Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/1947: Gesetzentwurf rund um Grund- und Gesamtschulen (Li)


Landtag intern 10/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Von Zwergen und Verbündeten
Fachleute diskutieren Gesetzentwurf rund um Grund- und Gesamtschulen

Von Daniela Braun



31. Oktober 2012 - Kurze Beine, kurze Wege: So das Motto des neuen Schulgesetzentwurfs der Landesregierung. Im Fokus dabei die möglichst wohnortnahen Grundschulen samt Teilstandorten, jahrgangsübergreifendem Lernen und kleineren Klassen. Das Für und Wider rund um den Gesetzentwurf haben zahlreiche Fachleute im Schulausschuss diskutiert.


Der Gesetzentwurf sei ein "erster Schritt in die richtige Richtung", sagte Hans-Gerd Scheidle vom Verband Bildung und Erziehung. Auch die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) begrüßte den Gesetzentwurf grundsätzlich. Demnach sollen Grundschulen in Zukunft auch mit nur einer Klasse pro Jahrgang als Zwergschulen bestehen bleiben dürfen. Hat eine von ihnen allerdings weniger als 92 Schülerinnen und Schüler, kann sie lediglich als Teilstandort im Verbund weiterexistieren. Einzige Ausnahme: Es handelt sich um die letzte verbliebene Grundschule in einer Kommune. Dann kann sie eigenständig bleiben, solange sie eine Schülerzahl von mindestens 46 hat.

Jahrgangsübergreifendes Lernen

Nach dem Willen von Rot-Grün sollen Grundschulen auf Beschluss ihrer Schulkonferenz weiterhin in Eigenregie jahrgangsübergreifend unterrichten dürfen. Dies gilt auch für die einzelnen Standorte einer Verbundschule. Mitunter gibt es damit innerhalb eines Verbunds Standorte mit getrennten wie auch solche mit jahrgangsübergreifenden Klassen. Das Nebeneinander erlaubt der Gesetzentwurf allerdings nur für eine Übergangsfrist von fünf Jahren, dann muss eine einheitliche Organisation her.

Dagegen wehrte sich das Gros der Fachleute in der Anhörung: Allein die Schulkonferenz dürfe über das jahrgangsübergreifende Lernen entscheiden. "Wir halten die Verschmelzung von Teilstandorten nach fünf Jahren für nicht sinnvoll", kritisierte unter anderem Margret Rössler von der Schulleitungsvereinigung. Funktionierende Systeme nach fünf Jahren wieder zu zerschlagen, sei nicht plausibel, unterstrich Eberhard Kwiatkowski von der Landeselternkonferenz ähnlich wie Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund. Zudem gerate dabei der kleinere der beiden Verbundstandorte in Existenznot, prognostizierte Thomas Minor von der Landeselternschaft Grundschulen.

Die Landeschülervertreterin Katharina Niebergall betonte darüber hinaus: "Wir begrüßen das jahrgangsübergreifende Lernen sehr." Allerdings dürfe dies nicht aus Spardruck passieren, sondern auf Basis eines pädagogischen Konzepts. Der Impuls für ein solches Lernen müsse aus der Schulkonferenz kommen, meinte auch Ralf Leisner von der Landeselternschaft der Gymnasien. Grundlegende Kritik kam derweil von Regine Schwarzhoff (Elternverein): "Es gibt keine erwiesenen pädagogischen Gründe für dieses Reformvorhaben."

Klassengrösse

Ein weiterer zentraler Punkt des Regierungsvorhabens: kleinere Klassen. In Grundschulen soll deren Größe bis zum Jahr 2015 schrittweise von 24 auf 22,5 Kinder absinken. Dies sei bei weitem nicht ausreichend, kritisierte Scheidle. Insbesondere angesichts der großen Herausforderung Inklusion. Ähnlich sah dies Ilona Dubalski-Westhof vom Verein katholischer deutscher Lehrerinnen. Sie schlug für inklusive Grundschulklassen eine Größe von 15 bis maximal 18 Kindern vor: "Damit da auch pädagogisch sinnvoll gearbeitet werden kann."

Inklusion

Apropos Inklusion: Hier habe die Landesregierung das Tempo noch einmal erhöht, analysierte Brigitte Balbach vom Lehrer-Verband. Dabei kritisierte sie: Es gebe kein richtiges Konzept. Laut Gesetzentwurf soll das Schulministerium grünes Licht dafür bekommen, zwischen den Jahren 2013 und 2018 Lehrerinnen und Lehrer berufsbegleitend für den inklusiven Unterricht auszubilden. "Wir halten das für sehr, sehr wichtig", betonte Dr. Willibert Strunz von der Landesarbeitsgemeinschaft "Selbsthilfe Behinderter". Allerdings kritisierte er die Wortwahl im Gesetzentwurf: "Man tut so, als wolle man inklusiven Unterricht, spricht aber von sonderpädagogischer Förderung." Landesschülervertreterin Niebergall stellte zudem den fixen Endpunkt der Fortbildungsphase infrage und forderte: Auch nach dem Jahr 2018 sollte die Ausbildung weitergehen.

Gesamtschulen

Neben den Grundschulen sieht der Gesetzentwurf auch für Gesamtschulen Teilstandorte vor. "Es gibt eigentlich keinen Grund, dies auf sechs Züge zu beschränken", meinte Rainer Dahlhaus von der Schulleitungsvereinigung der Gesamtschulen. Gleichzeitig machte er deutlich: "Teilstandorte sind keine Sparmodelle." Stattdessen steige der Bedarf an Lehrkräften und Leitungsposten.

*

Quelle:
Landtag intern 10 - 43. Jahrgang, 07.11.2012, S. 11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -21 07, -23 09
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2012