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RHEINLAND-PFALZ/2758: Opposition frühzeitig mit einbinden (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 04/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 11. Februar 2013

Klöckner: Opposition frühzeitig mit einbinden



CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner gratulierte Malu Dreyer im Namen ihrer Fraktion zu ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin. Sie wünsche ihr "allseits eine glückliche Hand" für die richtigen Entscheidungen, "die dem Land und den Bürgerinnen und Bürgern gut tun." Dabei gehöre es zur Fairness, die Ministerpräsidentin als auch den neuen Sozialminister und die Leiterin der Staatskanzlei erst einmal im neuen Amt ankommen zu lassen. Die CDU-Fraktion, die vom Wähler mit nur einem Landtagssitz weniger ausgestattet worden sei als die SPD, sei an einem guten, konstruktiven Miteinander interessiert. "Kritik in der Sache muss möglich sein", betonte Klöckner. Entsprechend werde die CDU weiter die Dinge mittragen, die sie für richtig halte und es genauso klar sagen, "was wir für falsch, unredlich oder gar schädlich für unser Land betrachten".

Die Stimmung im Parlament sei nicht alleine von ihrer Fraktion abhängig, sondern "auch von denen, die die Mehrheit haben, der Regierung und den Koalitionsfraktionen", stellte die CDU-Fraktionsvorsitzende klar. Sachliche Kritik dürfe die Mehrheit nicht als Stimmungstöter abtun. Die von Dreyer angebotene Zusammenarbeit dürfe nicht nur zustande kommen, wenn Rot-Grün ihr eigenes Risiko mit auf die Oppositionsschultern verteilen wolle.

Sie wünsche sich entsprechend, dass die Landesregierung die Opposition künftig "nicht erst einbindet, wenn es Probleme gibt, sondern auch vorher", betonte sie. Die Aufgabe der rheinland-pfälzischen Politik müsse es sein, den Bürgern klare Perspektiven, Sicherheit und Vertrauen zu geben. "Im Zeichen der gesellschaftlichen Umbrüche, des schnellen Fortschritts, der Globalisierung, mit immer weniger Kindern" sei dies wichtig für die Menschen. Bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein gebe es Ängste vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg. Fehlender Zukunftsmut könne lähmen. Ihr schwebe ein Land vor, in das die Bürger hohe Erwartungen setzen könnten. "Dazu brauchen wir Optimismus", betonte Klöckner. Die Christdemokraten verfügten über diesen Optimismus.

Mit Mut, Engagement, Unternehmergeist und Arbeitnehmereinsatz brachten die Bürgerinnen und Bürger das Land voran. "Diese Werte müssen erhalten bleiben", sagte sie. Diese Aufgabe sollte nicht alleine dem Staat übertragen werden. Der Zusammenhalt der Generationen und der Regionen sei "die größte und entscheidende Aufgabe hier in Rheinland-Pfalz", hob Klöckner hervor, "weil sich die Regionen sehr unterschiedlich entwickeln". Mit den rapide abnehmenden Einwohnerzahlen in einigen Regionen des Landes nähmen auch die Sorgen zu. Dies verändere das Leben und könne Unzufriedenheit hervorrufen. Eine vorausschauende Landesplanung und -entwicklung sei gefragt, "und das bedeutet mehr als die Verteilung von Windkraftanlagen über das Land".

Die Lösungen für Städte und Land seien unterschiedlich. Weil selbst kleine, familiengerechte Einfamilienhäuser oder Wohnungen in Städten wie Mainz für Normalverdiener kaum noch bezahlbar seien, müsse die Politik dafür sorgen, dass Bauherren und Vermieter bereit seien, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wenn die SPD die Einführung der Vermögenssteuer anstrebe, "wirkt das dem entgegen", kritisierte Klöckner. Auch überzogene Veränderungen des Mietrechts zu Lasten von Vermietern zählten zu den belastenden Faktoren. Nachdem die Ministerpräsidentin mehr Engagement bei der Finanzierung des Kitaausbaus angekündigt habe, stelle sich die Frage, ob dies auch rückwirkend für die Kommunen gelte, die in Vorleistung gegangen seien.

Auf dem Land seien die Ausdünnung der Buslinien und das Schließen der letzten Metzgerei, Bäckerei oder des Lebensmittelgeschäftes das Thema, auf das die Landespolitik reagieren müsse. Damit die Dörfer lebendig bleiben, müssten neuen Betreuungsangebote her wie private Elternnetzwerke, mehr Nachbarschaftshilfe oder flexiblere Kita-Öffnungszeiten. Die Landesregierung sollte den Vorstellungen Klöckners nach einen Ideenwettbewerb starten, "wie günstige Rahmenbedingungen für junge Familien geschaffen werden können".

Bei der politischen Schwerpunktsetzung müsse die Unterstützung denen gelten, die den "Karren steuern". Weder Land noch Kommunen könnten immer mehr Ansprüche schultern. "Wer die öffentlichen Haushalte überfordert, gefährdet die Mitmenschlichkeit, weil dann das Geld für das Notwendigste fehlen wird." Ein Gebot der Menschlichkeit sei es denen zu helfen, die in Not seien, "Wer hilft, der darf aber auch Bedingungen stellen", sagte die Fraktionschefin.

Die Zeit der "Gießkannenpolitik" müsse vorbei sein, denn die Gießkanne habe nicht mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun, "sondern mit Unentschlossenheit und Mittelmaß". Es sei doch zum Verzweifeln, "dass Rheinland-Pfalz im nationalen Vergleich meist in Mittelmaß versinkt und trotzdem hoch verschuldet ist". Mit den Wohltaten der vergangenen Jahre seien Mittel auf Kosten der folgenden Generationen verteilt worden. "Bevor wir neue Leistungen einführen, müssen wir an anderer Stelle realistische Kürzungen machen", forderte Klöckner als Leitlinie.

"Inhalte statt Strukturdiskussion" wolle sie auch in der Familienpolitik. "Wir wollen nicht eine Bildung, sondern jedem Kind seine Bildung", betonte die Fraktionschefin. Nicht mit gehe sie den Weg der Landesregierung, die Lehrpläne aufzuweichen. "Warum wollen Sie den Wunsch zum Wettbewerb bremsen?", fragte sie. Das Land biete Lehrerstellen an, die die SPD an anderer Stelle als prekäre Jobs einstufen würde. "Bildungsqualität hat mit kostenlosen Busfahrten für gut Verdienende nichts zu tun - sie würden gerne für die Fahrten zahlen, wenn denn der Unterricht stattfände." Die CDU werde auch nicht mitmachen bei der Austrocknung der Förderschulen.

"Klassische Familien" müssten sich den rot-grünen Vorwurf anhören, ein überholtes Familienmodell zu leben. "Wie die Familien leben wollen, geht den Staat aber nichts an", betonte sie.

Eine Baustelle der Landespolitik sei der Verbraucherschutz. "Es hat sich als falsch erwiesen, dass dieses Ressort ins Justizministerium gewechselt ist", sagte Klöckner. Die CDU erwarte eine klare Linie. Die Kommunalreform sei eine "reine Landkartendiskussion". Ziel hätte sein müssen, finanzielle Handlungsspielräume zu schaffen um Städte, Gemeinden und Landkreise zukunftsfest zu machen. Eine dauerhafte Kommunalreform könne nur unter Einbeziehung der Landkreise gelingen. Die CDU fordere dazu die Aussetzung der Landesgesetze sowie ein ganzheitliches Konzept "unter Einbeziehung aller kommunalen und staatlichen Verwaltungsebenen".

Bei den Schulden der Städte und Gemeinden stehe Rheinland-Pfalz unter den Ländern an vorderer Stelle. "Seit über 20 Jahren gibt es erschreckend hohe Defizite", sagte Klöckner. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Rheinland-Pfalz liege mit 2921 Euro zum Jahresende 2012 um 70 Prozent über dem Durchschnitt in den Flächenländern, bei den Kassenkrediten mit 1444 Euro um mehr als 160 Prozent über den Länderdurchschnitt.

Zum "reichen Erbe", das Dreyer von ihrem Vorgänger übernahm, gehörten auch die Großprojekte Nürburgring und Flughafen Hahn. Dazu müsse das Land EU-konforme Lösungen finden. Gutachten über Gutachten in Auftrag zu geben, könne nicht zielführend sein. "Die CDU erwartet ein Flughafenkonzept, das die Nachbar-Bundesländer einschließt", betonte Klöckner.

Auch bei Dreyers bisherigem Aufgabenfeld sehe sie "erhebliche Versäumnisse". Das Land profitiere derzeit stark von der erfolgreichen Politik der Bundesregierung. Die stabile Lage der Gesetzlichen Krankenversicherung führte zur Abschaffung des von Ulla Schmidt einführten Zusatzbeitrages. "Dort, wo Sie unmittelbare landespolitische Verantwortung haben, sieht das Ergebnis eher unterdurchschnittlich aus", kritisierte Klöckner.

In der Wirtschaft fühlten sich die Unternehmerinnen und Unternehmer in Rheinland-Pfalz nicht mehr gut aufgehoben. Dies liege an der falschen Schwerpunktsetzung der Wirtschaftsministerin. Die klare Stellungnahme der IHK, die Kurskorrekturen von der Landesregierung einforderte, sei ein deutliches Zeichen. Wer den Landesrechnungshof belächelt, habe zudem die Not nicht erkannt, sagte Klöckner. "Wir erwarten einen anderen Umgang mit dem Landesrechnungshof." Dreyer müsse entscheiden, "welchen Weg Sie mit uns gehen wollen", sagte Klöckner an die Adresse Dreyers. Sie betrachte Politik nicht als alttestamentarisches Schlachtfeld, "sie dürfen eine ehrliche und konstruktive Oppositionsarbeit erwarten", versprach die CDU-Fraktionschefin.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 04/2013, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013