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ARBEIT/1125: Arbeit hat ihren Wert - Lohngerechtigkeit umfassend fördern


SPD-Pressemitteilung vom 20. Juni 2015

Beschluss des SPD-Parteikonvents: Arbeit hat ihren Wert - Lohngerechtigkeit umfassend fördern


Auf seiner heutigen Sitzung hat der SPD-Parteikonvent folgenden Beschluss gefasst:

Die Lohnfindung gehört in unserem Land zum Kernbestandteil der Tarifautonomie. Wo Tarifverträge existieren, haben die Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen und auch höhere Entgelte. In den Jahren 2000 bis 2014 stiegen die tariflichen Entgelte vom Basisindex 100 auf 110,9, während die allgemeinen Bruttoentgelte nur auf 101,4 stiegen. Einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge führt eine Tätigkeit zu Tarifkonditionen bei Männern zu einem Verdienstvorteil von 6,6 Prozent gegenüber Tätigkeit ohne Tarifvertrag. Bei Frauen beträgt das Plus sogar 9,2 Prozent.

Die Politik soll sich aus guten Gründen nicht in die Tarifautonomie einmischen. Gleichwohl sollte die Politik Rahmenbedingungen setzen. Dies gilt insbesondere, wenn immer weniger Betriebe tarifgebunden sind, atypische Beschäftigungsverhältnisse zunehmen und gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten unter den Bedingungen des Marktes nicht die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen.

Die Sozialdemokratische Partei sieht vor allem aufgrund folgender Entwicklungen Handlungsbedarf:

• Die Tarifbindung ist deutlich gesunken. Nur noch gut die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet in einem tarifgebundenen Betrieb. Verantwortlich ist die Tarifflucht vieler Arbeitgeber, die entweder ihren Arbeitgeberverband verlassen haben oder sich der Tarifbindung über eine so genannte OT-Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) entziehen.

• Der Niedriglohnsektor ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angewachsen. Vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns waren mehr als 20 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigt.

• Der Anteil atypischer und prekärer Beschäftigungsformen hat zugenommen. Insbesondere über Leiharbeitsverhältnisse und scheinbare Werkvertragskonstruktionen werden mehr Menschen beschäftigt. Damit wird in Betrieben eine zweite Lohnstruktur eingeführt, die zum Teil weit unter den geltenden Tarifverträgen liegt.

• Es gibt nach wie vor eine große Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Frauen verdienen im Durchschnitt rund 22 Prozent weniger als Männer. Selbst bei gleicher Tätigkeit liegt der Lohnunterschied immer noch bei sieben Prozent.

• Der Anteil sozialer Dienstleistungen an der Gesamtbeschäftigung nimmt zu. Zugleich steigen die Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten in Sozial- und Erziehungsberufen, in der Kranken- und Altenpflege. Die erhöhten Anforderungen finden allerdings zu wenig Entsprechung in der Bezahlung und der Wertschätzung.

Die SPD setzt sich vor diesem Hintergrund für politische Rahmensetzungen ein, die die Tarifpartner dabei unterstützen, Lösungen für mehr Lohngerechtigkeit umzusetzen:

Tarifautonomie fördern und Tarifbindung stärken

Die Tarifautonomie und das Tarifvertragsgesetz haben sich bewährt und sind eine wesentliche Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges unseres Landes. Tarifverträge sorgen für höhere Entgelte, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohngerechtigkeit. Deshalb ist es richtig, dass auf sozialdemokratische Initiative mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz die Möglichkeiten erleichtert wurden, Tarifverträge allgemein verbindlich zu erklären. Auch der gesetzliche Mindestlohn ist ein historischer Schritt für mehr Lohngerechtigkeit. Er fördert zudem die Tarifautonomie, weil es im Zuge seiner Einführung in traditionellen Niedriglohnbranchen wie der Fleischindustrie oder dem Friseurgewerbe erstmals zu flächendeckenden tariflichen Strukturen gekommen ist. Wir werden zudem den Grundsatz der Tariftreue stärken. Die öffentliche Auftragsvergabe nimmt dabei eine Vorbildfunktion ein.

Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern

Wir wollen den Missbrauch von Leiharbeit zu Lohndumping und Tarifflucht beenden. Der Grundsatz "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" muss zu einem tragenden Prinzip werden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurde 2003 mit dem Ziel verändert, mehr arbeitslose Menschen über eine kurze Phase in der Leiharbeit auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln und im Regelfall genauso zu bezahlen wie die Stammbelegschaft. Damals wurde erstmals der Grundsatz des equal pay gesetzlich festgeschrieben, von dem nur tarifvertraglich abgewichen werden konnte. Basierend auf Dumping-Tarifverträgen von christlichen Gewerkschaften wurde dieser Grundsatz aber ausgehebelt, zunehmend Stammbelegschaften durch Leiharbeit ersetzt, Tarifverträge umgangen und Lohndumping Tür und Tor geöffnet.

Deshalb will die SPD seit langem Maßnahmen ergreifen, um diesen Missbrauch zu beenden. Wir haben im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass es künftig wieder eine gesetzlich festgeschriebene Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten geben wird. In vielen Branchen, u.a. in der Metall- und Elektroindustrie und der chemischen Industrie, gibt es tarifvertragliche Regelungen, die eine gestaffelte bessere Entlohnung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern vorsehen. Unter Beachtung der entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen wird der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" künftig nach spätestens neun Monaten für Leiharbeitnehmer und Stammbeschäftigte gelten. Den Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten als Streikbrecher werden wir gesetzlich verbieten.

Das sozialdemokratisch geführte Bundesarbeitsministerium wird einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Mit diesem Gesetzentwurf werden wir auch die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umsetzen, um gegen den Missbrauch von Werkverträgen vorzugehen. Nach den ersten Regulierungsmaßnahmen im Bereich der Leiharbeit durch einen tariflichen Mindestlohn häufen sich die bekannt gewordenen Fälle, in denen Unternehmen durch Scheinwerkverträge Arbeiten in Auftrag geben, bei denen es sich tatsächlich um abhängige und weisungsgebundene Beschäftigung handelt. In der Folge werden reguläre Beschäftigung verdrängt und Tarifverträge und Mindestlöhne umgangen.

Wir brauchen eine klarere gesetzliche Regelung, was ein Werkvertrag ist und was illegale Arbeitnehmerüberlassung. Entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag werden wir die durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niederlegen. Darüber hinaus soll die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit konzentriert, organisatorisch effektiver gestaltet und erleichtert werden. Wir werden die Informations- und Unterrichtungsrechte der betrieblichen Mitbestimmung sicherstellen und konkretisieren.

Die massive Ausweitung atypischer und prekärer Beschäftigungsformen setzt die Stammbelegschaften und die Betriebsräte zunehmend unter Druck. Der günstigere Mitarbeiter nebenan, der die gleiche Arbeit macht, aber ein Drittel weniger verdient, stellt immer auch Drohpotential dar. Es ist deshalb aus sozialdemokratischer Sicht in Zukunft notwendig, die echten Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei Fremdbeschäftigung im Betrieb deutlich zu stärken. Das betrifft Umfang und Dauer von Leiharbeit ebenso wie das Zustimmungsverweigerungsrecht beim Einsatz von Werkverträgen.

Im Übrigen fordern wir die Möglichkeiten zur Befristung ohne Sachgrund im Teilzeit- und Befristungsgesetz zu streichen. Die Zulässigkeit einer Befristung soll dadurch dahingehend beschränkt werden, dass für die Befristung immer ein sachlicher Grund vorliegen muss.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 133/15 vom 20. Juni 2015
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
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Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2015

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