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NORDRHEIN-WESTFALEN/1953: Islamischer Religionsunterricht - Kompetenz eingefordert (Li)


Landtag intern 11/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Theologische und pädagogische Kompetenz eingefordert
Beirat für islamischen Religionsunterricht informierte Ausschüsse

Von Christoph Weißkirchen



21.11.2012 - Im Dezember letzten Jahres hat der Landtag das Gesetz zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts beschlossen. In einem Gespräch mit den Mitgliedern des Beirats informierten sich die Abgeordneten des Ausschusses für Schule und Weiterbildung sowie des Integrationsausschusses über die aktuelle Situation.


"Mit diesem Schritt wurde der Übergang von der Islamkunde - einem aus neutraler Sicht informierenden Unterricht - zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht auch für muslimische Schüler eingeleitet." Mehmet Soyhun (Vorsitzender des Beirats und Landesdialogberater der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, DITIB) betonte in seinem Bericht, mit dem islamischen Religionsunterricht werde ein neues Kapitel aufgeschlagen: Muslimischen Schülern werde es ermöglicht, ihre Religion aus der Innenperspektive kennen und reflektieren zu lernen. Des Weiteren würden sie - zumindest in Zukunft - von gut ausgebildeten Lehrern unterrichtet, die selbst für das stünden, was sie den Schülerinnen und Schülern vermittelten.

Der Beirat setzt sich zusammen aus je einem Vertreter der vier großen muslimischen Dachverbände und vier vom Ministerium im Einvernehmen mit den Verbänden benannten unabhängigen Vertreterinnen und Vertretern. Seit seinem ersten Treffen im März dieses Jahres war es eine der Hauptaufgaben des Beirats, eine Lehrerlaubnisordnung (Idschaza) zu erstellen und anschließend Gespräche zur Erteilung einer Lehrerlaubnis mit Lehrenden zu führen, die in diesem Schuljahr zunächst an Grundschulen mit dem islamischen Religionsunterricht beginnen sollen. Diese Gespräche gehen weiter und betreffen jetzt auch die Lehrerinnen und Lehrer, die in der Sekundarstufe I unterrichten sollen.

Theologische Qualifikation

"Unsere Hauptaufgabe sehen wir gegenüber den muslimischen Kindern. Sie haben ein Recht darauf, von theologisch wie pädagogisch kompetenten Lehrkräften unterrichtet zu werden", unterstrich Soyhun. Der Beirat sei dabei für die Beurteilung der theologischen Qualifikation und die Gewährleistung einer positiven Einstellung der Lehrkraft gegenüber islamischen Werten und Normen, muslimischen Gemeinden sowie deren Institutionen und Repräsentanten zuständig. Leider gebe es noch keine Lehrkräfte, die ein theologisches und religionspädagogisches Studium mit anschließendem Referendariat absolviert hätten, bedauerte Soyhun. Es sei richtig, dass die Landesregierung anstrebe, in Zukunft alle muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrer zwei Fächer unterrichten zu lassen. Bis der Bedarf mit Universitätsabsolventen gedeckt werden könne, werde man Seiten- und Quereinsteiger zulassen und qualifizieren müssen.

Außerdem sei das Vertrauensverhältnis zwischen den muslimischen Eltern zu Religionslehrerinnen und -lehrern von besonderer Bedeutung. Die Lehrkräfte dürften sich auch nicht als Außenstehende der Moscheegemeinden verstehen. In diesem Zusammenhang erläuterte Soyhun, der Beirat lege Wert darauf, dass eine Lehrkraft im Unterricht keine extremen Auslegungen des Islam vertrete.

Dies unterstützte Prof. Dr. Mouhanad Khorchide vom Centrum für Religiöse Studien an der Universität Münster. Wichtig sei, dass im Unterricht die Pluralität des Islam zum Ausdruck komme. Dies sei auch deshalb wichtig, da die Schülerinnen und Schüler jeweils unterschiedliche Migrationshintergründe hätten: neben der Türkei zum Beispiel auch den weiteren arabischen und asiatischen Raum. "Der Religionslehrer muss die Schüler befähigen, sich die Religion selbstständig anzueignen", fasste er die Aufgabe zusammen. Die Lehrerinnen und Lehrer müssten sich an dem orientieren, was die Schüler bereits an Kenntnissen und Fähigkeiten mitbrächten. Daher umfasse die Ausbildung dieser Lehrkräfte das Erlernen der arabischen Sprache, um die Quellen des Islam im Original lesen zu können, sowie die islamische Theologie, Moral, Ethik und Mystik. Aber auch der Vergleich verschiedener Auslegungen des Islam und die europäische Philosophie und Ideengeschichte stünden auf dem Lehrplan.

Von 418 Bewerbern für dieses Studium habe man dieses Jahr 80 annehmen können. Khorchide hoffte, diese Zahl zukünftig steigern zu können, da in NRW 800 bis 1.000 Lehrkräfte gebraucht würden. Von den 45 Bewerberinnen und Bewerbern für Lehrstellen in diesem Schuljahr habe der Beirat 40 angenommen, erläuterte Hanim Ezder (Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen in Köln). Was die Frage des Kopftuchs angehe, meinte Eva Al-Shabassy (Beauftragte für Pädagogik und Religionsunterricht beim Zentralrat der Muslime): "Die, die es wollen, sollen es auch dürfen."

Burhan Kesici (Generalsekretär des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland) unterstrich, der Beirat, dessen Tätigkeit qua Gesetz auf drei Jahre befristet sei, könne nur eine Zwischenlösung sein, bis die muslimischen Religionsgemeinschaften wie die christlichen Kirchen auch gemäß dem Grundgesetz als Religionsgemeinschaften anerkannt worden seien.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 43. Jahrgang, 28.11.2012, S. 12
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2013