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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1978: Verfassungsgericht prüft Wahlbeschwerden (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 05 - Mai 2013

Verfassungsgericht prüft Wahlbeschwerden
Mündliche Verhandlung am 19. Juni



Die mit Spannung erwartete mündliche Verhandlung am schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgericht (LVerfG) über die Wahlprüfungsbeschwerden findet am Mittwoch, dem 19. Juni, statt. Im Kern geht es um die Frage, wie der SSW rechtlich zu behandeln ist. Die Schleswiger Verfassungsrichter müssen über mehrere Klagen, unter anderem von Vertretern der Jungen Union, entscheiden.


Die Partei der dänischen Minderheit ist von der Fünf-Prozent-Klausel befreit und bekam bei der Landtagswahl im Mai 2012 drei Mandate im Parlament bei einem Stimmenanteil von 4,6 Prozent. Diese Sonderstellung attackieren die Kläger. Begründung: Der SSW sei keine Vertretung der dänischen Minderheit mehr, sondern eine Regionalpartei, die bei der gesamten Bevölkerung um Stimmen werbe. Deswegen müsse die Sperrklausel auch für den SSW gelten. Die Kläger hatten das LVerfG angerufen, nachdem der Landtag ihre Einsprüche gegen die Wertung der Wahl mehrheitlich zurückgewiesen hatte. Fielen die SSW-Mandate ganz oder teilweise weg, hätte die Regierungskoalition keine Mehrheit mehr.

Zu der mündlichen Verhandlung eingeladen sind die Beschwerdeführer und deren Anwälte, die Landesregierung, der Landtag, die Landeswahlleiterin sowie die Fraktionen, die in dem Verfahren Stellungnahmen abgegeben haben. Das sind FDP, SSW und Piraten. Seine Entscheidung will das Verfassungsgericht nach der Sommerpause verkünden.

Gutachten aus dem Landtag

Der von der FDP-Fraktion mit einer Einschätzung beauftragte Kieler Rechtsprofessor Florian Becker liegt auf der Linie der Kläger: Der SSW müsse bei der Mandatszuteilung auf einen Sitz beschränkt bleiben, sofern er keine fünf Prozent der Stimmen erreicht. Dieses eine Mandat sei ausreichend, um die Interessen der Minderheit zu vertreten. Eine Privilegierung über dieses Grundmandat hinaus verzerre den Grundsatz der Wahlgleichheit. Becker äußerte ebenfalls Zweifel, ob der SSW noch eine Partei der dänischen Minderheit sei. Schließlich nähmen Minderheitenthemen nur einen "verschwindend geringen Teil" des Wahlprogramms ein. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hingegen zog den Status des SSW als Minderheitenvertretung "gegenwärtig nicht" in Zweifel.

Demgegenüber sieht der SSW sich durch eine Stellungnahme des Pinneberger Rechtsanwalts Wilhelm Mecklenburg bestätigt. Die Partei sei seit jeher die politische Vertretung der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen, heißt es dort. Die Befreiung von der Sperrklausel sei nach wie vor durch die Verfassung und das Völkerrecht gerechtfertigt. Zudem sei die Befreiung Ergebnis der Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 zwischen Deutschland und Dänemark über die Rechte der nationalen Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze. "Hier ist Frieden geschaffen worden in einer Region, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem prekären Zustand war. Mit der Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde ist der Grenz-Revisionismus in diesem Bereich erledigt worden", so Mecklenburg. Er sprach von einer Friedensformel, die später bei der EU-Osterweiterung zum Vorbild für den Umgang mit nationalen Minderheiten geworden sei.

Die Piraten betonen in ihrer Stellungnahme, dass die Sperrklausel "insgesamt nicht (mehr) zu rechtfertigen" sei und fordern deren Abschaffung für alle Parteien. Die Hürde behindere kleinere Parteien, entwerte deren Wählerstimmen und sei zur Stabilisierung des politischen Systems nicht notwendig.

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 05 im Mai 2013, S. 15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2013