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NORDRHEIN-WESTFALEN/2298: Sachverständige bewerten Nachtragshaushalt (Li)


Landtag intern 9/2017
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

"Licht und Schatten"
Sachverständige bewerten Nachtragshaushalt

von Dr. Stephan Malessa


28. September/12. Oktober 2017 - Der Landtag hat den Nachtragshaushalt 2017 verabschiedet. Zuvor hatten sich Sachverständige zu dem Gesetzentwurf geäußert. Dabei gab es Lob und Kritik.


Der Nachtragshaushalt 2017 der Landesregierung wurde am 12. Oktober 2017 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen. Der Haushalt hat ein Volumen von 73,9 Milliarden Euro. Gegen den Entwurf (Drs. 17/821, Drs. 17/871, Drs. 17/872, Drs. 17/873) stimmten die Fraktionen von SPD, Grünen und AfD. Die Nettoneuverschuldung beträgt 1,52 Milliarden Euro. 885 Millionen Euro sind für die Rückabwicklung vorgezogener Darlehenstilgungen seitens des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) eingeplant. 500 Millionen Euro erhalten die Träger von Kindertagesstätten, 250 Millionen Euro werden in Krankenhäuser investiert. Rund 18 Millionen Euro sind für Personal und Ausstattung von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz vorgesehen. Und im Zusammenhang mit einer Neuregelung des Unterhaltsvorschussgesetzes tragen künftig das Land und die Kommunen jeweils die Hälfte der Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, die der Bund nicht übernimmt.

Folgen für Kommunen

In einer Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses am 28. September nahmen Sachverständige Stellung zum Gesetzentwurf. Der Nachtragshaushalt enthalte aus kommunaler Sicht "Licht und Schatten", hieß es in der schriftlichen Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. In der Anhörung sagte Dr. Matthias Menzel vom Städte- und Gemeindebund NRW, das Kita-Rettungspaket sei zu begrüßen. Auch die Investitionen in Krankenhäuser seien grundsätzlich positiv, allerdings müssten die Kommunen aufgrund des Automatismus der kommunalen Beteiligung an der Krankenhausfinanzierung 100 Millionen Euro zusätzlich aufbringen. Dies sei nicht akzeptabel. Stefan Hahn vom Städtetag Nordrhein-Westfalen sagte, die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses führe zu einem "erheblichen bürokratischen Aufwand" für die Kommunen.

Der DBB NRW Beamtenbund und Tarifunion Nordrhein-Westfalen begrüßte in seinen schriftlichen Anmerkungen zum Gesetzentwurf die Absicht, Kitas besser auszustatten und Stellen bei der Polizei zu schaffen. Der DBB NRW kritisierte, dass Mittel, die im Personalhaushalt eingeplant waren, nicht verbraucht worden seien. Es sei offenbar nicht gelungen, eine hohe Zahl an offenen Stellen zu besetzen.

Die Deutsche Steuergewerkschaft NRW (DSTG NRW) schrieb in ihrer Stellungnahme, dass "angesichts der zusätzlichen Steuereinnahmen und der bereits absehbaren Minderausgaben" eine niedrigere Nettoneuverschuldung machbar gewesen wäre. Die Rückabwicklungen der Sondertilgungen des BLB hält die DSTG NRW aufgrund "erheblicher Mehrkosten gegenüber der bisherigen Regelung" für nicht sinnvoll. Die zusätzlichen Mittel für Kitas und Krankenhäuser bezeichnete sie als "sachgerechte Verwendung zusätzlicher Steuereinnahmen". Kritisch sieht die Gewerkschaft, dass den Kommunen eine Investitionsverpflichtung bei den Krankenhäusern entstehe. Diese folgt daraus, dass Kommunen und Land gemeinsam die Krankenhäuser finanzieren.

Dr. Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung begrüßte in ihrer Stellungnahme die Entlastung der Kommunen beim Unterhaltsvorschuss ebenso wie die Krankenhausinvestitionen. Hierbei sei aber problematisch, dass die Kommunen dabei sehr kurzfristig und ohne Abstimmung in die Finanzierung eingebunden werden sollten. Die zusätzlichen Mittel für Kindertageseinrichtungen sorgten "zeitweise für eine Entspannung der Lage".

Dr. Tobias Henze vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln schrieb in seiner Stellungnahme, die Haushaltslage in Nordrhein-Westfalen bleibe angesichts des weiterhin bestehenden Defizits und der Unwägbarkeiten der konjunkturellen Entwicklung herausfordernd. Investitionen in die Infrastruktur seien auch künftig erforderlich. Eine sinkende Neuverschuldung sei vor dem Hintergrund der ab 2020 geltenden Schuldenbremse von großer Bedeutung. Die Rückabwicklung der Tilgung durch den BLB eröffne zukünftige Handlungsspielräume.

In der schriftlichen Stellungnahme des Landesrechnungshofs hieß es, dass alle mit der Regierungsneubildung begründeten Stellen als "künftig wegfallend" vermerkt werden sollten. Der Landesrechnungshof stellte zudem fest, dass trotz günstiger Rahmenbedingungen wie Rekordsteuereinnahmen und geringen Zinsausgaben weitere Anstrengungen für eine Haushaltskonsolidierung erforderlich seien.

Birgit Westphal von der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Herne warnte in der Anhörung vor einer Kürzung der Landesförderung für den Sozialen Arbeitsmarkt. Die aktuell gute konjunkturelle Entwicklung wirke sich auf Langzeitarbeitslose nicht aus. Durch den Sozialen Arbeitsmarkt verbesserten die Betroffenen ihre Zugangsvoraussetzungen für den Ersten Arbeitsmarkt. Eine Kürzung der Landesmittel würde zu einer Einschränkung der pädagogischen und fachlichen Anleitung in den Maßnahmen führen.

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Quelle:
Landtag intern 9 - 48. Jahrgang, 17.10.2017, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
André Kuper, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2017

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