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NORDRHEIN-WESTFALEN/2112: Fachleute beraten zweite Kibiz-Reform (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kinder, Krippe, Kurskorrektur
Fachleute beraten zweite Kibiz-Reform

Von Sonja Wand, Daniela Braun und Christoph Weißkirchen



30. April 2014 - Die Landesregierung will das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) reformieren. Insbesondere will sie die Sprachförderung und die Finanzierung von Kitas mit vielen sozialbenachteiligten Kindern neu regeln und den Etat um 100 Millionen Euro jährlich aufstocken. In einer gemeinsamen Anhörung der Ausschüsse für Familie, Kinder und Jugend sowie für Kommunalpolitik haben zahlreiche Sachverständige die Ideen der Regierung unter die Lupe genommen.


"Individuell, stärkenorientiert und sozialraumbezogen plus Sprachförderung: Das sind genau die Dinge, die man machen muss", lobte Tim Kähler von der Stadt Bielefeld den Gesetzentwurf. Besonders wichtig sei, dass die 100 Millionen Euro zielgerichtet ins System flössen, betonten die Kommunalen Spitzenverbände. Positiv auch das Urteil vom Landesjugendamt Rheinland: Der Entwurf schaffe den Spagat zwischen Kindes- und Elternwohl. Ob sich die Qualitätsansprüche angesichts knapper Ressourcen allerdings auch umsetzen ließen, bezweifelte Verdi-Sprecherin Sabine Uhlenkott. Insgesamt, so das Fazit der Fachleute nach rund sechs Jahren Kibiz, sei das System nicht auskömmlich finanziert, obwohl das Land seine Förderung in den letzten Jahren enorm erhöht habe. Die festgeschriebenen jährlichen Steigerungen der Kindpauschalen um 1,5 Prozent reichten nicht aus.


Sprachförderung

Ein positives Echo fand dagegen die neuausgerichtete Sprachstandserhebung und -förderung. Das bisherige "Delfin 4"-Verfahren, bei dem Externe zu einem bestimmten Zeitpunkt den Sprachstand der Kinder prüfen und einen möglichen Förderbedarf ableiten, soll abgelöst werden: Künftig sollen die Erziehenden die Sprachentwicklung der Kinder konstant beobachten und im Kita-Alltag fördern. Diesen Ansatz hielten die Fachleute für aussagekräftiger und zielführender. Für Kinder, die von Tagesmüttern oder -vätern betreut werden, bleibt es allerdings beim alten Verfahren.

Unterschiedlich bewerteten die Sachverständigen die finanziellen Implikationen der Neuregelung. Bei nur wenigen Kindern mit Sprachförderbedarf erhielten die Einrichtungen vermutlich zu wenig Geld, weil höhere Pauschalen eine bestimmte Anzahl an förderbedürftigen Kindern voraussetzten. Gerade der ländliche Raum könnte dabei benachteiligt werden, befürchtete Barbara Nolte vom VBE. Der Bonner Kita-Vorsitzende Dr. Timo Hauschild hingegen meinte, wer bisher die Sprachförderung geleistet habe, bekomme auch künftig keine Probleme.

Allerdings verfüge seine Kindertageseinrichtung für die sprachspezifische Unterstützung auch über einen vom Landschaftsverband bezahlten Logopäden, räumte Hauschild ein. Genau diese Finanzierung wolle der Verband aber zum Sommer 2015 einstellen, und zwar bevor eine geregelte Nachfolge bestehe, warnte Trudi Baum vom Betriebsrat des Rotkreuz-Zentrums Euskirchen. Dies treffe auch integrative Gruppen, die dann nun deshalb wegfallen würden. Zudem kritisierte sie, die 3,5-fach erhöhte Pauschale für Kinder mit Behinderungen reiche nicht aus.

Ob die Erziehenden auch ohne therapeutisches Zusatzpersonal für eine Sprachförderung im Alltag gewappnet seien, war sich Prof. Strätz nicht sicher: Die Fachschulen vermittelten unterschiedlich gut, was etwa Sprachförderung am Frühstückstisch bedeute. Eine kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation des Sprachstands sei in jedem Fall ein extremer Zeitfresser.

Positiv bewerteten die Sachverständigen auch das vorgesehene Partizipationsrecht für Kinder. Je früher sie erführen, dass Einmischung willkommen sei, desto eher mischten sie demokratisch auch als Erwachsene mit, meinte Strätz.

Für ein Verbot elterlicher Zuzahlungen an Tagesmütter und -väter zum von der Kommune getragenen Satz sprach sich die Tagesmutter Kerstin Haag aus. Erst wenn Tagespflegepersonal von der Kommune besser bezahlt werde und die Eltern nichts mehr zuzahlen müssten, hätten diese eine wirkliche Wahlfreiheit zwischen Tagespflege und Kita.

Für wichtig hielt Haag einen Vertretungspool für Tagespflegekräfte. Denn anders als in der Kita falle bei Krankheit die komplette Betreuung aus. Nur solle auch das Land solche Regelungen bezuschussen, forderte Jonny Hoffmann aus Hennef: Dort nämlich komme hierfür bisher die Kommune auf.

In Kraft treten soll das Gesetz nach den Sommerferien. Anfang Mai sollen die Kommunen erfahren, wie viel zusätzliche Gelder ihnen aus dem Millionen-Topf zustehen. Dann müssen die kommunalen Jugendhilfeausschüsse tätig werden. Ein unglücklich knapper Zeitplan, bemängelte Hoffmann.


WEITERER FAHRPLAN Nun werten die Fachausschüsse die Anhörung aus. Im Plenum abgestimmt wird der Gesetzentwurf (Drs. 16/5293) voraussichtlich Anfang Juni.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2014