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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2083: Erziehung hinter Gittern - Landtag regelt den Jugendarrest (Landtag)


Der Landtag - Nr. 04 / Dezember 2014
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

PLENUM
Erziehung hinter Gittern: Landtag regelt den Jugendarrest


Jedes Jahr schicken die Richter zwischen 700 und 1.000 junge Menschen in die Jugendarrestanstalt Moltsfelde bei Neumünster. Hier müssen sie bis zu vier Wochen im Arrest verbringen, wenn sie auf die schiefe Bahn geraten sind. Anlässe können Körperverletzung, Diebstahl oder Handy-Raub sein. Wie der Arrest gestaltet wird und was er erreichen soll, wird nun gesetzlich geregelt. Der Entwurf aus dem Justizministerium stieß im Landtag auf breiten Zuspruch. Lediglich die Piraten zweifelten grundsätzlich am Sinn des Arrests.


"Wir sperren junge Täter nicht sinnlos weg, sondern wir fördern deren Einsicht in ihre Taten und deren Folgen", erklärte Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW): "Wir setzen erzieherische Impulse, und wir geben ihnen bestmögliche Hilfen, um ihnen die Richtung für einen gefestigten Lebensweg aufzuzeigen." Spoorendonk betonte, dass der Jugendarrest "kein kleiner Strafvollzug" sei. Die Erziehung, etwa mittels Beratung, Sport und gemeinsamer Freizeit, stehe im Vordergrund.

Wichtig sei, dass der Arrest in eine Vielzahl von Hilfsangeboten eingebettet sei, unterstrich Barbara Ostmeier (CDU). Sie wies auf den Täter-Opfer-Ausgleich hin. Es fördere die Einsicht, die "unmittelbaren Folgen beim Opfer" zu erleben. "Zweifelsohne werden die meisten der jungen Leute auch nach dem Arrest noch Unterstützung und Betreuung brauchen", so Lars Harms (SSW) - zum Beispiel in Form von Nachgesprächen oder Sozialauflagen.

Der Arrest sei für viele straffällige Jugendliche "der erste Ort, wo ihrem Leben Struktur gegeben wird", merkte Thomas Rother (SPD) an. Burkhard Peters (Grüne) und Ekkehard Klug (FDP) wiesen auf das Problem der Rückfälligkeit hin. Laut Studien hätten die Täter auch nach dem Arrest eine Rückfallquote von 60 bis 70 Prozent, so Klug. Das sei "unbefriedigend".

Diese Zahlen nahm Patrick Breyer (Piraten) zum Anlass, den Jugendarrest grundsätzlich in Frage zu stellen. Der Arrest habe offenbar "keine positive pädagogische Wirkung", folgerte Breyer. Andere Maßnahmen wie Sozialstunden seien viel effektiver. Und grundsätzlich gelte: "Aufklärung und Vorbeugung schaffen Sicherheit - nicht Wegsperren."

Der Innen- und Rechtsausschuss hat einige von der Landesregierung geplante Strafen im Gesetz entschärft. So dürfen die Jugendlichen, anders als zuvor geplant, bei Fluchtgefahr nicht gefesselt werden. Und: Strafen wie Radio- und Fernsehverbot oder der Ausschluss von Freizeitangeboten dürfen maximal zwei Tage dauern. Ursprünglich sollte dies bis zu einer Woche möglich sein.

Die Jugendlichen sollen im Arrest ein geregeltes Leben kennenlernen, sich ordentlich und zuverlässig verhalten und Anerkennung in der Gruppe finden. Mit Gruppen- und Gesprächsräumen, PC-Raum, Bibliothek, Töpferraum, Lehrküche, Fitnessraum sowie einem großen Sportraum soll der erzieherische Ansatz realisiert werden. Das Gesetz löst die bisherige Verordnung aus dem Jahr 1976 sowie die Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes des Bundes ab. Nach der ersten Föderalismusreform 2006 ist die Zuständigkeit in die Hoheit der Länder übergegangen. Schleswig-Holstein ist das zweite Bundesland nach NRW, das diesen Bereich gesetzlich regelt.

(Drucksachen 18/891, /2342)

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 04 / Dezember 2014, S. 19
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2015

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