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NORDRHEIN-WESTFALEN/2365: Aufenthaltsdauer von Flüchtlingen in Landeseinrichtungen (Li)


Landtag intern 10/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Eine Frage der Zeit
Aufenthaltsdauer von Flüchtlingen in Landeseinrichtungen

von Michael Zabka


31. Oktober 2018 - Kommunen sollen sich bei der Integration von Flüchtlingen künftig grundsätzlich auf Asylsuchende mit Bleiberecht konzentrieren können. Dies betont die Landesregierung in einem Gesetzentwurf. Um die Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, will sie andere Personen, "die nach einer Prüfung in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht schutzberechtigt sind", noch aus den Aufnahmeeinrichtungen des Landes heraus in ihre Heimatländer zurückführen lassen. Sie sollen den Kommunen nicht mehr zugewiesen werden. Im Gegenzug ist eine Ausdehnung der maximalen Aufenthaltsdauer in den Einrichtungen von derzeit sechs auf 24 Monate vorgesehen.


In einer gemeinsamen Sitzung des Integrationsausschusses sowie des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend äußerten sich Sachverständige zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung ("Ausführungsgesetz zu Paragraph 47 I b AsylG", 17/2993). Das Asylrecht sehe "eine Öffnungsklausel vor, bestimmte Asylsuchende zum längeren Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen zu verpflichten (bis zu 24 Monaten)", heißt es in dem Entwurf. Dabei handle es sich um Flüchtlinge, über deren Asylantrag noch nicht entschieden oder deren Antrag abgelehnt wurde. Familien mit minderjährigen Kindern sollen den Kommunen weiterhin nach sechs Monaten zugewiesen werden, "auch wenn noch kein Erstbescheid ergangen ist".

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund) unterstützt den Gesetzentwurf. Er entspreche einer langjährigen eigenen Forderung. Es sei zu begrüßen, "dass das Land von der bundesgesetzlichen Ermächtigung umfänglich Gebrauch machen will", hieß es in einer Stellungnahme für die Ausschüsse. Man gehe davon aus, "dass die entsprechenden Einrichtungen des Landes für eine längerfristige Unterbringung, Betreuung und Versorgung der Menschen baulich und organisatorisch geeignet sind".

"Ohne Bleibeperspektive"

Zustimmend äußerte sich auch die Stadt Essen. Zu bedenken sei jedoch, "dass die vorgesehene Regelung nur dann sinnvoll ist, wenn der betroffene Personenkreis ohne Bleibeperspektive nach 24 Monaten auch wirklich das Land verlassen hat". Eine Zuweisung an die Kommunen nach zwei Jahren "dürfte sich im Hinblick auf die ohnehin problematischere Integration der Personen verstärkt ungünstig auswirken".

Das Ziel, die Kommunen entlasten zu wollen, sei nachvollziehbar, befand der Landesintegrationsrat NRW in seiner Stellungnahme. Den Gesetzentwurf lehne man aber ab: "Anstelle von Wartelagern braucht es Konzepte zur dezentralen Unterbringung in überschaubaren Einheiten." Allen Flüchtlingen müssten die gleichen Chancen auf Integration eingeräumt und der Aufenthalt in den Landeseinrichtungen "so kurz wie möglich" gestaltet werden.

Lediglich verzögert"

Die Landesregierung argumentiere mit Flüchtlingszahlen aus dem Jahr 2015, hieß es in der Stellungnahme des beim Paritätischen angesiedelten Gesundheitszentrums für Migrantinnen und Migranten (Köln). 2015 habe Deutschland 890.000 Flüchtlinge aufgenommen, 2017 seien es 186.444 gewesen. Außerdem würden die Zuweisungen an die Kommunen durch die neue Regelung "nicht verringert, sondern lediglich verzögert". Das Zentrum sprach auch gesundheitliche Aspekte an: "Fehlende Selbstbestimmung sowie der eingeschränkte Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Funktionsbereichen gelten als Bedingungen, die insbesondere bei bereits psychisch belasteten Personen zu einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustands führen können."

Es sei "inhuman, Geflüchtete, deren Asylanträge als unzulässig erklärt wurden oder die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit 'offensichtlich unbegründet' abgelehnt wurden, bis zu 24 Monate in Landesunterkünften zu isolieren, lagerähnlich unterzubringen und von dort aus zur Ausreise anzuhalten bzw. ansonsten abzuschieben", hieß es in der Stellungnahme der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Insbesondere bei einer bis zu 24-monatigen Wohnverpflichtung entstünden "Orte der Entrechtung, der Verzweiflung und der Perspektivlosigkeit", an denen auch die Gewalt zunehmen werde. Die "mangelnde Öffnung zur Zivilgesellschaft" könne dazu beitragen, "dass Vorurteile und Hass auf Flüchtlinge zunehmen werden".

Der Flüchtlingsrat NRW und die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) lehnten eine längere Wohnverpflichtung ebenfalls ab. Sie führe zu Desintegration und Isolation und berge "hohes Konfliktpotenzial", so der Flüchtlingsrat. Bereits die jetzige Höchstdauer von sechs Monaten sei "in der Regel schädlich für die soziale Integration und das individuelle Wohlbefinden". Die GGUA sprach von "Abschottungs- und Abschreckungspolitik".

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Quelle:
Landtag intern 10 - 49. Jahrgang, 20.11.2018, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2018

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