Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE


SCHLESWIG-HOLSTEIN/2149: Bestattungsgesetz - Neue Wege für den letzten Gang (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 03 / September 2016
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Innen- und Rechtsausschuss
Bestattungsgesetz: Neue Wege für den letzten Gang


70 Prozent aller Toten werden in Schleswig-Holstein nicht mehr in einem Sarg bestattet, sondern verbrannt. Vor 20 Jahren war das Verhältnis noch umgekehrt. Die Beisetzungskultur wandelt sich - muss der Gesetzgeber mithalten? Die Piraten haben eine Reihe von Änderungen am Bestattungsgesetz vorgeschlagen. Hierüber diskutierte der Innen- und Rechtsausschuss Anfang September drei Stunden lang mit Experten.


Beisetzung im Privaten: Gehört die Urne auf den Kaminsims?

Die Piraten wollen es den Angehörigen ermöglichen, die Asche eines Verstorbenen zwei Jahre lang im häuslichen Umfeld aufzubewahren, etwa im Wohnzimmer oder im Garten. Voraussetzung: Der Tote hat zu Lebzeiten zugestimmt.

Claudia Bruweleit von der Evangelischen Nordkirche lehnte eine "Privatisierung" der Trauer ab. Öffentliche Friedhöfe seien "Teil einer notwendigen Kultur im Umgang mit dem Tod". Das sah Torsten Schmitt von der Initiative "Aeternitas" ganz anders: "Niemand hat einen Rechtsanspruch auf Trauer am Grab", entscheidend sei der Wille des Verstorbenen. Auch Pirat Patrick Breyer stellte fest: "Noch über den Tod hinaus bevormundet uns der Staat bei der Entscheidung über unsere Bestattung. Niemand braucht vor sich selbst geschützt zu werden." Der Grünen-Abgeordnete Detlef Matthiessen war skeptisch: "Die Hinterbliebenen tun sich keinen Gefallen, wenn sie einen Toten im Wohnzimmer haben. Der Abschied wird dadurch noch schwerer."


Brauchen wir überhaupt einen festen Ort des Gedenkens?

Schon heute haben viele Tote keinen festen Platz auf dem Friedhof, keinen Grabstein mit einem Beet davor. Stattdessen gibt es anonyme Gräber, Seebestattungen oder Friedwälder. Die Piraten wollen nun das Verstreuen der Asche auf Friedhöfen ermöglichen. Mehr noch: Gemeinden, aber auch private Anbieter, sollen ebenfalls Streu-Flächen ausweisen können.

Für die Asche eines Toten gelte "die gleiche Sorgfaltspflicht wir für Lebende", mahnte Karl Schiemann, Justiziar des katholischen Erzbistums Hamburg. Die Totenruhe sei rechtlich streng geschützt. Auch Kai Dolgner (SPD) wies auf das "Pietätsgefühl der Allgemeinheit" hin. Es gebe kein "richtiges Trauern", und Pietät sei ein "abstrakter Begriff", hielt Bertram Wilken vom Verband unabhängiger Bestatter dagegen. Die Menschen legten auch im Tod Wert auf ihre "Individualität".


Wie schnell muss ein Leichnam bestattet werden?

Frühestens 48 Stunden nach dem Ableben darf ein Leichnam nach derzeitigem Recht beerdigt oder verbrannt werden. Die Piraten wollen diese Frist streichen und den Toten unmittelbar nach der Leichenschau freigeben.

Damit würden sie den religiösen Vorstellungen von Muslimen und Juden entgegenkommen. Dort fordert die Tradition eine rasche Beerdigung. "Es sollte die Möglichkeit geben, den Körper so schnell wie möglich der Erde zuzuführen", forderte Ibrahim Yazici von der islamischen Religionsgemeinschaft "Schura". Klaus-Peter Paulsen von der Bestatterinnung hielt eine kürzere Frist für wenig realistisch: Nach der Leichenschau seien noch diverse Verwaltungsgänge und die Ausstellung eines Bestattungsscheins nötig.


Auch der Tod ist nicht umsonst - was kostet das?

Die Nachkommen könnten erhebliche Kosten sparen, wenn sie auf eine feste Grabstelle, auf Sargträger oder auf einen Grabstein verzichten. Aber gerade das birgt Probleme.

"Viele alte Leute werden sich sagen: Ich will meinen Angehörigen nicht zur Last fallen", vermutete Lars Harms vom SSW. Sie würden dann aus einem inneren Druck heraus die "Billig-Lösung" wählen. Zudem "kommt eine Menge Arbeit auf die Kommunen zu", befürchtete Petra Nicolaisen (CDU). Denn die "Beisetzungspflicht" gelte weiter. Das Ordnungsamt müsse jede Privat-Urne im Blick behalten - ein Verwaltungsaufwand, der noch nicht zu beziffern sei. Auch die Friedhofsgebühren könnten steigen, wenn immer mehr letzte Ruhestätten anderswo eingerichtet würden, merkte Claudia Zempel von den Kommunalen Landesverbänden an. Steinmetz-Innungsmeister Wulf Helmert sah zudem viele Betriebe "in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet", wenn "Grabdenkmäler" aus der Mode kommen sollten.

*

Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / September 2016, S. 13
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer (verantwortlich)
Telefon: 0431/988 1120
E-Mail: tobias.rischer@landtag.ltsh.de
Internet: www.sh-landtag.de
 
Abonnement und Versand sind kostenfrei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang