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NORDRHEIN-WESTFALEN/2326: Abitur wieder nach neun Jahren (Li)


Landtag intern 3/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Abitur wieder nach neun Jahren
Landesregierung bringt Gesetzentwurf zu G9 ein

von Dr. Stephan Malessa, Susanne Ellert und Wibke Busch


22. März 2018 - Das Abitur nach neun Jahren (G9) soll an den Gymnasien wieder die Regel sein. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den der Landtag in erster Lesung beraten hat. Die Abkehr vom Abitur nach acht Jahren (G8) wurde von allen Fraktionen unterstützt. Der Entwurf löste dennoch Kritik aus.


Das "Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium (13. Schulrechtsänderungsgesetz / Drs. 17/2115)" sieht vor, dass öffentliche Gymnasien zum Schuljahr 2019/2020 von G8 auf G9 umstellen. Die Umstellung soll die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 und 6 betreffen. Die Schulkonferenz kann einmalig von der Möglichkeit Gebrauch machen, mit mehr als zwei Dritteln ihrer Mitglieder den Verbleib bei G8 zu beschließen. Mitberaten wurde der Antrag "Abitur nach 9 Jahren - (Oberstufen)Reform richtig angehen" (Drs. 17/1818) der SPD-Fraktion.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte, mit dem Entwurf bringe die Landesregierung acht Monate nach der Landtagswahl eines der großen Gesetzesvorhaben in den Landtag ein und halte Wort. Es werde "der Anfang des Endes einer jahrelangen Debatte" um das G8 eingeläutet, die die Menschen bewegt habe. Die kritischen Stimmen seien nie verstummt. Dies habe nicht länger ignoriert werden können. Gebauer rechnet derzeit mit einem Mehrbedarf von rund 2.200 Lehrerstellen für die Rückkehr zu G9. Ziel sei, das Gesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, da die Schulen zügig Klarheit benötigten.

Für die SPD-Fraktion sagte Jochen Ott, das Abitur nach acht Jahren sei auf Druck der Wirtschaft beschlossen worden. Die Politik habe damit über Parteigrenzen hinweg einen Fehler gemacht. Zudem sei das G8 durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung im "Eilverfahren" eingeführt worden. Es sei als "Turboabitur" verschrien. Daher sei es grundsätzlich richtig, zu G9 zurückzukehren. Ott kritisierte aber die Details des Gesetzentwurfs. So sollte an allen Gymnasien generell G9 eingeführt werden, damit Eltern auch die Klarheit hätten, dass es an allen Schulen dasselbe Angebot gebe.

"Freiheit der Wahl"

"Auf den heutigen Tag haben viele Menschen lange gewartet", erklärte Petra Vogt (CDU). Keine Strukturfrage sei so intensiv diskutiert worden, wie die Frage um G8 und G9. Seit der Einführung von G8 hätten sich die Rahmenbedingungen z. B. durch den Wegfall der Wehrpflicht, die frühere Einschulung und die spätere Rente verändert. Für einen früheren Berufseinstieg durch eine verkürzte Schulzeit bestünde keine Notwendigkeit mehr. Es sei dennoch wichtig, den Schulen die Freiheit der Wahl zu lassen. Bei der Umstellung stehe die Qualität im Vordergrund, daher brauche es ausreichend Zeit dafür.

Der Gesetzentwurf sei ein "Meilenstein und einer der wichtigsten Gesetzentwürfe dieser Legislaturperiode", sagte Franziska Müller-Rech (FDP). Die Schulen zu einer generellen Rückkehr zu G9 zu zwingen, sei nicht sinnvoll. Die Beteiligten vor Ort wüssten am besten, was für die Schülerinnen und Schüler gut sei. Dies sei ein Schritt hin zu mehr Schulfreiheit. Die Entscheidung, nur bis zur 5. und 6. Klasse den Wechsel zu G9 zu ermöglichen, sei wohlüberlegt. So werde u. a. den Kommunen ausreichend Zeit gegeben, auf den erhöhten Raumbedarf zu reagieren. Die Landesregierung wolle die Städte und Gemeinden bei der Umstellung unterstützen.

Sigrid Beer (Grüne) sagte, es müssten Lehren aus dem Diskurs über die Schulzeit gezogen werden. Es sei nicht gut, Energien in Strukturdiskussionen zu stecken. "Wir sollten Energien in die Entwicklung guter Schule stecken" sowie in die Entwicklung individueller Lernzeiten und generell in die Qualität von Schule. Der Ganztag solle erhalten bleiben: "Mehr Zeit für Bildung" sei das "Gebot der Stunde". Sie kritisierte die geplante Möglichkeit für Schulen, G8 beizubehalten. Dadurch komme keine Ruhe in die Schulen. Die Leitentscheidung an sich sei richtig, sie müsse aber für alle gelten.

Die Schulministerin habe sich dem öffentlichen Druck gebeugt, sagte Helmut Seifen (AfD). Noch in der vergangenen Legislaturperiode habe sie die Rücknahme der Schulzeitverkürzung abgelehnt. G8 habe das gründliche Lernen verhindert und sei "pädagogisch, didaktisch, menschlich und gesellschaftlich" ein vollkommener Fehlgriff gewesen. "Kinder sind keine Leistungsmaschinen." Die Verdichtung der Lernzeiten in der Sekundarstufe I sei geradezu schädlich gewesen. Er kritisierte, dass G9 erst im Jahr 2019 wiedereingeführt und das "Experiment G8" an einzelnen Schulen weitergeführt werden soll.


Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung u. a. an den Ausschuss für Schule und Bildung (federführend) überwiesen.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 49. Jahrgang, 27.03.2018, S. 6
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
André Kuper, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2018

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