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NORDRHEIN-WESTFALEN/2061: Umstrittene Finanzspritze - hitzige Debatte um Kommunal-Soli (Li)


Landtag intern 11/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Fair oder gefährlich?
Umstrittene Finanzspritze: hitzige Debatte um Kommunal-Soli
Plenarbericht

Von Anica Bömke-Ziganki



27. November 2013 - Mit den Stimmen von SPD und Grünen verabschiedete der Landtag das Zweite Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes (Drs. 16/3968). Bereits vor der Aussprache im Plenum wurde die Solidaritätsumlage heftig diskutiert. Während die Landesregierung den Kommunal-Soli als faire und gerechte Lösung verteidigte, kritisierte die Opposition die Abgabe als verheerende Fehlentscheidung.

Hans-Willi Körfges (SPD) verteidigte den Stärkungspakt als einen "Akt der interkommunalen Solidarität". Mit dem Instrument der Solidarabgabe habe man eine faire und gerechte Lösung für alle Beteiligten gefunden. Aus der vielfältigen Kritik im Vorfeld habe die Regierungskoalition Konsequenzen gezogen, indem sie die Kommunen nur mit der Hälfte der ursprünglich geplanten Summe belaste. Insgesamt habe der Stärkungspakt ein Volumen von 5,76 Milliarden Euro. Davon werde das Land insgesamt circa 4 Milliarden Euro tragen. Im Interesse der Kommunen sei dies eine Leistung, auf die das Land stolz sein könne.

"Mit dem heutigen Beschluss verursachen Sie einen mehrfach verheerenden Flächenbrand in der kommunalen Familie", entgegnete André Kuper (CDU). Eine "Last-Minute-Belastungsreduzierung" helfe da nur marginal. Mit einem Defizit von 400 Millionen Euro und Kassenkrediten in Höhe von 25 Milliarden Euro sei die Situation der Kommunen in NRW desolat. Dennoch wolle man von 59 Gemeinden zusätzlich 780 Millionen Euro "abkassieren". Jedoch hätten nur sieben der betroffenen Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt, 35 dagegen Defizite in Milliardenhöhe und 17 Städte seien im Nothaushaltsrecht oder der Haushaltssicherung.

Man müsse sich einmal anschauen, wie sich die Situation in den überschuldeten Gemeinden tatsächlich darstelle, hielt Mario Krüger (GRÜNE) entgegen. In den Stärkungspaktgemeinden habe man pro Kopf Gewerbesteuereinnahmen zwischen 400 und 500 Euro. Eine Stadt wie Düsseldorf habe Pro-Kopf-Einnahmen von etwa 1.400 Euro. Im Vergleich mit der Stadt Duisburg bedeute das einen Mehrbetrag von 600 Millionen Euro - eine Realität, mit der man sich auseinandersetzen müsse. Die CDU sei schon 2011 eine Antwort schuldig geblieben, wie weitere Hilfen für hoch- und überschuldete Gemeinden alternativ finanziert werden sollten.

Mit dem Stärkungspaktgesetz hätten FDP, SPD und GRÜNE im Jahr 2011 gemeinsam ein wichtiges Selbsthilfeprogramm für die kommunale Familie ins Leben gerufen, so Kai Abruszat (FDP). Mit dem Kommunal-Soli jedoch habe die SPD einen Irrweg eingeschlagen, den sie "bitter bereuen" werde. Daran ändere auch die Halbierung der geplanten Abgabe nichts. Rot-Grün habe im Beratungsverfahren zum vorliegenden Gesetzentwurf nichts gelernt. Nun zu behaupten, mit dem Kommunal-Soli überfordere man niemanden, sei ein Schlag ins Gesicht der Kommunen, die jetzt mit eigenen Krediten diese Solidarabgabe bezahlen sollten.

Aus gutem Grund werde das Änderungsgesetz bereits bei der Einbringung von den meisten betroffenen Kommunen für verfassungswidrig gehalten, schloss sich Dietmar Schulz (PIRATEN) an. Anstatt von Banken und Sparkassen kreditiere nun im Prinzip das Land. Das Gesetz ändere nichts an dem bestehenden Desaster der prekär wirtschaftenden Kommunen. Im Gegenteil verstärke es den Ansatz zur Verschlechterung der Haushaltslage weiterer Kommunen, die als Geberkommunen quasi in Geiselhaft genommen würden. Viele könnten die Umlage nur über Kassenkredite finanzieren. Eine Halbierung der Lasten helfe da auch nicht.

Die Änderung des Stärkungspaktes sorge dafür, dass strukturelle Sparbemühungen solide wirtschaftender Kommunen ad absurdum geführt würden, kritisierte Robert Stein (fraktionslos). "Das ist kommunale Haushaltsprekarisierung: den Geberkommunen so viel vorenthalten, dass es für sie nicht mehr zum Haushalten reicht, und den Empfängerkommunen so wenig geben, dass es auch nicht hilft", unterstrich er. Anstelle des Kommunal-Soli solle der Bund den Kommunen in NRW helfen.

"Den Löwenanteil des Stärkungspaktes zahlt das Land", betonte Kommunalminister Ralf Jäger (SPD). Lediglich ein kleiner Teil solle als Solidaritätsumlage aus den Kommunen kommen. Die Stärkungspaktkommunen seien auf einem guten Weg, ihre Haushalte auszugleichen. Das geschehe mit großen Landeshilfen und zusätzlichen Konsolidierungsanstrengungen der betroffenen Gemeinden. Hilfe könne jedoch keine Einbahnstraße sein. Das Problem der überschuldeten Kommunen könne nur gemeinsam gelöst werden - auch durch einen Anteil der kommunalen Familie selbst. Die Abundanz-Umlage sei daher "gerecht, fair und wichtig".


Zustimmung
Der Gesetzentwurf (Drs. 16/3968) wurde in namentlicher Abstimmung mit 124 gegen 100 Stimmen angenommen. Anträge der CDU, der PIRATEN sowie des fraktionslosen Abgeordneten Stein fanden keine Mehrheit.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 44. Jahrgang, 19.12.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2014