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NORDRHEIN-WESTFALEN/1921: Die letzte Debatte (Li)


Landtag intern 4/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Die letzte Debatte
Neuwahlen nach Abstimmungsniederlage beim Haushalt - Ende der 15. Legislaturperiode

Von Christoph Weißkirchen



14. März 2012 - Am Ende ging alles ganz schnell: Nur 17 Minuten dauerte der letzte Akt der 15. Wahlperiode. Dann der Beschluss: Gemäß Artikel 35 der Landesverfassung löst sich das Parlament selbst auf. Ein bislang einmaliges Ereignis in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Die CDU-Fraktion sowie die Fraktionen von SPD und Grünen hatten die Auflösung unabhängig voneinander beantragt. Sie wurde von allen 181 Abgeordneten einstimmig angenommen.


Vorausgegangen war dem ein außergewöhnlicher Plenartag: Nach heftiger Debatte fand bei den Haushaltsberatungen der Entwurf der Landesregierung zum Einzelplan des Ministeriums für Inneres und Kommunales keine Mehrheit. Das Ergebnis der ersten von insgesamt 14 geplanten Abstimmungen über die Ressorts des Haushalts: 90 Stimmen dafür (SPD und Grüne), 91 dagegen (CDU, FDP und Linke). Sowohl CDU als auch SPD und Grüne hatten zuvor für diesen Fall Anträge auf Auflösung des Landtags angekündigt.

In der Debatte hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nochmals betont, dass sie eine vorsorgende und konsolidierende Politik zugleich angestrebt habe. Vor diesem Hintergrund bewertete sie die Vorschläge der CDU zum vorliegenden Haushalt als "unseriös". Die FDP habe keine Anträge gestellt, die Linken zusätzliche Ausgaben von einer Milliarde Euro vorgeschlagen. Dies sei nicht verantwortbar. Die Menschen im Land hätten Anspruch darauf zu wissen, woran sie seien. Für den Fall, dass ein Einzelplan und damit der Haushalt scheitere, kündigte Kraft daher einen Antrag auf Auflösung des Landtags an.

Seine Fraktion werde eine Fortsetzung des Weges in den "Verschuldungssumpf" nicht mittragen, erklärte Dr. Gerhard Papke (FDP). Eine Haushaltskonsolidierung sei unumgänglich, dazu sei die Regierung aber erkennbar nicht bereit. Gerade die letzten Tage hätten gezeigt, dass die Koalition nicht geschlossen hinter der Einladung zu entsprechenden Gesprächen gestanden habe. Von daher könne die FDP den vorliegenden Haushalt nur ablehnen.

"Sie haben von Anfang an keinen ehrlichen Haushalt vorgelegt", attackierte Karl-Josef Laumann (CDU) die rot-grüne Landesregierung. Die Einnahmen habe sie um eine Milliarde Euro zu hoch angesetzt: auf der Ausgabenseite fehle die gleiche Summe für die WestLB. Damit sei der vorliegende Haushalt ein "Dokument des Scheiterns" einer unsoliden Finanzpolitik. Somit müssten die Bürgerinnen und Bürger neu über die zukünftige Politik abstimmen.

"Sie haben die Hand ausgeschlagen", meinte Wolfgang Zimmermann (Linke) in Richtung der rot-grünen Regierung. Bereits im September 2011‍ ‍habe seine Fraktion signalisiert, dass sie bereit gewesen sei, einen Haushalt für ein soziales und ökologisches NRW mitzutragen. Allerdings habe sie feststellen müssen, dass bei ihren Kernforderungen nichts in Bewegung gekommen sei. Damit habe die Regierung die Chance auf eine Verständigung verpasst.

"Wir haben Wort gehalten", bewertete Norbert Römer (SPD) die Politik der letzten knapp zwei Jahre. Es sei eine gute Zeit gewesen für NRW, erklärte er zurückschauend. Mal mit CDU, mal mit FDP oder Linken habe Rot-Grün die Menschen gefordert, gefördert und ihnen Mut gemacht. Die SPD habe in den Haushaltsverhandlungen stets die Tür offen gehalten. "Wenn Sie diese nun schließen, dann müssen Sie die Verantwortung dafür übernehmen", so Römer in Richtung FDP und Linke.

Reiner Priggen (Grüne) dankte der SPD für das, was sie gemeinsam in den letzten beiden Jahren geleistet hätten - zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen. Die rot-grüne Koalition habe gute Arbeit abgeliefert, darauf sei er stolz. Es gebe aber immer auch Grenzen für das, was man anstrebe, erklärte Priggen mit Blick auf den Haushalt. Und ein "Erpressungkarussell" mache die Koalition nicht mit, so Priggen zu CDU, FDP und Linken.


Kasten

DIE AUFLÖSUNG UND IHRE FOLGEN

Mit der Auflösung des Landtags haben die bisherigen Abgeordneten ihr Mandat verloren. Die 15. Legislaturperiode ist beendet. Sämtliche parlamentarischen Initiativen wie zum Beispiel noch nicht abgeschlossene Gesetzesvorhaben sind verfallen und müssen gegebenenfalls in der kommenden Legislaturperiode neu eingebracht und beraten werden (Prinzip der Diskontinuität). Lediglich das Präsidium bleibt so lange geschäftsführend im Amt, bis nach der Landtagswahl ein neues bestimmt wird. Die Rechte der Volksvertretung gegenüber der Regierung werden bis zur Neuwahl durch einen Ständigen Ausschuss gewahrt (Artikel 40 der Landesverfassung). Er ist wenige Tage nach der Auflösung des Landtags zusammengetreten und setzt sich aus den Mitgliedern des Präsidiums sowie Vertreterinnen und Vertretern aller Fraktionen zusammen. Dabei müssen die Mehrheitsverhältnisse, wie sie sich bei der letzten Landtagswahl ergeben haben, gewahrt bleiben. An Abstimmungen dürfen höchstens 21 Mitglieder teilnehmen. Ausschussvorsitzender ist Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg. Er wird vertreten durch die erste Vizepräsidentin Carina Gödecke.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 43. Jahrgang, 18.04.2012, S. 5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2012