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FINANZEN/1331: Rede von Sigmar Gabriel zum Gesetz zum Fiskalpakt und zum "ESM-Ratifizierungsgesetz"


SPD-Pressemitteilung 234/12 vom 29. Juni 2012

Rede des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Sigmar Gabriel zum Gesetz zum Fiskalpakt und zum "ESM-Ratifizierungsgesetz"

am Freitag, dem 29. Juni 2012, im Deutschen Bundestag.



- Es gilt das gesprochene Wort -

Und damit es gleich am Anfang klar ist:

- Wir finden die Wachstumsbeschlüsse des EU-Gipfels richtig.

- Wir freuen uns darüber, dass neben Wachstumsprogrammen die Finanzmarkttransaktionssteuer endlich auf den Weg gebracht wird. Beides wäre ohne den Druck von SPD und Bündnis/90 Die Grünen nicht möglich gewesen!

- Wir halten den Auftrag zur Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht für den richtigen Weg.

Und um auch das Thema Euro-Bonds gleich am Anfang zu klären:

Ihr Kollege Schäuble hat Recht, wenn er zur Frage der Schaffung von Euro-Bonds in dieser Woche im SPIEGEL antwortet, dass dazu erst eine echte Fiskalunion geschaffen und ein europäischer Finanzminister geschaffen werden müsse. Dem stimmen wir auch ausdrücklich zu.

Allerdings, Frau Bundeskanzlerin, gibt es zwischen dieser Aussage des Kollegen Schäuble und Ihren Bedingungen an Euro-Bonds eine - sagen wir mal - leichte Differenz. Herr Schäuble hält es laut SPIEGEL-Interview für möglich, das innerhalb der kommenden 5 Jahre zu schaffen.

Sie dagegen sollen gesagt haben, Euro-Bonds gäbe es nicht, solange sie am Leben seien. Ich hoffe doch, dass Herr Schäuble Ihnen - ebenso wie wir - ein viel längeres Leben wünscht als nur noch fünf Jahre.

Mein Vorschlag: Wir lassen diese Schein-Debatte um Euro-Bonds, denn in Wahrheit haben wir sie ja bereits: Mehr als 1 Billion Euro hat die Europäische Zentralbank parallel zu allen Rettungsschirmen still und heimlich an direkter Staatsfinanzierung geleistet. Und wer haftet dafür: natürlich wir alle hier in Deutschland mit annähernd 400 Mrd Euro.

Und das wurde und wird ja von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, auch gewollt. Deshalb heißen diese getarnten Euro-Bonds auch zu Recht "Merkel-Bonds".

Es gibt sie also längst, die vergemeinschafteten Schulden.

Und das, obwohl Sie, Frau Merkel, sich Gott sei Dank bester Gesundheit erfreuen.

Schlimm dabei ist allerdings, dass es - anders als bei echten Euro-Bonds - ganz ohne Auflagen passiert. Deutschland haftet für diese vergemeinschafteten Schulden mit fast 400 Mio Euro, ohne dass wir irgendeine Kontrolle darüber hätten, was diese Länder damit tun.

Deshalb ist auch ein weiterer Beschluss des Europäischen Rates von gestern zumindest ein Fortschritt: Sie lassen für Staaten der Euro-Zone eine Senkung des Zinsdrucks über die europäischen Rettungsschirme für die Fälle zu, bei denen die betreffenden Staaten die europäischen Auflagen für ihre wirtschaftliche Entwicklung und Finanzlage einhalten und es deshalb keinen Anlass für überhöhte Zinsforderungen an den Kapitalmärkten gibt.

Das ist mehr, als SPD und Grüne in den Verhandlungen mit der Bundesregierung durchsetzen konnten.

Es ist gut, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie diesem Kompromiss beim Europäischen Rat zugestimmt haben. Es bremst den Druck auf die Ausgabe weiterer "Merkel-Bonds" durch die EZB und lindert den Zinsdruck auf die Euro-Staaten.

Wir jedenfalls werfen Ihnen nicht vor, dass Sie sich an dieser Stelle bewegt haben.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, seit Ihrem erfolgreichen Einsatz im französischen Präsidentschaftswahlkampf, seit dem Amtsantritt des neuen sozialistischen Präsidenten Frankreichs, Francois Hollande, hören wir von Ihnen, dass Schuldenabbau und Wachstum zusammen gehören.

Bravo! Das sehen wir auch so.

Allerdings frage ich Sie: Warum haben Sie eigentlich fast drei Jahre nicht eine einzige Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht?

Können Sie uns verraten, Frau Bundeskanzlerin, warum in den letzten Jahren ihrer Kanzlerschaft auf diesen 24 Gipfeln alles Mögliche beschlossen wurde, nur nichts darüber, wie wir die europäische Volkswirtschaft stabilisieren können und wieder für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen?

Es kann nicht sein, dass wir für die Frage der Verschuldung "harte" Regeln haben, und uns im Bereich von Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik mit unverbindlichen Gesprächsrunden mit so schillernden Begriffen wie der "offenen Koordinierung" begnügen müssen!

Frau Bundeskanzlerin, seit drei Jahren erleben wir Gipfel auf Gipfel, bei dem Sie für sich in Anspruch nehmen, Europa die Richtung vorzugeben. Ihr Fraktionsvorsitzender fasste das in der ihm eigenen Art der vornehmen Zurückhaltung in den Satz zusammen: "In Europa wird jetzt deutsch gesprochen."

Schauen wir uns nun einmal an, was das Ergebnis Ihres
"Deutschunterrichts" in Europa ist:

- Das wirtschaftliche Wachstum ist in den letzten drei Jahren in Europa eingebrochen.

- Die Schulden, die Sie ja angeblich senken wollten, sind in den letzten drei Jahren in Europa um 1.100 Mrd Euro gestiegen.

- Und die Jugendarbeitslosigkeit ist in den letzten drei Jahren in Europa auf fast ein Viertel aller Jugendlichen gestiegen. In manchen Ländern ist es die Hälfte aller jungen Menschen.

Europa ist dabei, eine verlorene Generation zu produzieren. Die gleiche Generation, die Europa weiterbauen soll. Das ist vielleicht die schlimmste Bilanz all dessen, was wir erleben mussten.

Frau Bundeskanzlerin, die Krise hat sich also in Europa in den letzten drei Jahren unter Ihrer Führung massiv vergrößert. Und jetzt erreicht sie auch Deutschland:

So musste Ford in Köln oder Johnson Controlls in Hannover Kurzarbeit anmelden, weil die Aufträge aus Europa wegbrechen.

Wissen Sie Frau Bundeskanzlerin, es ist Ihr gutes Recht, sich in von Gipfel zu Gipfel als Krisenmanagerin zu inszenieren. Aber tun Sie uns einen Gefallen: übernehmen Sie dann auch die Verantwortung für diese verheerende Bilanz Ihres Krisenmanagements.

Sogar die konservative "Welt" schreibt Ihnen ins Stammbuch: "So fördern Merkel und die Fiskalradikalen ein Ende des Wachstums, indem sie auf ihrem Spardiktat bestehen" (26.06.2012).

Und die Financial Times - auch nicht gerade ein Zentralorgan der Sozialdemokratie - konstatiert:

"Zwei Jahre lang wurde in Merkel-Europa jede neue Marktpanik damit zu beantworten versucht, dass es noch einen Pakt gegen Staatschulden gab, noch ein hektisches Austeritätspaket" (04. 05.2012).

Das war Kindergarten-Ökonomie! Das hat weder mit Wirtschafts- noch mit Finanzpolitik etwas zu tun. Sondern es ist blanke Ideologie!

Nun, wo das europäische Haus an allen Ecken und Enden brennt, suchen Sie auch nach Wachstumsinitiativen. Mit unseren Ideen haben wir Ihnen dabei in den letzten Wochen viel auf die Sprünge helfen müssen, denn eigene Ideen hatten Sie kaum.

Und nicht nur bei den Wachstumsinitiativen kommen Sie spät. Es war Ihre Regierung, die drei Jahre lange die Einführung einer Finanzmarktbesteuerung blockiert hat.

Sie selbst, Frau Bundeskanzlerin, erteilten der Forderung der Gewerkschaften nach einer Finanztransaktionssteuer auf dem DGB-Kongress eine kühle Abfuhr.

Noch am 15. Mai erklärt Herr Brüderle: "Die Finanztransaktionssteuer ist (...) gescheitert. Dies sollte die SPD endlich anerkennen." (Focus.de 15.5.1012)

Nein, Herr Kollege Brüderle, das haben wir nicht anerkannt. Sondern wir haben zusammen mit den Gewerkschaften, den Grünen und vielen anderen in der Gesellschaft nicht locker gelassen.

Denn es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass diejenigen die mitschuldig sind an den Milliarden Schulden in Europa, die sogar daran noch verdienen, bis heute mit keinen Cent dazu beitragen müssen, diese Schulden wieder abzubauen.

Wäre es nach Ihnen gegangen, hätte sich daran nichts geändert. Und deshalb ist es gut und wichtig, dass SPD und Grüne Sie auch dabei zur Kurskorrektur gezwungen haben.

Und wir wissen auch, warum wir dem ESM zustimmen. Aber wissen Sie das eigentlich auch? Oder vielleicht sollte ich es anders formulieren: Wissen Sie eigentlich, was Ihre Kollegen von CDU/CSU und FDP heute hier abstimmen? Ich lese Ihnen mal den Änderungsantrag Ihrer eigenen Fraktion vor, dem wir zustimmen:

"Finanzhilfen zur Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen (...) schließen Finanzhilfen an eine Einrichtung zur Stabilisierung des Finanzsektors mit ein, wenn (...) KEINE direkten Bankrisiken übernommen werden und die Rückzahlung durch eine Garantie der Vertragspartei gesichert ist."

In der Begründung von CDU/CSU und FDP zu dieser Ergänzung heißt es:

"Eine direkte Gewährung von Finanzhilfen an Finanzinstitute ist AUSGESCHLOSSEN."

Das ist eine kluge Ergänzung, weil sie verhindert, dass der Steuerzahler - auch der deutsche - für die Spekulationsrisiken internationaler Banken in Anspruch genommen wird. Deshalb stimmen wir diesem Vorschlag auch zu.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben allerdings gestern in Brüssel einer Vereinbarung zugestimmt, die das exakte Gegenteil bedeutet. In der Gipfelerklärung heißt es:

"Sobald (...) ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebietes eingerichtet worden ist, hätte der ESM (...) die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren."

Das ist das präzise Gegenteil dessen, was wir hier gleich beschließen.

Wenn Sie es in Europa trotzdem anders machen wollen, müssen Sie hier zurück in den Bundestag. Und wir sind gespannt auf das Votum Ihrer eigenen Fraktion dazu. Wir werden Ihnen jedenfalls dafür nicht zur Verfügung stehen.

Statt einer erneuten Übertragung von Haftungsrisiken aus Banken auf die kleinen Leute, braucht es eine europaweite Bankenabgabe für Großbanken, damit sie selbst für ihre Risiken haften. Mindestens müssen die Staaten nationale Einlagensicherungen aufbauen und Europa ein Verfahren zur geordneten Bankeninsolvenz.

Und wir brauchen weit ernsthaftere Schritte zur Regulierung der Finanzmärkte, als diese Bundesregierung bisher bereit war zu gehen. Einschließlich der bilanziellen Trennung von Investmentbanking und Geschäftsbanken, sonst machen deren Akteure immer weiter und fordern demokratische Politik schamlos heraus.

Herr Brüderle hat am Mittwoch vor dem "Schulden-Sozialismus" in Europa gewarnt. Lieber Kollege Brüderle, diesen "Schulden-Sozialismus" haben die Vorstandsetagen von Banken, Versicherungen und Fondsmanagern in Europa eingeführt. Nicht wenige von diesen Leuten, haben Ihr Parteibuch, Herr Brüderle. Es waren und sind doch diese Taugenichtse, die bis heute Milliarden damit verdienen, in dem sie mit fremder Leute Geld riskante Geschäfte machen. Geschäfte, die wir endlich verbieten müssen.

Und noch etwas, Frau Bundeskanzlerin: Kommen Sie in Zukunft rechtzeitig. Ihre Art Politik zu machen, hat nun mehrfach zu veritablen Verfassungsschwierigkeiten geführt.

Drei Monate Zeit haben Sie sich Zeit gelassen, um das erste Mal mit uns darüber zu reden. Drei Monate, in denen wir hätten in Ruhe verhandeln können, um am Ende dem Bundestag und Bundespräsidenten ausreichend Gelegenheit zur Beratung zu geben und zudem das Verfassungsgericht nicht unter Zeitdruck zu setzen.

Es ist ihrem dilettantischen Regierungshandwerk zu verdanken, dass wir in diesen Konflikt der Verfassungsorgane untereinander gekommen sind.

Und ich verstehe die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, die sich das von Ihnen nicht länger bieten lassen wollen.

Frau Bundeskanzlerin, steigende Schulden, steigende Arbeitslosigkeit vor allem unter Jugendlichen und nun auch erste negative Auswirkungen in der deutschen Wirtschaft: Das ist die Bilanz der letzten drei Jahre Ihrer Europapolitik!

Und nun der Versuch einer Wende in letzter Minute. Deshalb jetzt diese Notoperationen mit ESM und die Ergänzung des Fiskalpakts mit einem Wachstumspakt und der Besteuerung der Finanzmärkte.

Ja, wir stimmen diesen Notoperationen zu. Nicht, weil wir uns darüber freuen, Recht behalten zu haben.

Schon gar nicht, um Ihnen aus der Patsche zu helfen.

- Wir stimmen zu, weil wir nicht wollen, dass die Spekulationen an den Finanzmärkten immer mehr europäische Mitgliedsstaaten erfasst und am Ende Europa in den wirtschaftlichen und sozialen Ruin führt.

- Wir stimmen zu, weil wir nicht wollen, dass ohne europäische Solidarität am Ende auch die europäische Demokratie in Gefahr gerät.

- Und wenn ich mir Ihr europapolitisches Verhalten, Frau Bundeskanzlerin, während der letzten Landtagswahlen anschaue, dann sage ich auch: Wir stimmen zu, weil uns Europa wichtiger ist, als die parteipolitische Profilierung.

- Und auf diesen Unterschied zu Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, sind wir stolz!

Scheitern wir in den kommenden Wochen und Monaten: die europäische Einigung würde dadurch um Jahrzehnte zurück geworfen und eine lange Rezession mit millionenfacher Arbeitslosigkeit sicher unvermeidbar. Noch unsere Enkelkinder würden uns für unser Versagen verfluchen.

Das ist der Grund, warum wir Sozialdemokraten keine Verweigerungs- oder Blockadepolitik betreiben.

Wir wollen nicht, dass das verspielt wird, wofür so viele vor uns mit aller Energie gearbeitet, gestritten und manchmal auch gelitten haben.

Und wir wollen diesen Erfolg bei der Rettung Europas auch dann, wenn er am Ende eher der Regierung als der Opposition zu Gute kommt. Das verstehen wir unter verantwortlicher Politik.

Das beginnt übrigens damit, dummen Argumenten offensiv entgegen zu treten, statt sie einfach laufen zu lassen. Z.B. dem dummen Wort der "Transferunion".

Es ist eben falsch, Frau Bundeskanzlerin, Deutschland permanent nur als Lastesel der Europäischen Union hinzustellen. Wir sind keine "Nettozahler" in der EU, sondern Netto-Gewinner. Seit der Währungsunion hat unser Land an der EU 575 Milliarden Euro mehr verdient als wir als öffentliche Finanzen für die EU bereit gestellt haben.

Und wenn wir jetzt für europäische Rettungsschirme mit bürgen, dann geben wir nur einen Teil dessen zurück, was wir selbst verdient haben. Und wir tun es auch noch im ureigenen deutschen Interesse, denn niemand in Deutschland zahlt nur für andere. Sondern wir zahlen immer auch für uns selbst, wenn wir in Europa investieren.

Europa ist an einem Scheideweg: Entweder wir verzichten auf eine gemeinsame Währung in der heutigen Art, damit sich die Schwächeren wenigstens durch Abwertung ihrer Währung wieder zur Wettbewerbsfähigkeit verhelfen können, oder wir sind bereit, in die Annäherung der Lebensverhältnisse in Europa aktiv zu investieren.

Eine gemeinsame Währung zu erhalten, während sich die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede immer mehr vergrößern, muss scheitern.

Die Wahrheit ist: Wir müssen in Europa investieren - auch wenn der Weg lang und teuer wird. Denn er ist am Ende kürzer und preiswerter als das Auseinanderfallen Europas. Noch unsere Urenkel würden den politischen und den wirtschaftlichen Preis für das Auseinanderfallen Europas bezahlen, denn Europa ist die einzige Chance den Menschen auf unserem Kontinent in Zukunft eine Stimme und Gehör zu verschaffen.

Sehr geehrte Frau Merkel, die von ihnen und nun auch Herrn Schäuble geforderte "politische Union" bleibt inhaltsleer, solange man ihr nicht ein gemeinsames Ziel gibt. Und ohne Zustimmung in der Bevölkerung, wenn man dieser politischen Union kein Ziel gibt.

Und dieses Ziel muss die gemeinsame Interessenvertretung der Europäerinnen und Europäer in der Welt sein, müssen vergleichbare und angenäherte Lebensbedingungen sein, und eine Eindämmung des Finanzkapitalismus!

Für eine echte politische Union brauchen wir neue demokratische Strukturen und auch die Übertragung von nationalen Souveränitätsrechten an die europäische Ebene.

Manches davon kann man machen auch ohne Grundgesetzänderung. Anderes wird Änderungen im Grundgesetz erfordern, für die man sich durchaus auch die Zustimmung unserer Bürgerinnen und Bürger mit Volksabstimmungen holen sollte.

Und am Ende steht sicher auch eine Volksabstimmung über unsere Verfassung selbst.

Kein demokratischer Politiker sollte Angst vor Volksabstimmungen haben. Ja, sie können auch mal Integrationsschritte an- und auch aufhalten. Aber am Ende ist nichts gefährlicher als Europa weiter als Elitenprojekt ohne echte und tief verankerte Zustimmung seiner Bevölkerung voran zu treiben.

Worum wir in Europa kämpfen, ist die europäische Idee von Freiheit und Verantwortung, die unsere Antwort auf die Globalisierung ist.

Weder die absolute Freiheit der Märkte und die absolute Individualisierung Amerikas ist unser Weg, noch der Staatskapitalismus Chinas mit seiner ungebremsten Ausbeutung von Mensch und Natur. Freiheit und Solidarität, die Fähigkeit, aus seinem Leben etwas zu machen, aber auch Verantwortung für einander zu übernehmen, das ist das besondere an der Idee Europas.

Wir werden diese Idee nur gemeinsam verteidigen und der Welt anbieten können - alleine gehen wir unter - auch wir Deutschen. Diese Begründung müssen wir neu in den Mittelpunkt unserer gemeinsamen Europapolitik stellen.

Es wird Zeit, aus dem Elitenprojekt EU wieder ein gemeinsames Projekt zu machen, bei dem wir auch die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen müssen.

Deswegen fordere ich Sie auf, ernsthaft den Prozess zur Erarbeitung einer neuen europäischen Grundordnung einzuleiten, die am Ende dem deutschen Volk zur Abstimmung vorgelegt wird.

Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls dazu bereit, für ein Europa als politische und soziale Union einzutreten, in dem die Menschen und ihre Interessen als Europäer im Mittelpunkt stehen. Das sind wir Europa als einzigartigem Kontinent von Aufklärung, Fortschritt und Emanzipation schuldig.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 234/12 vom 29. Juni 2012
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2012