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NORDRHEIN-WESTFALEN/2018: Anhörung zu Länderfinanzausgleich (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Reparaturen bei laufendem Motor
Anhörung zu Länderfinanzausgleich - Politische Lösung gefordert
Plenarbericht

Von Christoph Weißkirchen



13. Juni 2013 - Vor dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 müsse eine Debatte über die künftige Gestaltung des Länderfinanzausgleichs geführt werden, meint die CDU. Zu ihrem Antrag (Drs. 16/1911) lud der Haushalts- und Finanzausschuss nun Fachleute zu einer Anhörung.


Auch zukünftig könne es nicht Ziel des Länderfinanzausgleichs (LFA) sein, die finanzielle Ausstattung der Länder vollständig zu nivellieren, schreibt die CDU in ihrem Antrag. Heute werde besonders gute Steuerkraft mit zunehmender Schärfe bestraft. Mit Blick auf das Nehmerland Berlin fordert die CDU verstärkte Hilfen vom Bund, um die anderen Länder finanziell zu entlasten. Eine neue Föderalismuskommission soll die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern erörtern und dabei auch Fragen zu einer Gemeindefinanzreform, den Pensionsverpflichtungen der Länder sowie dem Abbau bestehender Altschulden und Zinslasten beantworten, fordert die Fraktion.

Man sei zwar noch im Prozess der Meinungsbildung, wolle aber an der Diskussion teilnehmen, dankte Stefan Anton vom Städtetag für die Einladung. Immerhin hätten sich in den letzten Jahren einige Rahmenbedingungen geändert. So hätten Städte in Sachen Infrastruktur keine höheren Ausgaben mehr als der ländliche Raum. Früher seien Ausgaben mit Wachstum verbunden gewesen, heute mit Nicht-Wachstum und Strukturwandel, betonte Anton. Die Internationalisierung von Wirtschaftsstrukturen führe zu kaum steuerbaren Folgen für kommunale Haushalte. Gleiches gelte für die gestiegene Mobilität der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf die Verteilung des Verkehrs, der Unternehmen und der Steuerzahlungen auswirke. Dies alles stelle neue Herausforderungen an das Finanzsystem. Die Letztverantwortung für die Finanzausstattung der Kommunen liege bei den Ländern. Daher seien die kommunalen Finanzbedarfe auch in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen, meinte Anton.

Der gegenwärtige bundesstaatliche Finanzausgleich sei nicht so schlecht wie sein Ruf, sagte Prof. Henning Tappe von der Universität Osnabrück. Es sei unnötig, das bestehende System komplett umzubauen, Verbesserungen im Detail seien hingegen sinnvoll. Streitanfällig sei vor allem der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne, da er bei den Geberländern zu echten "Verlusten" führe. Vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Gebots eines Ausgleichs der "unterschiedlichen Finanzkraft der Länder" sei zum Beispiel zu erörtern, ob die Finanzkraft nur die Steuern oder auch sonstige Einnahmen umfasse. Außerdem stelle sich die Frage, inwiefern Finanzbedarfe zu berücksichtigen seien. Auch Tappe sprach sich für eine Föderalismusreform III aus. Mit Blick auf die Berlin-Frage warnte er allerdings, ein Ersetzen der jetzigen Länderfinanzierung durch Bundesmittel könne zu einer Schwächung der Länder insgesamt führen, da der Bund die so entstehenden Mehrausgaben auf Kosten aller Länder gegenfinanzieren müsse. Es sei sinnvoller, die Ursachen anzugehen, die überwiegend in der früheren "Insellage" liegen dürften.


Abhängigkeiten

Entscheidungen von Bund, Ländern oder Gemeinden hingen voneinander ab und beeinflussten sich gegenseitig, erläuterte Prof. Thiess Büttner (Universität Nürnberg). Eine sorgfältige Ausgestaltung der dezentralen Kompetenzen sowie des Finanzausgleichssystems könne mögliche Fehlentwicklungen ausgleichen und die Leistungsfähigkeit des föderalen Systems verbessern. Allerdings dürfe sich dann der Finanzausgleich nicht leistungsfeindlich auswirken und Zugewinne nahezu vollständig abschöpfen. Daher stimmte Büttner der CDU-Forderung zu, den heutigen linear-progressiven Ausgleichstarif abzuschwächen. Auch müsse die finanzpolitische Eigenverantwortung der Länder gestärkt werden. Es sei im Sinne der Demokratie notwendig, dass Bürgerinnen und Bürger unterschiedliche regionale Politiken vergleichen könnten. Auch mit Blick auf die kommunale Ebene unterstrich Büttner die Autonomie der Gemeinden. Die volle Einbeziehung der Steuerkraft der Kommunen in den Finanzausgleich führe hingegen dazu, dass die Länder auch die Finanzpolitik der Gemeinden mit ausgestalteten.

Die frühere Stetigkeit in der Entwicklung der öffentlichen Finanzen sei einer unbekannten Schnelligkeit gewichen, stellte Prof. Stefan Korioth (Universität München) fest. Dies bedinge eine verstärkte Vorsorge, um - wenn nötig - schnell handeln zu können. Daher sei es wünschenswert, dass die Länder hinsichtlich der zukünftigen Struktur des Finanzausgleichs zu einem gemeinsamen Standpunkt kämen. Solange aber Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht klagten, werde die politische Diskussion über diese Frage wohl lahmgelegt - auch wenn es notwendig sei, über eine Neuverteilung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zwischen Bund und Ländern nachzudenken sowie das Problem der Altschulden zu lösen, wandte sich Korioth gegen ein völlig neues Modell. Viele wichtige Reformen ließen sich durch "Reparaturen bei laufendem Motor" durchführen.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2013