Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2075: Unter Verdacht - Werden Landtag und NRW-Unternehmen ausgespäht? Li)


Landtag intern 2/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

PLENUM
Unter Verdacht
Werden Landtag und NRW-Unternehmen ausgespäht?

Von Sonja Wand



30. Januar 2014 - Laut Piratenfraktion soll es seit dem Fernsehinterview mit Edward Snowden explizite Hinweise darauf geben, dass der amerikanische Geheimdienst NSA sowohl Landtag, Landesregierung und Behörden als auch Wirtschaftsunternehmen im großen Stil ausspäht. In einer Aktuellen Stunde hat der Landtag nun darüber debattiert, was dies bedeutet und wie nun reagiert werden soll.


Zu Beginn seiner Rede gratulierte Daniel Schwerd (PIRATEN) ironisch all denen, die ein I-Phone oder einen Computer mit Windows-Betriebssystem nutzten: Die NSA könne sich problemlos einklinken. Snowden halte es für wahrscheinlich, dass auch Regionalregierungen abgehört und ihre Daten mitgelesen würden. "Wenn jetzt nicht alle Alarmglocken bei Ihnen klingeln, dann weiß ich auch nicht mehr", unterstrich er seine Forderung, solche Zustände nicht länger hinzunehmen. Die Landesregierung habe aber nicht im Ansatz verstanden, welche Folgen die Sicherheitslücken hätten: "Wer überwacht wird, ist nicht frei." Und ohne Freiheit der Meinungsäußerung gebe es keine Demokratie, erklärte Schwerd.

Die Kritik an der NSA fand Hans-Willi Körfges (SPD) nachvollziehbar. Die Tatsache, dass Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern und dass Wirtschaftsinteressen in NRW nicht ausreichend geschützt seien, sei nicht hinnehmbar. Unklar sei aber, was die PIRATEN wem in diesem Haus eigentlich vorwerfen wollten, meinte Körfges. Bisher gebe es keine überprüfbaren Daten, darin liege ja das Problem. Der Innenminister habe längst in Berlin nachgefragt, aber die Antworten von dort seien mehr als dürftig. Das könne man hier in NRW beklagen, aber nicht ändern. Der Abgeordnete vermutete vielmehr, dass die Piratenfraktion in Ermangelung einer Vertretung im Bundestag hier die Landtagsbühne nutzen wolle.

Peter Biesenbach (CDU) zeigte sich verwundert darüber, dass die Piratenfraktion die Behauptungen Snowdens als wahr hinstellten, aber nicht einmal nach Belegen fragten. Auch habe sie keinen Vorschlag gemacht, was denn nun zu tun sei. Dieses Verhalten verhindere eine ernsthafte Debatte, kritisierte er. Selbst der Leiter des Bundesverfassungsschutzes bestätige, dass es viele Hinweise, aber keine Beweise gebe. Daher erklärte Biesenbach: "Sie vernebeln, Sie verunsichern und Sie machen deutlich, dass auch die PIRATEN ratlos sind." Er selbst hielt das auf Bundesebene geplante IT-Sicherheitsgesetz und vertrauenswürdige Hersteller und Dienstleister in Deutschland für wichtig.

Rot-Grün sei keineswegs untätig, aber die Verantwortung des Bundes werde negiert, warf Matthi Bolte (GRÜNE) der antragstellenden Piratenfraktion vor. Gerade vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung habe jede deutsche Regierung die besondere Verantwortung für die unbedingte Verteidigung des Rechtsstaats und die Verteidigung der Freiheitsrechte. Bolte forderte einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Bundestag, weil Transparenz notwendig sei, um Konsequenzen zu ziehen. Beispielsweise könnten dann Änderungen im Vergaberecht folgen. Hier in Nordrhein-Westfalen sei eine Konsequenz aus dem Skandal, dass die Landes-Informationstechnologie überprüft werden solle, erklärte er.

Ein Verdienst der Enthüllungen bestehe darin, dass wieder grundsätzlich über Datenschutz und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nach Privatheit und Vertraulichkeit nachgedacht werde, meinte Dr. Robert Orth (FDP). "Datenschutz fängt beim Datensammeln an", betonte der Abgeordnete. Diese Erkenntnis gelte es, zur Leitschnur des Handelns zu machen. Vor diesem Hintergrund nutze es wenig, wenn sein Vorredner Aufklärung fordere, der NRW-Innenminister aber eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung fordere. Auch mache es für ihn, Orth, keinen Unterschied, ob das Handy der Kanzlerin abgehört worden sei oder das von "Lieschen Müller" oder "Hans Wurst". Das habe dieselbe Qualität.

Die Daten, die gespeichert würden, seien nur Strafverfolgungsbehörden zugänglich, stellte Innenminister Ralf Jäger (SPD) klar. Was die Ausspähung durch die NSA betreffe, so habe die Bundesregierung glaubhaft dargelegt, dass auch ihr keine Erkenntnisse vorlägen, ebenso wenig wie der Landesregierung. Klar sei, dass die Aufklärung politisch geschehen müsse. Von der technischen Seite her versuche man, ein Höchstmaß an Sicherheit in der IT-Struktur der Landesverwaltung zu gewährleisten - auf Basis der aktuellen Erkenntnisse. Ob die Maßnahmen ausreichten, könne die Regierung nicht mit Sicherheit feststellen, gab er zu. IT NRW melde etwa fünf Millionen Angriffe auf die IT-Struktur. Pro Monat.

*

Quelle:
Landtag intern 2 - 45. Jahrgang, 19.2.2014, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -21 07, -23 09,
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2014