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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1931: Glücksspiel - Ende des Sonderwegs... (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 02 - Februar 2013

Glücksspiel: Ende des Sonderwegs, aber viele Fragen bleiben offen

Heftige Debatte über Wett- und Pokerlizenzen



Vollbremsung mit Nachwirkungen: Das Land Schleswig-Holstein hat in der Januar-Tagung seinen Sonderweg beim Thema Glücksspiel beendet und ist auf die Linie der 15 anderen Bundesländer eingeschwenkt. Nach mehrstündiger, kontroverser Debatte hat die Nord-Ampel das Glücksspielgesetz der schwarz-gelben Vorgänger gekippt und den Beitritt zum Staatsvertrag der übrigen Länder beschlossen. Allerdings äußerten CDU, FDP und Piraten erneut erhebliche juristische Bedenken gegen den Kurs der Koalition - und die Rechtslage bleibt auch nach dem Landtagsbeschluss kompliziert. Noch bis zuletzt erteilte das zuständige Innenministerium mehrere Online-Pokerlizenzen sowie Lizenzen für Sportwettenanbieter.


Wie bei vorherigen Glücksspieldebatten kam es auch diesmal im Plenarsaal zu einem hitzigen Schlagabtausch zwischen den politischen Lagern. "Die politische Geisterfahrt Schleswig-Holsteins geht heute zu Ende", erklärte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner mit Blick auf Union und Liberale, die mit heftigem Protest reagierten. Stegner gehe vor "wie ein blinder Bulldozer-Fahrer" und ignoriere jedes Sachargument, entgegnete der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp.

Fest steht: Auch nach dem Kursschwenk wird der Norden ein Sonderfall bleiben, denn die 26 Sportwett-Lizenzen und die 23 Genehmigungen für Casino-Spiele, die das Innenministerium nach dem alten Gesetz bereits vergeben hat, gelten weiter - für die Dauer von jeweils sechs Jahren. Diese vertrackte rechtliche Lage sei eine von Union und Liberalen hinterlassene "politische Sprengfalle", zürnte Stegner. Unter dem "Einfluss einer milliardenschweren Lobby" hätten CDU und FDP eine "destruktive Politik" zulasten der Spielsüchtigen betrieben.

Arp und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, die als Motoren der schwarz-gelben Regelung aus dem letzten Jahr gelten, wiesen dies empört zurück. "Unser Gesetz ist von der EU-Kommission genehmigt, Ihr Entwurf wird vor dem Europäischen Gerichtshof gnadenlos scheitern", sagte Arp an die Adresse der Koalition. Und er prophezeite: "Noch in diesem Jahr werden Sie hier einen neuen Gesetzentwurf einbringen, der mit europäischem Recht vereinbar ist."

Und Kubicki warf der Nord-Ampel eine widersprüchliche Haltung beim Thema Online-Poker vor: "Wie können Sie im gleichen Rechtsraum etwas gleichzeitig verbieten und erlauben?", fragte er die Koalitionäre. Hintergrund: Der Staatsvertrag verbietet sogenannte Casino-Spiele komplett, während die lizenzierten Poker-Angebote im Norden auch unter Rot-Grün-Blau weiter gelten. "Dass das nicht richtig sein kann, müsste auch Ihnen einleuchten", mahnte Kubicki die Koalitionsabgeordneten.


Staatsvertrag auch bei Grünen und SSW in der Kritik

Innenminister Andreas Breitner (SPD) lobte den Staatsvertrag als "bundeseinheitliche, kohärente und systematische Normgebung", Grüne und SSW sehen hier jedoch Nachholbedarf: Der Vertrag müsse nun unter schleswig-holsteinischer Beteiligung rasch nachverhandelt werden, hieß es bei den kleineren Koalitionspartnern. Ein "Komplettverbot von Online-Glücksspiel und eine Minimal-Legalisierung von Sportwetten sind nicht mehr zeitgemäß", betonte Rasmus Andresen (Grüne). Die Bundesländer müssten den im Internet florierenden Schwarzmarkt "kanalisieren" und den Spielerschutz überwachen.

Lars Harms (SSW) forderte, auch Spielautomaten, die als Süchtigmacher gelten, stärker zu regulieren: "Wenn man das Online-Glücksspiel beschränken will, wie wir es wollen, dann muss auch über kurz oder lang das Spielhallenrecht angepasst werden."

Der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Patrick Breyer, beklagte, das im Glücksspiel-Staatsvertrag verankerte Verbot von Internet-Glücksspiel gehe "komplett an der Lebenswirklichkeit vorbei". 90 Prozent des Glücksspiels finde ohnehin im unregulierten Markt statt, wo keinerlei Spielerschutz zu gewährleisten sei. Das Ziel, Einheitlichkeit unter den Ländern herzustellen, sei "kein Selbstzweck", sagte Breyer und fragte: "Wenn sich 15 aus dem Fenster stürzen, wollen Sie dann hinterherspringen?" Wie Schwarz-Gelb votierten so auch die Piraten gegen den Kurs der Koalition.

(Drucksachen 18/104, /366)


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DIE RECHTSLAGE

Problem 1 - EU-Recht:
Das jetzt abgeschaffte schwarz-gelbe Regelwerk im Lande wurde bereits ohne weitere Auflagen von der EU-Kommission notifiziert, also für vereinbar mit europäischem Recht erklärt. Der Staatsvertrag der 15 hat hingegen noch keinen endgültigen Segen aus Brüssel. Am Tag der Landtagsdebatte hat der Bundesgerichtshof außerdem ein Muster-Verfahren zur Vergabe von Glücksspiel-Lizenzen in NRW ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Der soll nun klären, wie die derzeitige rechtliche "Inkohärenz" in Deutschland - Erlaubnis für Online-Casinos im Norden, Verbot überall anders - zu bewerten ist.

Problem 2 - Wett-Lizenzen:
Der Glücksspiel-Staatsvertrag sieht vor, dass bundesweit maximal 20 Lizenzen für Sportwetten für einen Zeitraum von sieben Jahren vergeben werden dürfen. Kritiker halten diese Zahl für willkürlich gewählt. Schleswig-Holstein hat zudem nach dem alten schwarz-gelben Gesetz bereits 26 Genehmigungen mit einer Laufzeit von sechs Jahren ausgestellt, die letzten noch am Tag der Landtagsdebatte.

Problem 3 - Casino-Spiele:
Der Staatsvertrag verbietet sogenannte Casino-Spiele wie Online-Poker, Black Jack oder Roulette komplett - aber im Norden gibt es in diesem Bereich bereits 23 Lizenzen mit sechs Jahren Laufzeit.

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 02 im Februar 2013, S. 3
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2013