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RHEINLAND-PFALZ/2786: Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 11/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 15. April 2013

Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre



In jeweils erster Beratung diskutierte der Landtag einen Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Absenkung des Wahlalters in Rheinland-Pfalz auf 16 Jahre sowie jeweils einen Entwurf der Koalition und der CDU zu einer Änderung des Kommunalwahlgesetzes. Der Innen- und Rechtsausschuss wird sich mit den Entwürfen befassen.

Die Gesetzesänderung solle Jugendliche stärker für Politik interessieren und sie so früh wie möglich an den demokratischen Prozessen beteiligen, erläuterte Benedikt Oster (SPD). Als 16-jähriger Jugendvertreter habe er erlebt, dass der Bürgermeister ihm empfahl, erst einmal 18 Jahre zu werden, als es um konkrete Forderungen ging. Gerade angesichts der Abwendung vieler Menschen von der Politik müsse die aktive Beteiligung Jugendlicher gestärkt werden. Neun Bundesländer seien den Schritt bei Kommunalwahlen bereits gegangen, Rheinland-Pfalz sollte das zehnte sein. "Demokratie muss sich weiterentwickeln", betonte Oster. Das Argument mit dem passiven Wahlrecht sei an den Haaren herbeigezogen, weil man mit 18 noch lange nicht zum Verbandsbürgermeister oder Bundespräsidenten gewählt werden könne.

Der Gesetzentwurf ihrer Fraktion bringe "effektiv mehr Bürgerbeteiligung mit sich", sagte Julia Klöckner (CDU). Die Bürger sollten mehr als bisher und auf allen Ebenen an den Entscheidungen teilhaben können. Eine Erkenntnis der Enquetekommission "Jugend und Politik" sei der Versuch Hürden abzubauen, "und genau das wollen wir". Jungwähler sähen erstmals in einer Wahlkabine einen Wahlzettel, auch viele Ältere fühlten sich überfordert. Die Anzahl der ungültigen Stimmen bei den Kommunalwahlen sei als Folge daraus ziemlich hoch. Daher solle es möglich werden, dass die Bürger sich den Wahlzettel nach Hause schicken lassen. Die Bedenken gegen den Vorschlag der CDU seien nicht nachzuvollziehen. Sie sei erstaunt über ein Angebot über die Presse, dass die Koalition dem CDU-Antrag zustimme, wenn die CDU dem Koalitionsentwurf zum Wahlalter 16 zustimme, "das ist ein Kuhhandel", kritisierte Klöckner.

Im Hinblick auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr sei es gut über die Weiterentwicklung der Demokratie zu reden, sagte Pia Schellhammer (Bündnis 90/Die Grünen). Die Änderung der Verfassung sei Gegenstand einer intensiven Debatte, einer Anhörung und Bürgerbeteiligung gewesen. Der CDU-Antrag sei dagegen von der Fraktion nicht zuvor in der Enquetekommission bekannt gegeben worden. Die Grünen wollten mit der Verfassungsänderung die Jugendlichen von der Politik begeistern. In Rheinland-Pfalz hätten sich außer der Jungen Union alle Verbände wie auch der Landesjugendring für die Verfassungsänderung zur Absenkung des Wahlalters ausgesprochen.

Kommunalwahlen seien das Herzstück der Demokratie, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). Die Landesregierung unterstütze die Verfassungsänderung ausdrücklich. Der eigene Gesetzentwurf zum Kommunalrecht werde die Erfahrungen der Wahl 2009 und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einschließen. So solle die Anzahl der Bewerber auf dem Wahlzettel maximal doppelt so hoch sein wie der Rat Sitze hat, schlug Lewentz vor. Verfassungsrechtliche Bedenken ließen ihn gegen eine generelle Versendung von Stimmzetteln eintreten. Jede Versendung berge die Gefahr einer Beeinflussung. Die Landesregierung wolle auch den Einsatz von Wahlmaschinen weiter ermöglichen. Gestrichen werden soll auch der Entzug des Wahlrechts für Menschen, die in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht sind. Aus Sicht der Landesregierung "enthält der Entwurf nun alle Änderungen die notwendig sind für ein modernes Kommunalwahlrecht", sagte Lewentz. Die Landesregierung unterstütze auch das Ziel einer Verfassungsänderung zur Absenkung des aktiven Wahlalters bei Kommunalwahlen.

Es sei das Ziel aller Fraktionen, so viele Leute an die Wahlurne zu bringen wie möglich, sagte Anke Beilstein (CDU). Der Union gehe es mit ihrem Antrag darum, es den Bürgern an der Wahlurne so einfach zu machen wie möglich. Bei den Kommunalwahlen entstehe ein Wirrwarr an Zetteln, der abschrecke. Da stöhnten vor allem Erstwähler und Senioren. "Ich habe so oft den Spruch gehört, da hätte ich mich lieber zu Hause hingesetzt und dort die Kreuzchen gemacht." Das Gesetz solle nicht so einfach wie möglich sein, sondern zweckmäßig und den demographischen Anfordernissen genügen, sagte Hans Jürgen Noss (SPD). Die Koalition werde in der nächsten Innenausschusssitzung einen Antrag einbringen, in dem speziell das Thema des Frauenanteils in der Kommunalpolitik aufgearbeitet werde. Der SPD-Gesetzentwurf zeige, "dass wir in der Lage sind zu lernen". Die Reduktion der Kandidatenanzahl bei der Wahl 2009 habe insbesondere in kleineren Kommunen dazu geführt, dass weniger Kandidaten gewählt wurden als erforderlich waren um die Räte zu beschicken. "Das haben wir verstanden." Die Festlegung auf die eineinhalbfache Kandidatenzahl werde den Erfordernissen gerecht.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung sei eine hervorragende Grundlage, sagte Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen). Zum Ziel, dass möglichst viele Menschen wählen gehen, für das auch die CDU eintrete, gehöre es auch, dass möglichst viele Bürger wählen gehen könnten. Die "Wahlzettel-Landverschickung" habe bei seiner Faktion verfassungsrechtliche Bedenken ausgelöst.

Die CDU stehe weiterhin und damit voller Überzeugung für ein Wahlrecht ab 18 Jahren, sagte Ellen Demuth (CDU). Die CDU unterscheide auch nicht zwischen Kommunal- und Landtagswahlen, "sie sind absolut gleichwertig". Es sei auch nicht konsequent, wenn mit 16 Jahren aktiv aber nicht passiv gewählt werden dürfe. 77 Prozent der Bevölkerung sei gegen eine Absenkung des Wahlalters, auch 62 Prozent der Jugendlichen in dem Alter sähen sich mit 16 noch nicht reif für ein Wahlrecht.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 11/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013