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NORDRHEIN-WESTFALEN/2082: Sollen Polizeipräsidenten politische Beamte bleiben? (Li)


Landtag intern 2/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Was der Chef mitbringen muss
Sollen Polizeipräsidenten politische Beamte bleiben?

Von Sonja Wand



29. Januar 2014 - Eine "Entpolitisierung der Polizei" fordert die FDP-Fraktion (Drs. 16/2336). Konkret geht es um die Ernennung der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten. Bisher werden sie als politische Beamte vom Innenminister ernannt und können in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Nach Vorstellung der FDP soll die Rekrutierung künftig nach Stellenausschreibung und Auswahlverfahren erfolgen. Damit sollen politische Abhängigkeit und parteipolitische Einflussnahme auf die Polizeiarbeit unterbunden werden, so das Anliegen der Fraktion. SPD und GRÜNE sehen keine Politisierung der Polizei und daher auch keinen Grund für eine Änderung.


"Anders als von Ihnen suggeriert, genießen unsere Polizei und die sie führenden Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in der Bevölkerung ein hohes Ansehen und Vertrauen", betonte Hartmut Ganzke (SPD). Auch in der Expertenanhörung habe nur ein einziger Sachverständiger Änderungsbedarf an der derzeitigen Ernennungspraxis gesehen. In NRW würden alle Beamtinnen und Beamten - auch politische - nach Eignung, Gesetz und Befähigung ausgewählt. Übrigens bedeute der FDP-Gesetzentwurf, dass auch Landräte die Polizei ihres jeweiligen Kreises nicht mehr leiten dürften. Auch sie seien politisch gewählt worden.

Eben dieser Landrat müsse sich - auch als Chef der Polizei - alle fünf Jahre dem Votum der Wählerinnen und Wähler stellen, antwortete Theo Kruse (CDU). Die Möglichkeit einer einstweiligen Versetzung in den Ruhestand schwäche die Stellung des Polizeipräsidenten, wandte er sich gegen die derzeitige Praxis. Politische Ämter sollten sich nur auf den engsten Kreis unmittelbarer Berater eines Ministers beziehen, fügte Kruse hinzu. Außerdem führe es zu Frust in den Amtsstuben, wenn die besseren Stellen mit Parteileuten besetzt würden und hochqualifizierte Beschäftigte keine Chancen hätten. Das untergrabe die Leistungsbereitschaft.

"Ich möchte feststellen, dass die Polizei NRW nach rechtstaatlichen Prinzipien handelt", widersprach Verena Schäffer (GRÜNE) dem Begriff einer politisierten Polizei. Wichtig war ihr, die zivile Führung, die es mit dem derzeitigen Modell gebe, beizubehalten. Dass die Behördenleitung von außerhalb der Polizei komme, stehe für eine demokratische Polizei, die zur Selbstkritik und Reflexion fähig sei. Zudem verwies sie auf eine Repräsentanten- und Scharnierfunktion zwischen Politik und Verwaltung, die die Polizeipräsidentinnen und - präsidenten innehätten. Diese rechtfertige den Status des politischen Beamten.

"Sie, Frau Schäffer, sagen gleichzeitig allen Polizistinnen und Polizisten, die fachlich qualifiziert und im höheren Dienst sind: Egal, wie gut du bist - du hast keine Chance", kritisierte Dr. Robert Orth (FDP). Eine zivile Führung, die nach dem Zweiten Weltkrieg Sinn gemacht habe, halte er heute für überholt: "Die sind doch alle durch und durch Demokraten." Auch gebe es derzeit sehr wohl politische Implikationen: Das Gesetz schreibe bei der Polizeiarbeit die Rücksichtnahme auf die Regierungsziele explizit vor. Orth verwies auf Niedersachsen, wo politische Beamte nach einem Regierungswechsel hin zu Rot-Grün "reihenweise abgesägt" worden seien.

Dass die Polizei nach Recht und Gesetz handle, habe niemand bestritten, erklärte Dirk Schatz (PIRATEN) und fügte hinzu: "Aber innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens gibt es fast immer einen breiten Ermessensspielraum, und es ist ein Unterschied, ob ich mich innerhalb dieses Rahmens frei bewegen kann oder ob ich exakt der Regierungslinie folgen muss in dem Wissen, dass ich von heute auf morgen meinen Job verlieren kann." Auch Polizeivollzugskräften zu ermöglichen, Polizeipräsident zu werden, habe außerdem die Gewerkschaft der Polizei in der Anhörung als "bitter notwendiges Signal" der Wertschätzung begrüßt.

Zivile Führung bedeute nicht, dass Polizeikräfte keine Polizeipräsidenten werden könnten, erläuterte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Aber: Diese seien nicht als Polizistinnen oder Polizisten, sondern als Behördenleiter gefragt. Übrigens gebe es einen ehemaligen Polizeivollzugsbeamten, der inzwischen als Behördenleiter tätig sei. Jäger unterstrich: Die Polizei in NRW sei kein politisches Ausführungsorgan. "Wir reden hier über ein Problem, das in der Realität gar nicht vorkommt und maximal in der Theorie existiert." Die letzte Versetzung in den vorläufigen Ruhestand liege fünf Jahre zurück - unter Schwarz-Gelb.


ABGELEHNT
Wie vom Innenausschuss empfohlen, hat der Landtag den Gesetzentwurf (Drs. 16/2336) mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN mehrheitlich abgelehnt. Die anderen Fraktionen stimmten für den Gesetzentwurf.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 45. Jahrgang, 19.2.2014, S. 11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2014