Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

RHEINLAND-PFALZ/2726: Keine Diskriminierung älterer Menschen im Straßenverkehr (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 42/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 12. November 2012

Keine Diskriminierung älterer Menschen im Straßenverkehr



Die CDU-Fraktion richtet sich mit einem Antrage gegen eine Äußerung aus Reihen der Grünen zu Fahreignungstests für Senioren. Die Koalition setzte sich mit einem Alternativantrag in der Abstimmung gegen das Unionspapier durch.

Nicht nur er habe sich verwundert die Augen gerieben, als er in der Presse las, dass die Grünen Zwangsprüfungen und Fahrtests für ältere Autofahrer verlangten, sagte Michael Wäschenbach (CDU). "Erleichtert war ich, als wenig später der zuständige Verkehrsminister als Koalitionspartner diese Forderung in der Presse ablehnte." Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer winke bei dieser Forderung vehement ab. "Er setzt wie wir auf die Freiwilligkeit der Seniorinnen und Senioren für Fahreignungstest sowie die Eigenverantwortung der Führerscheininhaber und eben nicht auf Bevormundung durch Regierungen oder Regierungsparteien", erläuterte Wäschenbach. Welche Logik stecke in der pauschalen Fahrtestforderung, wenn es Ausnahmen für Fahrten zum nahen Supermarkt oder zu Verwandten geben soll. "Diese beiden genannten Ausnahmen sind Unfug. Sie sind nicht zu kontrollieren und werden dem Ernst der Sache nicht gerecht", sagte der Abgeordnete. So gebe es "Fragen über Fragen für einen völlig unpraktischen und nicht durchdachten Vorschlag". Auch Jugendliche seien oft fahruntauglich. Senioren ab 65 Jahren seien dagegen deutlich seltener an Unfällen beteiligt als es ihrem Bevölkerungsanteil entspreche. Die Beratung durch den Hausarzt zur Fahrkompetenz stelle eine wichtige Säule im Gesamtkonzept zur Erhaltung der Mobilität bis ins hohe Alter dar. "Ziel muss es sein, jedem Verkehrsteilnehmer, solange wie aus medizinischer Sicht vertretbar, die automobile Mobilität zu ermöglichen. Das nenne ich Wertschätzung und Teilhabe", verdeutlichte Wäschenbach.

Alles sei eine Frage der Einordnung, betonte Monika Fink (SPD). Fakt sei, "dass immer mehr alternde, ältere, alte, sehr alte Menschen Auto fahren, den Führerschein besitzen und am Verkehr teilnehmen". Dies sei auch Folge der demografischen Entwicklung und der Tatsache, "dass Frauen endlich alle den Führerschein haben und auch alt werden". In jeder Altersgruppe fänden sich Personen, die Regeln nicht einhalten wollen "und manche, die sie nicht mehr einhalten können". Durch geeignete Maßnahmen, zu denen Gesundheitschecks, Fahrtraining, Information und ärztliche Überprüfung gehörten, könne alternden wie auch jedem anderen Teilnehmer im Verkehr mehr Sicherheit gegeben werden. "Da aber jedes Leben individuell ist, jeder Mensch unterschiedlich fit ist, ist aus meiner Sicht eine starre, pauschale Lösung kein erstrebenswertes Ziel." Im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie sollte aber auch über eine Gesundheits- oder Befähigungsprüfung älterer Verkehrsteilnehmer nachgedacht werden. "Eine breitere politische und gesellschaftliche Diskussion, wie diese Überprüfungen aussehen sollten, ist nach meiner Meinung unerlässlich", ergänzte Fink.

Er wolle "erst einmal die Gemeinsamkeiten herausstellen", begann Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen) seine Rede. Es freue ihn außerordentlich, "dass sich die CDU in ihrem Antrag gegen Diskriminierung ausspricht". Diesen Weg gegen die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen "können wir weiter gehen". Wenn man den aktuellen Zahlen ein Stück weit Glauben schenken darf, sei die Zahl der Verkehrsunfälle eher rückläufig. In Rheinland-Pfalz habe die Zahl der Verkehrsunfälle in den ersten sieben Monaten dieses Jahres allerdings um 1,2 Prozent zugenommen und die Zahl der Verkehrstoten sei signifikant gestiegen, um 31,4 Prozent auf 134 Opfer. "Deswegen ist die Frage nach mehr Verkehrssicherheit auf unseren Straßen eine Frage, die uns immer wieder politisch beschäftigen muss und mit der wir uns seriös entsprechend auseinandersetzen müssen", betonte Köbler. Es sei theoretisch möglich, jahrzehntelang, nachdem man den Führerschein gemacht habe, überhaupt keine Pkw zu fahren und dann in den Straßenverkehr wieder einzusteigen. "Das Verkehrsaufkommen hat sich massiv verändert, die Praxis ist nicht da." Deshalb gelte es sich zu fragen, "wie es uns gelingt, die Fahrbefähigung vollkommen unabhängig vom Alter zu erhalten". Er habe niemals allein ältere Menschen entsprechend herausgepickt oder diskriminiert. "Ich habe immer gesagt, es kommt auf die Fahrbefähigung an. Es kommt auf den Gesundheitszustand an. Ich glaube, alle in diesem Hause wollen fähige Fahrerinnen und gesunde Fahrer in unserem Straßenverkehr."

Die Anregungen im Alternativantrag der Koalition würden "selbstverständlich von der Landesregierung aufgenommen und umgesetzt", sagte Verkehrsstaatssekretär Jürgen Häfner (SPD). Zum Teil sei dies schon geschehen. Nach heutigem Kenntnisstand seien Seniorinnen und Senioren bis zu einem Lebensalter von 75 Jahren in den Unfallstatistiken nicht signifikant auffällig. Darüber sei die Gefahr dann aber höher als bei den Fahranfängern. Hauptrisiko sei die Verringerung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. "Komplexe Verkehrssituationen wie Spurwechsel, Kreuzungssituationen, Wende- und Abbiegemanöver überfordern Verkehrsteilnehmer, nicht nur die über 75 Jahre", sagte Häfner. Die Seniorinnen und Senioren stellten sich auf diese Situation sehr klug ein. "Sie fahren überwiegend ihnen bekannte Strecken und meiden dementsprechend Fahrten in der Dunkelheit." Dementsprechend habe der Bundesgesetzgeber davon abgesehen, einen Senioren-TÜV rechtlich einzuführen. In der Diskussion sei durch die EU Vorgabe, inwieweit man nach 15 Jahren zusätzliche Anforderungen stelle. "Derzeit geht man davon aus, dass lediglich ein verwaltungsmäßiger Umtausch nach 15 Jahren erfolgt." Die Landesregierung unterstütze ausdrücklich die Eigenverantwortlichkeit der Seniorinnen und Senioren. Seit dem Jahr 2006 gebe es ein spezielles Programm zur Verbesserung der Mobilität im Alter. "Speziell geschulte Seniorentrainer gehen auf die Zielgruppe zu", schilderte der Staatssekretär.

*

Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 42/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
Redaktion: Walter Schumacher (verantwortlich)
Redaktionsanschrift:
Peter-Altmeier-Allee 1, 55116 Mainz
Telefon: 06131/16 46 88, Fax: 06131/16 46 91,
E-Mail: staatszeitung@stk.rlp.de
Internet: www.stz.stk.rlp.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012