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AFRIKA/1244: Imperialismus in Afrika am Beispiel Guineas (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 41 vom 11. Oktober 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Reiches armes Land
Wahlen fürs Geschäft - Imperialismus in Afrika am Beispiel Guineas

von Georges Hallermeyer



Das westafrikanische Guinea ist ein reiches Land. Es verfügt über Wasserkraft und fruchtbare Böden. Immerhin werden 12,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts in der Landwirtschaft erarbeitet, Kaffee exportiert. Und Guinea ist reich an Bodenschätzen: Immense Reserven an Eisenerz sind im Visier der Multis wie zum Beispiel des australisch-britischen Bergbauriesen Rio Tinto oder des staatlichen chinesischen Konzerns Chinalco, die in Simandou eine der größten Eisenerzminen der Welt betreiben. Auch bedeutende Reserven an Gold und Diamanten warten auf ihre Ausbeutung. Guinea ist auch Bauxit-Land. Man schätzt, dass in Guinea fast die Hälfte der Weltreserven an diesem für die Herstellung von Aluminium benötigten Rohstoff liegt. So gingen im Jahr 2010 Guineas Bauxit-Exporte in der Höhe von fast 600 Millionen US-Dollar nach Russland (20,4 Prozent), nach Spanien 19,9 %, Irland (15,3 %), Ukraine (12,9), USA (10,5 %) und Deutschland (9,9 %). Das Wirtschaftswachstum für 2013 wird auf 4,5 Prozent und im kommenden Jahr sogar auf 5,2 Prozent geschätzt.

Guinea ist ein armes Land. Während die ärmsten 10 Prozent der Haushalte gerade mal 2,7 Prozent des Einkommens besitzen, verfügen die obersten 10 Prozent über 30 Prozent (Stand 2007). Die Vermögensverteilung dürfte weitaus mehr auseinanderklaffen. Denn die herrschende Kompradorenbourgeoisie, die Geschäftsträger der Multis, bereichert sich unmäßig. Übergangs-Premierminister Rui Duarte Barros beschrieb am Beispiel des früheren Präsidenten, wie das geht: "Alle Geschäfte mussten über ihn gehen. Wenn man eine Gesellschaft gründen wollten, musste man ihn beteiligen oder man bekam keine Genehmigung."

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nicht nur zwischen den vierundzwanzig Volksgruppen blutige ethnische Konflikte geschürt wurden, sondern Hunderttausende von Flüchtlingen aus den bürgerkriegsgeschüttelten Nachbarländern aufgenommen werden mussten.


Das Investitionsklima hatte sich verschlechtert

Die Regierung unter Lansana Conte (Präsident von 1984-2008) hatte 1998 das Gesetz zu privaten Investitionen im neoliberalen "Geist des freien Unternehmens" revidiert und schloss mit den USA ein Abkommen, das gegen politische Risiken amerikanischer Investitionen versicherte.

Die drei folgenden Faktoren führten dazu, dass das "Vertrauen" der Multis stetig abnahm, obwohl in den 90er Jahren auf Druck von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank Privatisierungen von regierungseigenen Unternehmen und Steuerreformen durchgeführt wurden: die ungezügelte Korruption, die Kosten schwer kalkulierbar machte. Nach einem Bericht von Transparency International war Guinea 2006 das korrupteste Land Afrikas. Deshalb zogen sich private Investoren, die bis 2001 die Wasser- und Stromversorgungsgesellschaften unterhielten, zurück. Selbst der IWF suspendierte das Armutsbekämpfungs- und Wachstums-Programm (PRGF). Premierminister Cellou Dallein Diallo versuchte mit noch rigoroseren neoliberalen Reformen das vom IWF finanzierte PRGFProgramm wieder anzukurbeln, unter anderem mit einer Aufhebung der Preiskontrollen für Benzin. Diese Reformen begleitete Inflation, von 27 Prozent 2005 auf 30 Prozent 2006.

Aber nicht alle ausländischen Investoren hielten sich zurück: Die kanadischen Konzerne "Global Alumina's" und "Alcoa and Alcan" mit dem Bau von Aluminiumwerken, die größte Investition im subsaharischen Afrika seit dem Bau der Tschad-Kamerun-Ölpipeline. Der USÖlmulti Hyperdynamics Corp. erreichte 2006 die Konzession für eine 80 000 qkm große Offshore-Öllagerstätte.

2008 erfolgte nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Lansana Conte ein Militärputsch, der aber dazu führte, dass - von der politischen Isolierung durch die EU, Afrikanische Union und Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO abgesehen - die internationalen "Geldgeber", darunter die G-8, die Weltbank und der Weltwährungsfonds, ihre Entwicklungsprogramme erheblich drosselten, was abnehmende Investitionen und eine weiter steigende Inflation zur Folge hatte. Um gegenzusteuern, setzte die Militärregierung auf die chinesische Karte: Der China International Fund war bereit, mehr als 7 Milliarden Dollar in die Infrastruktur zu investieren und bot eine "strategische Partnerschaft" in allen Bergwerksprojekten an.

Nach einem Attentat 2010 auf Junta-Chef Camara wurde die Militärregierung von einer Übergangsregierung abgelöst. Die ersten als demokratisch beurteilten Wahlen gewann der langjährige Oppositionsführer Alpha Condé - in der Stichwahl gegen dem ehemaligen Premierminister Diallo (Dezember 2004 bis April 2006). Die neue Regierung löste umgehend das Kooperationsabkommen mit China und erließ im Gegenzug im Jahre 2011 ein Gesetz, das dem Staat eine freie Mindestbeteiligung von 15 Prozent an allen ausländischen Unternehmen sichern sollte und Maßnahmen enthält, die die Korruption wenigstens erschweren und die Umwelt schützen sollten. Der erpresserische Protest des Hauptinvestors Rio Tinto oder des russischen Multis Rusal, es sei nunmehr "sinnlos, in Entwicklung und neue Projekte zu investieren", war bald vergessen. Wohl nicht zuletzt, weil die daraus abzuleitenden Milliarden Dollar Gewinnbeteiligung bis heute nicht eingefordert wurden und wohl verfallen sind.

Der IWF und die Weltbank drängen entschieden, dass Guinea versucht, seine Schulden zu tilgen. Immerhin konnte das Land seine Auslandsschulden von geschätzten 3 Milliarden Dollar Ende 2011 auf etwa zweieinhalb Milliarden Ende 2012 verringern, so dass weitere Kredite und neue Entwicklungsprogramme gesichert scheinen.

Die Höhe der zu erwartenden Direktinvestitionen des internationalen Finanzkapitals wird davon abhängen, inwieweit die Regierung die Korruption bekämpft, das veraltete Bankensystem reformiert, die Infrastruktur und vor allem ein produktives Geschäftsklima schafft, so nicht nur das CIA-factbook, sondern auch IWF und Weltbank, an deren Tropf das Land hängt.

Immerhin werden die 2012 getätigten Investitionen auf 20 Prozent des Buttoinlandsprodukts geschätzt.


Wahlen - um das Geschäftsklima zu verbessern

Der umstrittene Präsident Alpha Condé hatte 2010 versprochen, innerhalb von sechs Monaten Parlamentswahlen abzuhalten. Doch dieser Termin wurde immer wieder verschoben. Es ging um die Besetzung der "Unabhängigen nationalen Wahlkommission" CENI. Erst der Rücktritt des Vorsitzenden machte im September 2012 den Weg für einen Kompromiss frei. Der frühere Außenminister Bakary Fofana als CENI-Präsident vermittelte, die Regierung setzte als Wahltermin den 12. Mai an. Auch dieser Termin ließ sich nicht halten, denn zwei Fragen blieben noch strittig: die Einbeziehung der im Ausland lebenden Guineer, was die Opposition verlangte, und das mit der technischen Durchführung beauftragte Privatunternehmen. Die Opposition lehnte die südafrikanische Firma Waymark ab und verlangte, die französische Firma SAGEM damit zu betrauen. Die südafrikanische Zeitung "mail & gardian" sagt, was Sache ist: Präsident Condé wird als eine der wenigen Stützen Südafrikas in der Region angesehen, den Einfluss Frankreichs im frankophonen Afrika zurückzudrängen. Den von dem UNO-Beauftragten vermittelten Kompromiss akzeptierte Condé, nämlich die Einbeziehung der Auslands-Guineer, im Gegenzug die Opposition einen abgespeckten Auftrag an Waymark. Es wurde eine Wahlkontrollkommission eingerichtet und der Termin auf den 24. September gelegt. Um "Anpassungen" vorzunehmen - Wählerlisten zu korrigieren, erst 78 Prozent der Wählerkarten waren verteilt - musste auf Druck der Opposition die Wahl noch einmal verschoben werden auf ein historisches Datum, den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung 1958. Am gleichen Tag veröffentliche die satirische Wochenzeitung "Le Canard Enchainé" Dokumente des CIA und des französischen Geheimdienstes: Französische, südafrikanische und israelische Söldner, die eine Pseudopartei gegründet hatten, bereiteten einen Staatsstreich vor. Die Regierung nahm die Drohung ernst, denn der dahinter stehende Spekulant war in Conakry kein Unbekannter: der französisch-israelische Milliardär Beny Steinmetz. Er stehe auch mit den Bürgerkriegen in Angola und Sierra Leone in Zusammenhang. Die Wahlen gingen relativ ruhig, aber unter Hochspannung über die Bühne. Die Wahlbeobachter der EU äußerten ernste Kritik gegen CENI und Regierung. Obwohl noch kein offizielles Resultat bekannt war, rief der bei der Präsidentenwahl unterlegene Diallo, Führer der größten Oppositionspartei, den Sieg aus, was das Regierungslager dementierte. Regierung und Opposition beschuldigten sich gegenseitig, Wahlfälschungen begangen zu haben. Der UNORepräsentant forderte die Parteien auf, den "Urteilsspruch der Wahlurnen" zu respektieren. Am 3. Oktober entschied die Opposition, sich nicht mehr an der Auszählung der Stimmen zu beteiligen, um tags darauf die Annullierung der gesamten Wahl zu verlangen. Die UN hatte sogar Hubschrauber organisiert, um den Transport der Wahlunterlagen in die Hauptstadt zu gewährleisten, aber die Auszählung dauert noch an.


Business als usual?

Noch ist nicht klar, ob die Wahlen das Siegel "demokratisch" verliehen bekommen nach der Maxime "besser ein wenig Legitimität als keine". Die intensiven Bemühungen des UN-Sonderbeauftragten Said Djinnit, zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln, bleiben möglicherweise erfolglos, meldet die Deutsche Welle. Unruhen, Straßenkämpfe, ein Staatsstreich scheinen ausgeschlossen. Noch ist nicht klar, ob der als Sozialist bezeichnete Alpha Condé oder der neoliberale Diallo das Rennen macht.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 41 vom 11. Oktober 2013, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2013