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NORDRHEIN-WESTFALEN/2109: Inklusion - Kostenstreit zwischen Land und Kommunen beigelegt (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Knoten geplatzt
Inklusion: Kostenstreit zwischen Land und Kommunen beigelegt

Von Sonja Wand



10. April 2014 - Nach monatelangem Ringen um die Finanzierung der Inklusion an Schulen in NRW gibt es einen Kompromiss mit den Kommunen. Die strittige Frage war, ob und in welchen Teilen das Konnexitätsprinzip greift, also: ob die Inklusion bezahlen muss, wer sie bestellt hat. Für die kommenden fünf Schuljahre übernimmt das Land nun Kosten in Höhe von insgesamt 175 Millionen Euro. Eine jährliche Prüfung soll zeigen, ob der Jahresanteil ausreicht. Alle Fraktionen zeigten sich froh über den gefundenen Kompromiss. Kritik gab es am Zeitplan.


Das Land erkenne die Konnexität hinsichtlich der inklusionsbedingten Mehraufwendungen der Kommunen als Schulträger an, erklärte Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE). Für barrierefreie Gebäude, Lehrmittel und Ähnliches erhielten die Kommunen ab dem Sommer jährlich 25 Millionen Euro - verteilt je nach Schülerzahl. Hinzu kämen ab dem Jahr 2015 jährlich insgesamt 10 Millionen Euro für nicht-lehrendes Personal - zusätzlich zu mehr Lehrkräften. Die finanziellen Vereinbarungen bezeichnete Löhrmann als Herausforderung für das Land. Bis zum Jahr 2017 investiere Rot-Grün über 1 Milliarde Euro in die Inklusion.

"Wir wollen, dass Inklusion in Nordrhein- Westfalen gelingt", unterstrich Klaus Kaiser (CDU). Dafür aber fehlten entsprechende Rahmenbedingungen: Abzüglich der Ferien hätten die Schulen nun nur noch zwei Monate Zeit, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Normalerweise regle eine Regierung die finanziellen Implikationen eines Gesetzes im Vorfeld, kritisierte Kaiser. So aber sei es zu einer monatelangen Hängepartie und Erpressungsversuchen den Kommunen gegenüber gekommen. Immerhin sei die Ministerin, die die Konnexität stets bestritten habe, zum Einlenken gezwungen worden - nur leider viel zu spät.

Selbst wenn das Land bis an die Grenzen seiner finanziellen Möglichkeiten gegangen sei, sprach Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Fraktion, von einer guten und fairen Vereinbarung, der die kommunale Familie voller Überzeugung zugestimmt habe. Auch um die schulische Inklusion nicht von vornherein mit einem Rechtsstreit zu überschatten, sei die Kompromissfindung wichtig gewesen. In den 20 Gesprächsrunden sei deutlich geworden, dass schlechte Erfahrungen der Kommunen mit Schwarz-Gelb noch bis heute nachwirkten, erklärte Römer: "Sollten wir in einer solchen Situation sagen: Nein, wir nehmen uns die Zeit nicht?"


Zeit verloren

"Gut, dass das unwürdige Geschachere zulasten von Kindern und Kommunen zunächst einmal ein Ende gefunden hat", zeigte sich Yvonne Gebauer (FDP) erleichtert. Die Landesregierung habe ihre wirklichkeitsfremden Positionen Stück für Stück räumen müssen, das sei den Städten und Gemeinden zu verdanken. Inklusion gebe es nicht zum Nulltarif. Auch habe die Ministerin Unrecht gehabt mit der Behauptung, dass sich anfallende Kosten nicht beziffern ließen: Immerhin erkenne sie ja nun Kosten in Höhe von 175 Millionen Euro an. Ob die allerdings reichten, sei zu bezweifeln. Fest stehe, wertvolle Zeit sei verloren worden.

Selbst die kommunalen Spitzenverbände hätten die anfallenden Kosten nicht beziffern können, erklärte Reiner Priggen, GRÜNEN-Fraktionschef. Er zeigte sich sehr zufrieden mit dem Arbeitsergebnis. Es sei schwierig, in dem Spannungsfeld die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen, aber immerhin habe man sich der Aufgabe gestellt - im Gegensatz zur schwarzgelben Koalition, die im Jahr 2008, als die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten sei, in NRW regiert habe. CDU und FDP hätten übrigens einst die Schulzeitverkürzung auf acht Gymnasialjahre noch knapper vor der Sommerpause beschlossen - im Juni.

Vom Grundsatz her begrüßte auch Monika Pieper (PIRATEN) das Ergebnis. Nach einer Übergangslösung werde ab dem Jahr 2017 nun doch das Konnexitätsprinzip angewandt, beispielsweise bezüglich baulicher Investitionen. Im Schulgesetz auf die Kostenfolgeabschätzung zu verzichten, sei falsch gewesen, betonte Pieper. "Rot-Grün hat die Kosten aufseiten der Schulträger viel zu lange viel zu klein geredet", kritisierte sie. Aber nun gelte es, nach vorne zu schauen. Kritik äußerte Pieper zudem am "Gießkannenprinzip" der Landeszuweisungen. Sie schlug vor, die Gelder je nach Stand der Inklusion und den örtlichen Bedarfen zu verteilen.

HINTERGRUND
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist im Jahr 2008 in Kraft getreten. Nach dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz, das im Oktober 2013 im Landtag NRW verabschiedet wurde, bekommen Kinder mit Handicaps ab dem kommenden Schuljahr 2014/2015 schrittweise das Recht auf Besuch einer Regelschule, zunächst zur ersten und fünften Klasse.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2014