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NORDRHEIN-WESTFALEN/1991: Landtag einig gegen Fundamentalismus der Salafisten (Li)


Landtag intern 4/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Landtag einig gegen Fundamentalismus der Salafisten Fraktionen debattieren in Aktueller Stunde über Maßnahmen
Plenarbericht

Von Christoph Weißkirchen



22. März 2013 - "Ziel der Salafisten ist die gewaltsame Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und der individuellen Lebensgestaltung jedes einzelnen Menschen nach vermeintlich 'gottgewollten' Regeln", schreiben SPD und GRÜNE in einem Antrag zu einer Aktuellen Stunde (Drs. 16/2332) und fordern, der Landtag müsse eindeutig Stellung beziehen. Im Ziel waren sich alle Fraktionen einig, Unterschiede gab es bei der Bewertung der dazu notwendigen Mittel.

Sie wollten den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat in einen fundamentalistischen Gottesstaat umwandeln, warnte Ibrahim Yetim (SPD) vor den Salafisten. Zu ihrer Frauen-, Schwulen- und Demokratiefeindlichkeit komme wie bei der NPD noch ihre Gewaltbereitschaft hinzu. Wer Morddrohungen ausstoße, sei ein Verbrecher, stellte der SPD-Sprecher fest. Mit dieser Einstellung seien die Salafisten auch Gegner der großen Mehrheit der Muslime, die hier friedlich auf dem Boden des Grundgesetzes leben wollten. Sie müssten sich von den Salafisten abgrenzen, forderte Yetim, an die muslimischen Verbände gewandt. Generell notwendig seien Aufklärung und vorbeugende Arbeit vor allem bei Jugendlichen.

Verena Schäffer (GRÜNE) fragte nach den Ursachen. "Wie kann es sein, dass junge Menschen, meistens junge Männer, sich von der demokratischen Gesellschaft abwenden, dass sie sich hier nicht geborgen fühlen? Wie kann es sein, dass wir ihnen nicht das bieten, was sie suchen, so dass sie Anerkennung und Gemeinschaftsgefühl in diesen Bestrebungen suchen?" Man müsse den Salafisten ihre Anziehungskraft nehmen. Zu dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zählten vor allem Bildung und Jugendarbeit, aber auch Angebote für gesellschaftliche Teilhabe und Anerkennung. Schäffer warnte davor, dass nun die rassistische und ebenso verfassungsfeindliche Partei Pro NRW Stimmung gegen alle Muslime machen wolle.

"Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, aber jeder Salafist ist ein Feind unserer Verfassung", erklärte Daniel Sieveke (CDU). Daher sei es richtig, eindeutig Stellung gegen diese Gruppierung zu beziehen und für Verfassung, Demokratie und Freiheitsrechte einzutreten. Er wandte sich aber gleichzeitig gegen die Kritik seiner Vorrednerin an repressiven Maßnahmen. Notwendig seien alle Mittel, um gegen diese Gruppierungen, die mittlerweile den Staat, die Integration und den friedlichen Dialog der Religionen auch ganz öffentlich bekämpfen wollten, vorzugehen. Man könne nicht unterscheiden zwischen schlechten Salafisten und guten, die von einer freiheitlichen Gesellschaft überfordert seien.

"Wir diskutieren hier, weil Rot-Grün sich damit eine schöne Schlagzeile machen will", kritisierte Dr. Robert Orth (FDP). Aber es gebe keinerlei Anlass zum Feiern. Unter der jetzigen Landesregierung sei die Zahl der Salafisten in NRW explodiert. Wenn diese heute neue Ansätze in der Bildungsarbeit und der Justiz fordere, müsse sie sich fragen lassen, warum sie dies nicht bereits umgesetzt habe. Statt bei der Polizei die richtigen Schwerpunkte zu setzen, beschäftige der Innenminister sie mit "Blitzmarathons" und ähnlichem. Es sei richtig, nach Ursachen zu forschen, denn die Überzeugungstäter würden ihre Ideologie nicht deshalb aufgeben, weil sie verboten werde. Dies gelte im Übrigen auch für die NPD.

Die bisherigen Festnahmen zeigten die hervorragende Arbeit der Ermittlungsbehörden, so Frank Herrmann (PIRATEN). Er forderte, sich mit allen religiösen Fanatikern zu beschäftigen, unabhängig davon, welcher Religion sie angehörten. Diese verträten ein dem Grundgesetz entgegengesetztes Weltbild. Dabei könnten in einer freiheitlichen Demokratie restriktive Gesetze, Überwachung und die Einschränkung von Bürgerrechten nicht die Antwort sein, wandte sich Herrmann gegen ein angekündigtes Gesetz der Bundesregierung. Vielmehr bedürfe es der Ursachenforschung, Aufklärung und Bildung. Denn die Zuwendung junger Menschen zum Salafismus beruhe auch auf der Suche nach Orientierung, Teilhabe und Anerkennung.

Mit der Verhaftung von vier Salafisten hätten die Ermittlungsbehörden letzte Woche schwere Straftaten verhindert, betonte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Der Salafismus versuche, in das friedliche Zusammenleben mit rund vier Millionen Muslimen in Deutschland einen Keil zu treiben. Er biete einfache, radikale Antworten auf komplizierte Lebensverhältnisse. Das erkläre seine Attraktivität für Menschen in Lebenskrisen. Vor diesem Hintergrund müsse die Bekämpfung repressive Maßnahmen ebenso beinhalten wie Bildung, Vorbeugung und Aussteigerprogramme. Jäger warnte davor, politischen Extremismus zu unterschätzen, und forderte in diesem Zusammenhang eine Unterstützung des Verbotsantrags gegen die NPD.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 44. Jahrgang, 24.4.2013, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013