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NORDRHEIN-WESTFALEN/1948: "Mutter Natur ist ein böses Weib" (Li)


Landtag intern 10/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Mutter Natur ist ein böses Weib"
Klimaschutzgesetz: Vier Ausschüsse hörten 38 Fachleute

Von Christoph Weißkirchen



26. Oktober 2012 - Chancen und Risiken des Klimaschutzgesetzes waren Thema einer Anhörung zu der gleich vier Ausschüsse geladen hatten. 38 Fachleute stellten sich den Fragen von Abgeordneten aus dem Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Vorsitz Friedhelm Ortgies, CDU), dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (Vorsitz Georg Fortmeier, SPD), dem Ausschuss für Kommunalpolitik (Vorsitz Christian Dahm, SPD) sowie dem Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (Vorsitz Dieter Hilser, SPD).


Für eine Vorgehensweise mit weltweitem Ansatz plädierte Kai Mornhinweg (Unternehmensverbände). So könne die Wirtschaft in NRW durch innovative Produkte durchaus dazu beitragen, dass weltweit die CO2-Emissionen sänken - selbst wenn durch deren Produktion hier vor Ort die Emissionen anstiegen. Es spiele doch keine Rolle, wo die Emissionen eingespart werden, unterstützte ihn Dr. Mark Andor (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung). Und für die Industrie gebe es keine "Dritte Welt", plädierte auch Dr. Hans-Jörn Weddige (ThyssenKrupp) für ein globales Vorgehen.

"Wenn wir als Hochtechnologieland die Klimawende schaffen, werden auch andere dazu ermutigt", trat Dirk Jansen (BUND) hingegen dafür ein, die Änderungen aufgrund des Klimaschutzes erst einmal lokal anzugehen. In NRW gebe es bislang im Vergleich einen unterdurchschnittlichen Anteil erneuerbarer Energien, hier seien also durchaus Ausbaumöglichkeiten vorhanden, ergänzte Jan Dobertin (Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien). Es sei wichtig, jetzt anzufangen und die Mittel in die Hand zu nehmen, unterstrich Josef Tumbrinck (NABU), denn "der Klimawandel ist im Gange". Und wenn man nicht jetzt schnell handle, werde man den Klimawandel irgendwann gar nicht mehr aufhalten, so Dr. Volker Jaenisch.

Trotzdem sei es notwendig, zum Schutz von Schwankungen beim Ausfall von Wind- und Solarenergie eine Absicherung durch konventionelle Kraftwerke vorzuhalten, entgegnete Dr. Wolfgang Konrad (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft). Bei der Laufzeit der Kraftwerke brauche man eine gewisse Planungs- und Investitionssicherheit. In die gleiche Richtung argumentierte auch Stefan Schreiber (Industrie- und Handelskammer). Mit Blick auf den Stromverbund forderte er zudem erstens eine europäisch abgestimmte Lösung, zweitens ein Monitoring mit Blick auf die Gefahren für Netz und Verbraucher. Man müsse Raum schaffen für dezentrale Lösungen, meinte dagegen Jan Dobertin (Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien) zur Frage einer sicheren und stabilen Energieversorgung. Man müsse aufpassen, dass Emissionen sich nicht einfach nur verlagerten, warnte dagegen Dr. George Milojcic (Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein).

Gegensätzliche Effekte

Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Regelungen des Klimaschutzgesetzes befürchten die Landwirtschaftsverbände (vertreten durch Dr. Bernd Lüttgens und Dr. Jochen Thiering). Die Landesregierung sehe zu wenig die Möglichkeiten zur Vermeidung von Treibhausgasen durch Produktivitätssteigerungen bei der Nahrungsmittelproduktion. Längere Vegetationsperioden seien zwar ein positiver Nebeneffekt, begünstigten aber auch Schädlinge, gab Dirk Jansen (BUND) zu Bedenken.

Er widersprach auch der durch Dr. Bernd Kaletta (LANXESS) aufgeworfenen positiven Bewertung des Emissionshandels. Laut Jansen liefere dieser keine Anreize, in kohlenstoffarme Technologien zu investieren.

Wenn man nichts tue, würden in absehbarer Zeit die Kosten des Klimawandels so groß, dass das Wirtschaftswachstum dies nicht mehr ausgleichen könne, hielt Jan Dobertin (Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien) dieser Einschätzung entgegen. Im letzten Jahr habe es den historisch höchsten Schadstoffausstoff und die kleinste Ausdehnung des Polareises gegeben. Zudem stiegen die durch Stürme und andere Auswirkungen des Klimawandels verursachten Kosten stetig an. Wenn man dagegen jetzt handle, rechneten Wissenschaftler mit einer Begrenzung der Kosten auf ein bis zwei Prozent des Bruttosozialprodukts. "Mutter Natur ist ein böses Weib, sie lässt sich nicht betrügen", trat auch Dr. Volker Jaenisch für vorbeugende statt für später korrigierende Maßnahmen ein.

"Wir befinden uns in einem Strukturwandel, und da kommt die Energiewende noch obendrauf", so der DGB, vertreten durch Achim Vanselow. Er sah die Beschäftigungseffekte durch "grüne Industrien" eher skeptisch: Möglicherweise verliere man gute, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, wisse aber nicht, durch welche sie ersetzt würden. Waldemar Bahr (IGBCE) verwies hingegen auf die Chancen, die neue Produkte zur Einsparung von Energie und Emissionen mit sich bringen könnten.

Positive Beschäftigungseffekte durch das Klimaschutzgesetz erhofft sich dagegen das Handwerk. Dieser Wirtschaftsbereich erbringe zum Beispiel über die energetische Gebäudesanierung wichtige Leistungen im Rahmen des Klimaschutzes, erläuterte Dr. Volker Becker (Handwerkstag). Niemand könne allerdings sagen, was mit der neuen Rechtsmaterie vor dem Oberverwaltungsgericht geschehe, warnte Kai Mornhinweg (Unternehmensverbände) vor möglicher Unsicherheit für Investoren.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 43. Jahrgang, 07.11.2012, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2012