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NORDRHEIN-WESTFALEN/1922: Stunde der Wahrheit - Wahlabend brachte schnell politische Gewissheit (Li)


Landtag intern 5/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Die Stunde der Wahrheit
Der Wahlabend brachte schnell politische Gewissheit - Eindrücke aus dem Parlament

Von Sebastian Wuwer



13. Mai 2012 - Die Landtagswahl hat das Landesparlament erneut ins mediale Rampenlicht gerückt. Im Düsseldorfer Parlamentsgebäude fieberten die Fraktionen, geladene Gäste sowie über 1.100 Medienleute aus dem In- und Ausland den ersten Prognosen und Hochrechnungen entgegen. Die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler löste sodann höchst unterschiedliche Reaktionen aus. Ein Stimmungsbild.


Endlose Freude und tiefe Enttäuschung, auf den Fraktionsfluren des Landtags liegen sie am Wahlabend nah beieinander. Pünktlich um 18 Uhr schlägt mit Bekanntwerden der Wahlprognosen die Stunde der Wahrheit für die Landespolitik. Kaum erscheinen die ersten Zahlen und Diagramme auf den zahlreichen Bildschirmen im Parlamentsgebäude, weichen mit einem Schlag wochenlange Spannung und Anspannung politischer Gewissheit. Anders als bei der Landtagswahl 2010 haben die Wählerinnen und Wähler dem Parlament diesmal ein klares Ergebnis mit eindeutigen Machtoptionen beschert. Schnell stehen damit Gewinner und Verlierer des Wahlabends fest.

SPD und Grüne jubeln über eine Fortsetzung ihrer Regierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die Feierlaune rührt nicht zuletzt daher, dass die Zeiten der rot-grünen Minderheitsregierung nun ein abgeschlossenes Kapitel der Landesgeschichte sind und sich für die Koalitionspartner nach Meinung der politischen Beobachter eine "bequeme Mehrheit" an Sitzen im Parlament ergeben hat. Der Ausblick auf eine fünfjährige Regierungszeit unter stabilen Verhältnissen lässt die Anhängerinnen und Anhänger beider Parteien in einen Freudentaumel ausbrechen. Mit Klatschchören begrüßen sie die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, als diese gegen 19 Uhr im Landtag eintrifft und sich ihren Weg durch die Menge der Medienleute bahnt. Wenig später fallen sich Kraft und die Spitzenkandidatin der Grünen, Sylvia Löhrmann, im Wahlstudio des ZDF in die Arme, um sich gegenseitig zum Wahlsieg zu gratulieren.

Grübelnde Gesichter bestimmen dagegen das Bild in den Gängen der CDU-Fraktion. Wie die Moderatorinnen und Moderatoren der Wahlsendungen bereits kurz nach 18 Uhr betonen, ist vom "historisch schlechtesten Ergebnis der CDU bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen" auszugehen. Dementsprechend getrübt ist die Stimmung, als Spitzenkandidat Norbert Röttgen in der Fraktion das Podium betritt und mit seinem angekündigten Rücktritt vom Parteivorsitz der Landes-CDU die persönliche Verantwortung für die Wahlniederlage übernimmt. Fassungslos und nachdenklich zeigen sich die Christdemokraten zudem mit Blick auf die nach und nach eintreffenden Ergebnisse aus den einzelnen Wahlkreisen Nordrhein-Westfalens. Die Mitteilungen der Landeswahlleiterin bestätigen: Über einige, zuvor CDU-dominierte Wahlkreise, ziehen diesmal Sozialdemokraten in den neuen Landtag ein.

Sichtbar erleichtert sind an diesem Abend dagegen die Liberalen. Sagten ihnen die Umfragen noch vor wenigen Wochen ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde voraus, so haben sie nun unter Spitzenkandidat Christian Lindner ihr Wahlergebnis im Vergleich zur Landtagswahl 2010 von 6,7 auf 8,6 Prozent der Zweitstimmen sogar verbessert. Der drohende Auszug aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen ist kein Thema mehr. Die FDP gehe nun "mit neuem Selbstbewusstein" aus der Wahl hervor, wie Parteimitglieder an diesem Sonntag betonen. Die Kehrtwende löst in der Fraktion immer wieder Applaus-Lawinen und Freudentränen aus. Die Liberalen zeigen sich befreit von Sorgen um ihre Zukunft im Parlament.

Unter den vielen Gästen im Landtag sind neue Farbtupfer zu erkennen. Teilweise in Orange gekleidet ziehen einige Mitglieder der Piratenpartei durch das Parlamentsgebäude, um sich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Hier werden sie nun ihre parlamentarische Arbeit als fünfte Fraktion aufnehmen, in Kürze ihre Abgeordnetenbüros beziehen und im Plenarsaal Platz nehmen.

Dort ist zur Wahlentscheidung das Fernsehstudio des ZDF aufgebaut, und dort treffen die politischen Spitzen erstmals aufeinander, um in der Live-Sendung für das "heute journal" die Ergebnisse aus ihrer Sicht zu bewerten:

Hannelore Kraft (SPD) dankte den Wählerinnen und Wählern für ihr Vertrauen. Sie wertete den Erfolg ihrer Partei auch als "klares Signal in Richtung Bund und Bundestagswahl". Als Kanzlerkandidatin stehe sie jedoch nicht zur Verfügung.

Norbert Röttgen (CDU) erklärte zur Wahlniederlage der CDU, es sei nicht gelungen, mit Inhalten die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen. Das Wahlergebnis könne jedoch nicht mit der Situation auf Bundesebene verglichen werden.

Sylvia Löhrmann (Grüne) zeigte sich im Interview erfreut, dass es ihrer Partei gelungen sei, das Ergebnis aus den Landtagswahlen 2010 nun auch "in einer schwierigeren Situation" zu halten. "Wir haben die Menschen nicht enttäuscht."

Christian Lindner (FDP) interpretierte das "tolle Ergebnis" für seine Partei nicht als Vertrauensvotum, sondern als Auftrag für die neue Wahlperiode. Die FDP werde ihrer Rolle als klare bürgerliche Oppositionspartei nachkommen.

Joachim Paul (Piraten) betonte, seine Partei wolle kritisch, aber konstruktiv die Regierungspolitik begleiten. Die Wählerinnen und Wähler hätten sich entschieden, mit den Piraten "einen Schuss Chili in den Landtag zu wählen".


Der Landtag der 16. Wahlperiode wird sich am Donnerstag, 31. Mai 2012, konstituieren. Dann kommen die insgesamt 237 Abgeordneten erstmals in Düsseldorf zusammen.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 43. Jahrgang, 15.05.2012, S. 4-5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2012