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NORDRHEIN-WESTFALEN/2060: Umfassende Kommunalaufsicht kontra Selbstverwaltung (Li)


Landtag intern 11/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Umfassende Kommunalaufsicht kontra Selbstverwaltung Debatte über Grenzen kommunalwirtschaftlicher Betätigung
Plenarbericht

Von Anica Bömke-Ziganki



29. November 2013 - Über wie viel Spielraum sollten finanzschwache Kommunen bei wirtschaftlicher Betätigung verfügen? Während die CDU in ihrem Antrag insbesondere für klamme Kommunen eine vollumfängliche Prüfung wirtschaftlicher Betätigung durch die Kommunalaufsicht fordert, sieht die Regierungskoalition darin eine Beschneidung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen. FDP und PIRATEN geht der Antrag der CDU dagegen noch nicht weit genug.


"Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen nimmt zu", stellte Ralf Nettelstroth (CDU) fest. Dabei stehe der erhofften Gewinnaussicht jedoch immer auch das Verlustrisiko bis hin zur Totalabschreibung der Investition gegenüber. Bei Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzept und Stärkungspaktgemeinden trügen das Land oder andere Gemeinden etwaige Verluste. Letztendlich gehe es darum, die Kommunalaufsicht in die Lage zu versetzen, ihre rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und sicherzustellen, dass etwaige Risiken allein von der Gemeinde zu tragen seien, welche die jeweilige Betätigung aufnehmen wolle.

Mit dem Politikwechsel ab dem Jahr 2010 habe die SPD als eine der ersten Reformen den Kommunen die wirtschaftliche Betätigung wieder ermöglicht, so Michael Hübner (SPD). Das sei gut und richtig gewesen. Zwischen 2005 und 2010 habe im Landtag ein Klima vorgeherrscht, das sich unter dem Mantra "Privat vor Staat" zusammenfassen lasse. Damit habe die SPD zu Recht aufgeräumt. Was die Rechtsaufsicht über mittelbare Beteiligungen der Städte - die nicht direkt im Haushalt der Stadt zu finden seien - und deren rechtliche Rahmenbedingungen angehe, werde die SPD sich einer Debatte nicht verweigern.

Als "schlicht überflüssig" bezeichnete Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) den Antrag der CDU. Mit der Aussage, bei einer finanzschwachen Kommune solle die Kommunalaufsicht genau hinschauen, ob sich die Kommune dieses Geschäft leisten könne, habe man lediglich eine nicht ganz zutreffende Interpretation der bestehenden Gemeindeordnung vorgenommen. Die kommunale Selbstverwaltung sei ein hohes Gut. Die Reform des Paragrafen 107a sei sehr gut und wichtig gewesen. Ein weiterer relevanter Punkt sei, dass die Oligopole der Energieunternehmen Konkurrenz von den Stadtwerken bekommen könnten. Das sei gewollt und richtig.

Der FDP fehlten in dem Antrag konkrete Forderungen, wie man das aufsichtsrechtliche Instrumentarium gegen eine ausufernde gemeinwirtschaftliche Tätigkeit verbessern könne, kritisierte Kai Abruszat (FDP). Es gehe um einen neuen Diskurs darüber, wo die Grenzen kommunalwirtschaftlicher Betätigung künftig zu setzen seien. Die Regierungskoalition habe die Schleusen geöffnet und merke jetzt, welche Konsequenzen das nach sich ziehe. Wenn Kommunen, die hochverschuldet im Stärkungspakt seien, von anderen Kommunen Stärkungspakthilfen bekämen, sei die Begrenzung auch eine Frage der interkommunalen Akzeptanz.

Anlass des Antrags sei offenbar der Kauf der STEAG durch das Stadtwerke-Konsortium Rhein-Ruhr, führte Frank Hermann (PIRATEN) aus. Die Details des Deals blieben mit dem Argument unter Verschluss, dass die Städte nicht unmittelbar beteiligt seien, sondern die Stadtwerke als Privatunternehmen. "Dies ist aber eine juristische Spitzfindigkeit, die unserer Meinung so nicht zulässig ist", betonte Hermann. Er rege an, auch bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen mehr Demokratie zu wagen und darüber nachzudenken, wie der Bürger bei Projekten dieser Größenordnung künftig eingebunden werden könne.

Im Fokus des Antrags stehe allein die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden auf dem Sektor der Energiewirtschaft, so Kommunalminister Ralf Jäger (SPD). Für diesen Sektor gebe es im Paragrafen 107a der Gemeindeordnung klare Voraussetzungen: Die Betätigung einer Gemeinde müsse in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit stehen. Er habe keinen Hinweis, dass die Prüfungen dieses Kriteriums nicht oder nicht ausreichend erfolgten. Eine vorgelagerte Prüfung durch die Kommunalaufsicht käme einer Beschneidung des Rechts auf Selbstverwaltung der finanzschwachen Kommunen gleich.


Entwicklung
2007 änderte die damalige CDU/FDP-Landesregierung die Gemeindeordnung und begrenzte die Möglichkeiten der Kommunen zu eigener wirtschaftlicher Betätigung. Dies nahm Rot-Grün im Jahr 2010 zurück - mit dem Ziel "die Wettbewerbsfähigkeit der Kommunalwirtschaft in Zeiten von deregulierten Märkten zu erhalten und wieder zu verbessern", insbesondere für die Stadtwerke als "Entwicklungsmotor für regenerative und dezentrale Versorgungsstrategien".
Der vorliegende Antrag der CDU (Drs. 16/4434) wurde einstimmig an den Ausschuss für Kommunalpolitik überwiesen. Der Wirtschaftsausschuss gibt eine Stellungnahme ab.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 44. Jahrgang, 19.12.2013, S. 12
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2014