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AFRIKA/1308: Lesotho - Krise vorerst beigelegt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2014

Krise vorerst beigelegt
Politische Stabilität ist in Lesotho meist nur von kurzer Dauer

von Brigitte Reinhardt



Persönliche Rivalitäten führender Politiker und ihre Unfähigkeit zum Kompromiss haben das Land erneut an den Rand des Abgrunds geführt.


Doch nun scheint die schwere Krise der letzten Monate beendet, zumindest auf der politischen Ebene. Südafrikas stellvertretender Präsident Cyril Ramaphosa gab nach einer dreitägigen Vermittlungsmission am 2. Oktober in Maseru bekannt, er sei mit den politisch Verantwortlichen Lesothos zu einer Einigung gekommen. Am 17. Oktober werde das Parlament nach viermonatiger Pause wieder einberufen. Es werde kein Misstrauensvotum gegen die von Premierminister Tom Thabane geführte Regierung geben. Stattdessen seien für Februar 2015 Neuwahlen geplant. Eine Beobachtermission der SADC werde sich die nächsten drei Monate in Lesotho aufhalten, um Frieden und Stabilität zu sichern. Die Entsendung von Truppen, die von Premierminister Thabane gewünscht worden war, sei nicht vorgesehen. Nach Einschätzung von SADC handle es sich bei der gegenwärtigen Krise in Lesotho nicht um eine Frage der Sicherheit, sondern um ein politisches Problem.

Was war geschehen? Nachdem bei den Wahlen im Mai 2012 keine Partei die zur Regierungsbildung nötige Mehrheit erzielt hatte, schlossen sich die All Basotho Convention (ABC), der Lesotho Congress for Democracy (LCD) und die Basotho National Party (BNP) zu einer Koalition zusammen, mit Tom Thabane (ABC) als Premierminister und Mothetjoa Metsing (LCD) als seinem Stellvertreter. Doch schon bald kam es zu Spannungen zwischen beiden Politikern. Metsing beklagte sich wiederholt darüber, er sei von Thabane, der als autokratisch gilt und schon in mehreren Regierungen zuvor hohe Positionen innegehabt hatte, in wesentliche Entscheidungen nicht einbezogen worden. Alarmierend wurde die Situation, als es zwischen LCD und dem 2012 vom LCD abgespaltenen Democratic Congress (DC) des ehemaligen Premierministers Mosisili zu einer Annäherung kam mit dem Ziel, durch ein Misstrauensvotum Thabane zu stürzen und gemeinsam die Macht zu übernehmen.

Um dem zuvorzukommen, bat Thabane im Juni König Letsie, die Sitzungen des Parlaments bis Februar 2015 auszusetzen. Wie zu erwarten, regte sich dagegen Widerstand. Alle Vermittlungsversuche von Seiten der Kirchen Lesothos, von der SADC und besonders von Südafrikas Präsident Zuma führten zu keiner Einigung. Ein für den 1. September geplanter Protestmarsch von LCD gegen die Suspendierung des Parlaments wurde von der Polizei verboten. Dies wurde allgemein als Parteinahme für Tom Thabane angesehen. In Maseru zirkulierten Gerüchte, wonach die Jugendorganisation der ABC (UTTA - Under the Tree Army) bewaffnete Angriffe auf die Demonstrierenden plante.

Die Lage spitzte sich zu, nachdem Thabane den Chef der Armee, General Kamoli, entlassen hatte. Dieser hatte sich geweigert, der Polizei zu erlauben, einige Soldaten zu verhören, denen verschiedene Bombenattentate zur Last gelegt worden waren, u.a. auf das Haus der Freundin Thabanes. Von Kamoli persönlich bedroht floh Thabane über die Grenze nach Südafrika, kehrte jedoch nach wenigen Tagen unter südafrikanischem Polizeischutz nach Maseru zurück.

In der selben Nacht überfiel Kamoli mit einigen Rekruten mehrere Polizeistationen. Dies wurde als Umsturzversuch gewertet. Kamoli selbst leugnete später eine derartige Absicht. Es sei nur darum gegangen, unkontrollierbare Elemente in der Polizei daran zu hindern, ABC-Aktivisten mit Waffen zu versorgen. Für Chief Maseribane von der Koalitionspartei BNP war der Schuldige an diesem Aufruhr schnell ausgemacht: der stellvertretende Premierminister Metsing. Durch den Sturz der Regierung habe er verhindern wollen, dass das Gerichtsverfahren gegen ihn wegen Korruption fortgesetzt werde.

Auch nach Ramaphosas Vermittlungsaktion ging das Tauziehen zwischen Armee und Polizei weiter. So weigerte sich z.B. die Armee trotz Gerichtsbeschluss, zwei bei einer Schießerei mit Soldaten verletzte Polizisten aus dem Armeegewahrsam zu entlassen.

Die Rolle des Militärs in dieser Krise hat erneut die Diskussion aufflammen lassen, ob Lesotho überhaupt eine Armee braucht. Immer wieder ist sie in den letzten Jahrzehnten von Politikern für die Durchsetzung eigennütziger Ziele instrumentalisiert worden. Auch diejenigen bekommen Aufwind, die schon seit Ende der Apartheid für eine Eingliederung Lesothos in die Republik Südafrika plädieren. Das Land ist nicht nur wirtschaftlich völlig abhängig vom großen Nachbarn, sondern ganz offensichtlich auch nicht in der Lage, ohne dessen Hilfe politische Konflikte zu lösen und für dauerhafte Stabilität zu sorgen.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2014, S. 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2015


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