Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1043: Südsudan - Die hohe Kunst der Diplomatie, Brasilien leistet Schützenhilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2011

Südsudan: Die hohe Kunst der Diplomatie - Brasilien leistet Schützenhilfe

Von Fabíola Ortiz


Rio de Janeiro, 21. September (IPS) - Der Südsudan sucht den Beistand Brasiliens, um die hohe Kunst der Diplomatie zu erlernen. Das südamerikanische Land war das erste Land der Welt, das den jüngsten Staat im Nordosten Afrikas als solchen anerkannte.

Brasilien könnte ein vertrauensvoller und fähiger Partner sein und dem Südsudan dabei helfen, Gespräche mit dem Sudan in Gang zu bringen, meinte James Padiet Angok, Südamerika-Beauftragter im südsudanesischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit.

Seit der Unabhängigkeit des Südsudans am 9. Juli ist das jüngste Land der Welt mit der Entwicklung solider Regierungsstrukturen befasst. Beim Aufbau einer Diplomatenschule habe man erkannt, dass Brasilien zu den Ländern mit den besten Kenntnissen der praktischen Diplomatie gehöre, sagte Padiet Angok, der noch bis zum 23. September an einem Lehrgang für afrikanische Diplomaten teilnimmt.

Besucht wird der zwölftägige Kurs ferner von zwei Kollegen und Regierungsbeamten aus den Ländern Angola, Botswana, Ghana, Kenia, Namibia, Nigeria, Sambia, Simbabwe, Südafrika, Sudan, Südsudan und Tansania. Die Fortbildung in Brasilien soll Padiet Angok und seinen beiden Landsleuten die Grundlagen der Diplomatie vermitteln. "Uns geht es vor allem um die praktische Seite, wie sich etwa Kriege und Konflikte friedlich beilegen lassen", erläuterte Padiet Angok im Gespräch mit IPS.


Brasilen - ein uneingebildeter Partner

Brasilien sei ein Entwicklungsland, die Kluft zum Südsudan somit nicht so groß wie etwa zu den reichen Industriestaaten, erklärte der Südsudanese die Gründe für die Entscheidung, sich von Brasilien diplomatisch schulen zu lassen. Außerdem habe das südamerikanische Land im Umgang mit dem Südsudan keine Dünkel, die bei Ländern des Nordens anzutreffen seien.

"Brasilien ist in den afrikanischen Staaten stets willkommen", versicherte Padiet Angok. "Es mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein und versucht auch nicht, anderen demokratische Verhältnisse aufzudrücken. Das sind einige Punkte, die wir an Brasilien wirklich zu schätzen wissen."

Der Aufbau eines Landes nach 50 Jahren Krieg und zwei Millionen Toten sei eine immense Herausforderung, sagte Padiet Angok. Der Südsudan habe für seine Unabhängigkeit lange kämpfen müssen. Doch die Abspaltung vom Sudan habe die internen Probleme nicht aus der Welt geschafft.

Dem Vertreter des südsudanesischen Außenministeriums zufolge setzt seine Regierung nun ihre Hoffnungen auf die Diplomatie, um Stammesfehden und bevorstehenden Problemen bei der Landverteilung und einem möglichen Streit mit dem Sudan über den Umgang mit den südsudanesischen Erdölreserven vorzubeugen. Die Schwierigkeiten im Südsudan mit seinen 61 Ethnien und ebenso vielen Sprachen seien riesengroß.


Fingerspitzengefühl bei Grenzverhandlungen gefragt

Gelöst werden muss nach Ansicht des Beamten auch die Frage der künftigen Grenze. Es gelte klare Verhältnisse zu schaffen. Ohne eine Festlegung der 2.000 Kilometer langen Grenze zum Sudan sei es schwierig, das Öl in der Region gerecht zu teilen. Gerade in dieser Frage könne Brasilien eine besondere Rolle spielen und dazu beitragen, dass es zu keinen Konflikten komme. Das südamerikanische Land habe ausreichend seine Unvoreingenommenheit unter Beweis gestellt.

Die Grenzfrage tangiert auch ein weiteres Problem. So gab es Volksgruppen, die dem Südsudan im Kampf gegen den Sudan unterstützt hatten, sich seit der Teilung jedoch auf sudanesischer Seite wiederfinden. Zahlen von 2010 zufolge gehören zum Südsudan 8,5 Millionen Menschen. Auch die Zugehörigkeit der 600.000 Menschen zählenden Region Abyei ist noch nicht geklärt. Das Gleiche gilt für den Bundesstaat Blue Nile. Dort steht noch ein Volksentscheid über die Frage aus, ob er dem Süsudan oder dem Sudan zugeschlagen wird.

"All diese Fragen bedürfen viel diplomatisches Geschick", meinte Padiet Angok. "Zumal diese Bevölkerungsgruppen seit mehr als 20 Jahren bewaffnet sind. Wie soll man diese Menschen dazu bringen, ihre Waffen abzugeben und nach Hause zu gehen? Hier sehe ich eine Quelle für neue Konflikte." Die Gefahr eines erneuten Ausbruchs des Krieges sei latent vorhanden, warnte der Beamte. Dieser Gefahr gelte es mit diplomatischen Mitteln vorzubeugen.

Hinzu kommt das Problem der Ernährungssicherheit. "Da wir nicht genügend Nahrungsmittel produzieren, müssen wir sie aus Uganda, Kenia und dem Sudan importieren", sagte Padiet Angok. "Doch in diesen Tagen hat der Sudan seine Grenzen geschlossen, und der Handel liegt brach." Lediglich die Ölleitungen in Richtung Norden blieben geöffnet. "Wäre das nicht der Fall gewesen, hätten wir ein ernstes Problem bekommen, da unser Haushalt zu 99 Prozent vom Ölverkauf abhängt."

"Noch sind wir auf unsere Nachbarn angewiesen", meinte Padiet Angok. "Und der Sudan ist ein wichtiger Partner, mit dem wir verhandeln müssen. Wir glauben, dass Brasilien hier helfen kann und sich als vertrauenswürdiger und neutraler Partner herausstellen wird." (Ende/IPS/kb/2011)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105162

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2011