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NORDRHEIN-WESTFALEN/2246: Pflege im Fokus - Fachleute fordern Erhebung zu Personalbedarf (Li)


Landtag intern 5/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Pflege im Fokus
Fachleute fordern Erhebung zu Personalbedarf

Von Daniela Braun


25. Mai 2016 - Wer im Krankenhaus liegt, hofft auf eine bestmögliche Pflege, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Doch in vielen Kliniken fehle es an Pflegepersonal, haben Fachleute im Landtag angemahnt. Eine dünne Personaldecke begünstige Fehler bei der Medikation, die Gefahr von Infektionen steige. Wie viele Pflegekräfte es folglich brauche? Dafür gebe es bislang keine Mindeststandards.


Auf Antrag der PIRATEN-Fraktion (Drs. 16/9586) bezogen die Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales Position zur Situation der Pflege in Krankenhäusern. Personal und Zeit seien zunehmend knapp - zum Leid der Patientinnen und Patienten, heißt es in dem Antrag. Die Fraktion fordert daher u. a., die Investitionskostenförderung im Landeshaushalt auf 1 Milliarde Euro zu verdoppeln und eine Kommission für NRW einzusetzen, die den tatsächlichen Personalbedarf sowie die entsprechenden Kosten ermitteln soll.

"Wir können eine sehr starke Arbeitsverdichtung für das Pflegepersonal im Krankenhaus konstatieren", bestätigte Prof. Dr. Stefan Greß von der Hochschule Fulda. Weniger Personal, höhere Anforderungen: Insbesondere die seit dem Jahr 2004 geltenden Fallpauschalen hätten die Situation verschärft (siehe Infokasten). Greß sieht die Versorgungsqualität dadurch massiv gefährdet. Laut Martin Dichter vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe ist die Zahl der Pflegekräfte im Zeitraum von 1996 bis 2006 bundesweit um rund 50.000 Vollzeitstellen gesunken, die Zahl der behandelten Menschen sowie deren Pflegebedarf jedoch gestiegen.

Hinzu komme, dass die Investitionsmittel für die Kliniken nicht reichten, mahnte Greß. In den Jahren 1991 bis 2013 habe NRW bei der Investitionskostenfinanzierung pro Bett im Bundesländervergleich den letzten Platz belegt. Auch Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, kritisierte die Finanzierung der Investitionskosten durch das Land - zu der es gesetzlich verpflichtet sei - als unzureichend. Rund 360 Krankenhäuser mit 120.000 Betten gab es im Jahr 2014 nach Angaben von Brink in NRW. Wenn hier Investitionslücken entweder gar nicht oder aus Betriebskosten gestopft würden, gehe dies auch zulasten des Pflegepersonals.

Wie viele Pflegekräfte im Klinikalltag mindestens benötigt werden, ist laut der Fachleute bislang nicht bekannt. "Das DRG-System ist ein Ist-Kosten-System", unterstrich Greß. Es bilde keine Bedarfe ab. Nach Auffassung von Dichter sind quantitative Mindeststandards jedoch notwendig. Hierzu müsse es Studien in NRW geben - ein Prozess, der fünf bis zehn Jahre dauern werde.

Brink äußerte hierzu die Hoffnung, dass die im vergangenen Jahr vom Bund eingesetzte Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus" entsprechende Schwellenwerte erarbeiten werde. Greß warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen: Bis zur Bundestagswahl 2017 rechne er lediglich mit einem Übergangsvorschlag. Eine weitere Kommission speziell für NRW befürwortete Brink nicht. Nach Ansicht von Dichter könnte ein solches Zusatzgremium unter Umständen sinnvoll sein, wenn es mit politischer Durchschlagskraft ausgestattet wäre.

"Beruf attraktiver machen"

Weniger Investitionslücken und mehr Personal seien nicht nur für die Qualität der Versorgung relevant, betonte Greß: Dies könne den Pflegeberuf auch wieder attraktiver machen. Denn laut Brink falle es den Kliniken zunehmend schwer, freie Stellen zu besetzen: "Das sind unsere beiden Hauptprobleme: Finanzierung und Arbeitsmarkt."

Als mögliche Antwort auf den Fachkräftemangel schlug unter anderem Michael Süllwold vom Verband der Ersatzkrankenkassen vor, einen niederschwelligen Berufseinstieg - etwa über die Ausbildung zur Krankenpflegehilfe - zu ermöglichen. Nach Einschätzung von Dichter wird dies allerdings nur mit einer ausreichenden Zahl an anleitenden Pflegekräften funktionieren: "Wo es Indianer gibt, braucht es auch Häuptlinge."


DRG-FALLPAUSCHALEN
Seit Anfang des Jahres 2004 rechnen deutsche Kliniken Behandlungen nicht mehr nach der Bundespflegesatzverordnung, sondern nach diagnosebezogenen Fallpauschalen ab, den "Diagnosis Related Groups" (DRG). Die DRG-Fallpauschalen und damit die Höhe der Vergütungssätze ergeben sich pauschal aus der Art und dem Schweregrad der diagnostizierten Krankheit. Der tatsächliche individuelle Krankheits- oder Genesungsverlauf sowie die real entstandenen Kosten bleiben unberücksichtigt.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 47. Jahrgang, 14.06.2016, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2016

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