusetzen. Deshalb hat kürzlich auch die vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission Forschung und Innovation eine Abschaffung des EEG gefordert. Problemen im Stromsektor wurde aber mit immer mehr staatlicher Steuerung und einem System von Umlagen und Befreiungen begegnet. Unter dem Stichwort "Kapazitätsmarkt" wird mittlerweile sogar die Subventionierung fossiler Kraftwerke diskutiert, um die mangelnde Grundlastfähigkeit von Wind- und Sonnenenergie durch das Vorhalten konventioneller Kraftwerkskapazitäten auszugleichen.

Es reicht schon lange nicht mehr aus, nur den weiteren Anstieg der Strompreise zu dämpfen, wie es die Große Koalition beabsichtigt. Die Vorschläge der EEG-Novelle von Bundeswirtschaftsminister Gabriel sind mutlos und können die Fehlsteuerungen im System nicht beseitigen. Absenkungen von Fördersätzen für Neuanlagen kommen zu spät. Die dringend notwendige Umstellung auf wettbewerbsorientierte Instrumente wird noch weiter aufgeschoben. So soll ein Ausschreibungsmodell erst ab 2017 und zunächst nur als Pilotvorhaben eingeführt werden. Eine verpflichtende Direktvermarktung soll nur für größere Anlagen gelten. Der Einspeisevorrang bleibt auch bei Überlastung des Netzes erhalten. Bei der Eigenstromerzeugung ist hingegen nicht mal ein Vertrauensschutz für erfolgte Investitionen in den vergangenen Jahren vorgesehen. Zudem ist zu erwarten, dass die Vorschläge im Bundesrat weiter verwässert werden.


II. Was nun notwendig ist

Die FDP will eine bezahlbare, sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung. Nachdem die erneuerbaren Energien über ein Jahrzehnt Zeit hatten, sich zu etablieren, muss jetzt die Marktintegration im Fokus stehen. Es ist unabdingbar, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu entschleunigen, um ihn mit dem notwendigen Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze sowie der Entwicklung von Speichertechniken zu synchronisieren. Wir folgen deswegen der Empfehlung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und fordern ein Moratorium des EEG, damit Markt- und Netzintegration beim Zubau von erneuerbaren Energien gesichert sind. Darüber hinaus gilt es, die Sicherheit der Energieversorgung sicher-zustellen.

Dazu brauchen wir mehr Markt und weniger Planwirtschaft mit folgenden Maßnahmen:

1. Sofortmaßnahme - Absenkung der Stromsteuer
Die FDP will mit der Absenkung der Stromsteuer Verbraucher und Unternehmen sofort entlasten. Die Stromsteuer sollte schnellstmöglich auf das von der EU vorgegebene Mindestmaß abge-senkt werden.

2. Neue Marktordnung (Marktdesign)
Konventionelle Kraftwerke werden auch zukünftig einen unverzichtbaren Beitrag zur Absicherung der fluktuierenden Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen leisten müssen. Die FDP fordert, dass der rentable Kraftwerksbetrieb wieder ermöglicht wird und zugleich der Zubau von erforderlich werdenden effizienten und hochflexiblen Kraftwerkskapazitäten angereizt wird. Zukünftig müssen die Erzeuger erneuerbarer Energien auch Verantwortung für die Absicherung von Stromkapazitäten bei geringer Sonneneinstrahlung oder fehlendem Wind übernehmen. Dazu sollen sie z. B. Zertifikate an Reservekraftwerken oder an Speicherkapazitäten erwerben. Wir Liberale lehnen aber einen Kapazitätsmarkt ab, wonach die Kosten für die Bereithaltung von Reservekraftwerken in Höhe von schätzungsweise über 6 Mrd. Euro von den Stromkunden bezahlt werden und eine staatliche Festlegung hinsichtlich Umfang und Art der Reservekapazitäten erfolgen soll.

3. Weg vom Einspeisevorrang für erneuerbare Energien
Die erneuerbaren Energien müssen sich nach 14 Jahren EEG endlich dem Markt stellen. Wir brauchen daher sofort ein Aussetzen der EEG-Förderung. Ziel ist die schnelle Einführung eines marktorientierten Modells wie zum Beispiel in Form eines Quotenmodells anstelle der garantier-ten Einspeisevergütung im EEG, um den vorgesehenen Anteil erneuerbarer Energien möglichst effizient und kostengünstig zu erreichen. Bei einem Quotenmodell würde den Energieversorgungsunternehmen eine Quote zum Anteil ihres verkauften Stroms vorgegeben, der aus erneuerbaren Energien erzeugt werden muss. Diese Ökostromquote kann durch handelbare Zertifikate abgedeckt werden.

4. Netzausbau mit Augenmaß
Nach Abschaltung der Kernkraftwerke fehlende Grundlastkapazitäten in den süddeutschen Bundesländern erfordern den Ausbau eines leistungsfähigen Stromnetzes, wie ihn die letzte Bundesregierung mit dem Bundesbedarfsplangesetz angestoßen hat. Allerdings ist zu prüfen, ob bei einem reduzierten Ausbau der Windenergie im Norden tatsächlich noch eine Notwendigkeit für alle geplanten Trassen besteht.

5. Mehr Pflichten für EE-Erzeuger
Neben der Übernahme der Verantwortung für die Absicherung von Stromkapazitäten bei geringer Sonneneinstrahlung oder fehlendem Wind durch Erzeuger erneuerbarer Energien sollen neue EE-Anlagen zudem nicht mehr ohne Rücksicht auf vorhandene Netzstrukturen oder den regionalen Bedarf errichtet werden. Daher sollen nicht mehr die Netzbetreiber, sondern die Anlagenbetreiber die Anbindung finanzieren.

6. Mehr Forschung bei Speichertechnologien
Herkömmliche Speichertechnologien wie Pumpspeicherkraftwerke reichen für die Speicherung von EE-Strom nicht aus, um Schwankungen bei der Erzeugung sinnvoll zu nutzen. Neue Technologien wie Power-to-Gas sind in nennenswerter Größenordnung noch Zukunftsmusik. Die FDP tritt deshalb dafür ein, Forschung und Entwicklung von Speichertechnologien verstärkt zu fördern.

7. Europäischer Energie-Binnenmarkt bleibt Ziel
Derzeit sind wir mit der Vorherrschaft nationaler Energieversorger, staatlich festgelegten Endpreisen in vielen Mitgliedstaaten und unterschiedlichen Energiekonzepten noch weit von der Vollendung eines europäischen Energie-Binnenmarktes entfernt. Die FDP fordert, die bisher weitgehend abgeschotteten nationalen Teilmärkte für Strom und Gas stärker miteinander zu verkoppeln und ein harmonisiertes, marktwirtschaftliches Marktdesign anzustreben.

8. Regionale Entscheidungen für mehr Akzeptanz zulassen
Derzeit gehören Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 zu den privilegierten Bauvorhaben im Außenbereich. Rechtssichere Regelungen über angemessene und verbindliche pauschale Mindestabstände zur umgebenden Wohnbebauung sind auf Länderebene bisher nicht möglich. In einigen Regionen kommt es deshalb zunehmend zu Protesten betroffener Anwohner, weil deren Lebensqualität und die Belange von Umwelt- und Naturschutz bisher nur unzureichend Beachtung finden. Um künftig auf regionale Eigenheiten eingehen zu können, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, Mindestabstände zur Wohnbebauung durch die Länder selbst festlegen zu können. Die dazu vorgesehene Novelle des Baugesetzbuches ist überfällig und darf nicht wieder einseitig Brancheninteressen geopfert werden. Eine klare Entscheidung für eine Länderkompetenz ist dringend notwendig. Die Möglichkeit regional passende Lösungen zu finden, kann einen Beitrag für eine größere Akzeptanz der Energiewende leisten.

*

Quelle:
fdk - freie demokratische korrespondenz
Pressedienst der Freien Demokratischen Partei
Herausgeber: FDP-Bundespartei, Pressestelle
Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin
Tel: 030/28 49 58 43, Fax: 030/28 49 58 42
E-Mail: presse@fdp.de
Internet: www.fdp.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2014