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NORDRHEIN-WESTFALEN/2170: Das Ziel - NRW 4.0 (Li)


Landtag intern 1/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Das Ziel: NRW 4.0
Landesregierung will digitalen Wandel verstärkt fördern - Opposition vermisst Konkretes

Von Christoph Weißkirchen, Michael Zabka und Wibke Busch


28. Januar 2015 - Hochgeschwindigkeits-Internet auch im ländlichen Raum, kostenloses WLAN in Fußgängerzonen und Behördengänge via Internet: Unter dem Schlagwort "NRW 4.0" will die Landesregierung den digitalen Wandel voranbringen, neue Wachstumschancen und mehr Lebensqualität schaffen. Dies erläuterte Ministerpräsidentin Kraft in einer Regierungserklärung. Die Oppositionsfraktionen vermissten eine klare Strategie der Landesregierung sowie die Schaffung konkreter Voraussetzungen wie schnelle Internetverbindungen.


Der digitale Wandel führe zu tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Bereits jetzt gebe es in NRW mehr als 23.000 Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Landesregierung wolle die Chancen des Wandels nutzen. NRW liege beim schnellen Internet im Vergleich zu anderen Flächenländern vorne. Bis 2018 sollen die noch fehlenden ländlichen Kommunen ans Hochgeschwindigkeits-Internet angeschlossen werden, sagte die Regierungsschefin. Kostenloses WLAN in Fußgängerzonen solle selbstverständlich werden und viele Behördengänge dank sicherer elektronischer Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung ab 2016 überflüssig. Trotz aller Digitalisierung: Im Mittelpunkt ihrer Politik stehe immer der Mensch.


Grundlage des Wohlstands

CDU-Fraktionschef Armin Laschet nannte die Regierungserklärung eine Aufzählung von Banalitäten und vermisste eine klare Strategie der Landesregierung. Es reiche nicht, alles zusammen zu suchen, was sich unter "Digitalisierung" verbuchen lasse. "Ihre ganze Initiative hat eine bedenkliche Ökobilanz: viel Verpackung, wenig Inhalt." In einem Planungsentwurf für die Hochschulentwicklung zum Beispiel komme das Wort "Digitalisierung" nicht vor. "Was kann die Politik tun, um unsere Wirtschaft, die Grundlage unseres Wohlstands, durch diesen Prozess zu begleiten?" - diese und andere wichtige Fragen stelle die Landesregierung nicht, sagte Laschet. Bei allen mit der Digitalisierung verbundenen Chancen müsse man zudem auch die Risiken ansprechen.

SPD-Fraktionschef Norbert Römer wies die Kritik von Laschet zurück. Die Koalition sei fest entschlossen, die Chancen des digitalen Wandels zu nutzen. Von der CDU habe er dazu keinen einzigen Vorschlag, nur "Phrasen und Polemik" gehört. Römer nannte die Digitalisierung die "vierte industrielle Revolution". Er sei überzeugt, dass die Chancen dieser Revolution größer seien als die Risiken und dass die Vorteile der digitalen Ökonomie ihre Nachteile weit überträfen. Dabei müsse man die Digitalisierung nicht über sich ergehen lassen. "Wir können sie gestalten, und wir wollen sie gestalten." Er sei sich sicher, dass Rot- Grün die richtigen Antworten finden werde. Römer kündigte unter anderem Unterstützung für kleinere und mittlere Unternehmen an. Hier schlummere Potenzial.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner übte deutliche Kritik an der Ministerpräsidentin. Anstatt "NRW 4.0" habe Kraft "vier Mal Null" geliefert. Die Regierungserklärung mit dem Untertitel "MegaBits. MegaHerz. MegaStark" sei eine "Mega-Enttäuschung". Die wichtigste Voraussetzung für den digitalen Wandel sei eine "smarte Regierung", die das Thema engagiert annehme. Stattdessen habe es bislang keine einzige Gesetzesinitiative von Rot-Grün zu diesem Thema gegeben. Offenbar habe Kraft nach dem "Krisenjahr 2014" mit einem neuen Thema einen neuen Start wagen wollen. "Sie können aber mit diesem neuen Thema nicht ihren alten Problemen entfliehen." So fehlten wichtige Voraussetzungen für den digitalen Wandel in NRW wie gute Bildung und eine ausreichende digitale Infrastruktur.

Die Digitalisierung berühre alle Lebensund Arbeitsbereiche und verursache durchgreifende Veränderungen. Für Reiner Priggen (GRÜNE) bedeutet sie den Übergang vom fossilen zum elektronischen Zeitalter. Herausforderungen, Chancen und Risiken seien mit dem Umbruch in der menschlichen Technik und Kommunikation verbunden; Aufgabe der Politik sei es, diesen Prozess mitzugestalten. Eine Grundlage sei zum Beispiel der Netzausbau. Hier liege NRW an der Spitze der Bundesländer. Dies sei gut, müsse aber vor allem mit Blick auf den ländlichen Raum noch besser werden. Die Landesregierung fördere notwendige innovative Maßnahmen und Beratungsangebote, verwies Priggen unter anderem auf die Bereiche (dezentrale) Energieversorgung, Gesundheitssystem und Mobilität.

Das Internet in heutiger Form werde verschwinden, so Dr. Joachim Paul (PIRATEN) mit Blick auf Diskussionen über das Verschmelzen von digitalem und analogem Raum. Diese Entwicklung verlange, dass man das Internet gestalte. Davon sei in der "digitalen Agenda" der Landesregierung nicht viel zu spüren. Es gehe nicht nur um ein neues Geschäftsmodell, man stehe an der Schwelle zu einer neuen Gesellschaft. Notwendig seien die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur, eine gesetzliche Sicherstellung der informationellen Selbstbestimmung, eine gleichberechtigte Sicherung der digitalen Teilhabe aller Menschen sowie eine verbesserte Transparenz von politischen Prozessen. Für diese Aufgaben müsse ein eigenes Internetministerium geschaffen werden.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 46. Jahrgang, 29.1.2015, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2015

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