Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2002: Herzensanliegen Kinderwunsch (Li)


Landtag intern 5/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Herzensanliegen Kinderwunsch
Die Kosten der künstlichen Befruchtung übersteigen die finanziellen Möglichkeiten vieler Paare. Kann das Land helfen?
Plenarbericht

Von Sonja Wand



25. April 2013 - Kinderlärm ist Zukunftsmusik, hört man im Landtag aus allen Fraktionen. Was aber ist mit denen, die sich sehnlich ein Kind wünschen, aber einfach keines bekommen? Sie geraten nicht nur an eine seelische Belastungsgrenze, sondern auch an eine finanzielle. Darauf weisen CDU und FDP in einem Antrag (Drs. 16/2624) hin und schildern, dass die Krankenkassen sich an den Kosten für die künstliche Befruchtung nur dreimal hälftig beteiligten. Wer vier Versuche unternehme, müsse insgesamt etwa 10.000 Euro selbst bezahlen. Zwar gibt es ein Bundesprogramm zur finanziellen Unterstützung, das aber setzt eine ebenso hohe Beteiligung des Landes an den Kosten voraus. NRW nimmt an dem Programm bisher nicht teil. Das soll sich ändern, fordern CDU und FDP. Wie stehen die anderen Fraktionen dazu?


"Zu den vielfach tabuisierten Sorgen um das Thema Unfruchtbarkeit kommt die bange Frage: Können wir uns das leisten?", erläuterte Andrea Milz (CDU) die Situation der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Fachleute schätzten, etwa 10.000 Paare in Deutschland könnten sich eine Behandlung nicht leisten. Am Bundesprogramm, das den Paaren die Hälfte der selbst zu zahlenden Kosten abnehme, nehme als eines von vier Bundesländern Sachsen teil. Dort seien die Behandlungszahlen seit der Förderung um 30 Prozent gestiegen. Deshalb solle auch NRW sich am Bundesprogramm beteiligen und entsprechende Gelder bereitstellen, so Milz.

"Kinderwunsch darf nicht am Geld scheitern", forderte Marcel Hafke (FDP). Früher seien Paare mit Kinderwunsch dem Schicksal ausgeliefert gewesen. Heute hingegen gebe es medizinische Möglichkeiten. Aber die Zahl der Kinderwunschbehandlungen sei stark gesunken, und die nachfolgenden Geburten hätten sich von 17.000 im Jahr 2004, als die Kassen noch die komplette Behandlung bezahlt hätten, auf 8.000 verringert. Vor diesem Hintergrund bekräftigte Hafke die Forderung, dem Programm beizutreten. Bei den ersten drei Versuchen zahlten die Paare dann ein Viertel der Kosten, beim vierten Versuch die Hälfte.

Regina Kopp-Herr (SPD) betonte ebenfalls die hohe psychische Belastung, die ein unerfüllter Kinderwunsch bedeute. Den Antrag aber fand sie nicht ausreichend. Unberücksichtigt blieben beim Bundesprogramm die Kosten für die psychosoziale Betreuung. Nur in NRW gebe es kostenfreie Beratungen in den Familienberatungsstellen. Die Abgeordnete verwies auf eine einstimmige Erklärung aller Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder und des Bundes. Darin werde gefordert, die Krankenkassen in die Lage zu versetzen, ihren Anteil der Kostenübernahme zu erhöhen und diesen als Länderanteil anzuerkennen.

"Eine reine Verengung dieser Thematik auf die Finanzierung greift zu kurz", meinte Josefine Paul (GRÜNE). Aber selbst dabei blieben CDU und FDP auf halber Strecke stehen: Bereits zum Haushalt 2013 hätten die Fraktionen einen Änderungsantrag stellen können. Über die Finanzierung hinaus hielt die Abgeordnete die Risiken der medizinischen Behandlungen für relevant, von der Hormongabe über die Entnahme von Eizellen bis hin zu möglichen Komplikationen bei Mehrlingsschwangerschaften, ebenso die psychische Belastung. Paul bedauerte, dass homosexuelle Paare mit Kinderwunsch im Antrag gänzlich unberücksichtigt blieben.

"Ein guter Antrag, zumindest in der Überschrift und in der Beschlussfassung", bescheinigte Daniel Düngel (PIRATEN) den antragstellenden Fraktionen. Aber selbst wenn das Land sich am Bundesprogramm beteilige, müssten die Paare 3.000 bis 5.000 Euro selbst zahlen. "Das ist für eine Familie immer noch wahnsinnig viel Geld und wird immer noch viele Menschen daran hindern, diese Kinderwunschbehandlung vorzunehmen", meinte Düngel. Daher spreche sich seine Fraktion für eine komplette Kostenübernahme durch Krankenkasse, Bund und Land aus. Aber mit einem zwischenzeitlichen Kompromiss könne man leben.

Familienministerin Ute Schäfer (SPD) begrüßte die Intention des Antrags, den großen seelischen Druck von Paaren mit Kinderwunsch öffentlich zu thematisieren und zu enttabuisieren. Auch sie verwies auf die Risiken der medizinischen Behandlungen und darauf, dass nur 14 von 100 Behandlungen in Deutschland erfolgreich seien. Gerade damit hänge die hohe Belastung zusammen, weswegen die Nachsorge so wichtig sei. Befremdlich fand Schäfer, dass die Bundesfamilienministerin die Förderrichtlinie zum Bundesprogramm erlassen habe, ohne sich mit den Ländern, die schließlich auch davon betroffen seien, auszutauschen.


ÜBERWEISUNG
Der Landtag hat den Antrag (Drs. 16/2624) einstimmig zur federführenden Fachberatung an den Familienausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation überwiesen.

*

Quelle:
Landtag intern 5 - 44. Jahrgang, 15.5.2013, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -21 07, -23 09, -23 04
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2013