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AFRIKA/1337: Sudanesischer Staatschef gibt Rätsel auf, Visafrage ungeklärt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2015

UN: Sudanesischer Staatschef gibt Rätsel auf - Visafrage ungeklärt

von Thalif Deen


Bild: © UN Photo/Marco Castro

Omar al-Bashir, Präsident von Sudan, spricht auf der UN-Generalversammlung in New York im Jahr 2006. Damals lag noch kein Haftbefehl des ICC gegen ihn vor
Bild: © UN Photo/Marco Castro

VEREINTE NATIONEN (IPS) - Es ist fast schon zu einem Ritual geworden: Die Frage, ob der sudanesische Präsident Omar al-Bashir versuchen wird, im September bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York das Wort zu ergreifen. Offen ist nicht nur, ob al-Bashir ein Visum für die Einreise in die USA beantragen wird, sondern auch, ob die USA ihm dieses aushändigen würden und letztlich, ob die UN ihm das Wort erteilen würden.

Die Frage ist deshalb so prekär, weil gegen al-Baschir ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) vorliegt. Die Anklage lautet auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt. Erstmals hat der Strafgerichtshof damit einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef erlassen.

Medienberichten zufolge spielt al-Bashir nun mit dem Gedanken, sich auf den Weg zur UN-Generalversammlung am 28. September in New York zu machen. Sollte dies zutreffen, wäre es sein dritter Versuch, vor dem höchsten Gremium der Vereinten Nationen zu sprechen. Die letzten beiden Anläufe waren bereits gescheitert.

Die Berichte über al-Baschirs möglichen Auftritt werden auch dieses Mal wieder von Gerüchten begleitet: Wird der Präsident auf seinem Weg vom Flughafen zum UN-Hauptquartier in Manhattan verhaftet und dem ICC überstellt? Wären die USA - die das ICC-Statut von 1998 zwar zunächst unterschrieben, ihre Unterschrift dann aber zurückgezogen hatten - zu einem solchen Schritt überhaupt befugt?


Affront gegenüber den Opfern des sudanesischen Völkermordes

"Es gibt nur einen Ort, an den der sudanische Präsident Omar al-Bashir gehört: vor den Internationalen Strafgerichtshof", sagte Elise Keppler von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gegenüber IPS. "Sollte al-Baschir auf der UN-Generalversammlung auftauchen, wäre das nicht nur ein Affront gegenüber den Opfern des sudanesischen Völkermordes, sondern auch geradezu schamlos gegenüber dem UN-Sicherheitsrat." Der sei schließlich 2005 dafür verantwortlich gewesen, dass gegen al-Baschir heute ein Haftbefehl des ICC vorliegt.

Sollte al-Baschir ein Visum für das Treffen im September beantragen, stellt sich die Frage, ob die US-Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum ihm überhaupt ein Visum ausstellen würde. Tatsächlich haben die USA bisher in nur sehr wenigen Fällen Staatschefs ein Einreisevisum verwehrt. Nach dem sogenannten Hauptquartier-Abkommen zwischen den USA und den Vereinten Nationen, die ihren Hauptsitz in New York haben, sind die USA verpflichtet, den UN ihre Arbeit zu ermöglichen und soweit es geht zu erleichtern.

Bisher wollten weder die Vereinten Nationen noch das US-Außenministerium zu diesen Fragen Stellung beziehen. Mark Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, hielt sich gegenüber Reporterfragen bedeckt und gab nur allgemeine Aussagen. "Wir sind zwar nicht Mitglied des Rom-Statuts des ICC, aber wir haben die Bemühungen des Strafgerichtshofs immer unterstützt, jene zur Verantwortung zu ziehen, die für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie den Völkermord in Darfur verantwortlich sind."

Zum konkreten Fall wollte Toner sich nicht äußern. "Wir haben gesehen, dass es Berichte gibt, denen zufolge Präsident Baschir plant, auf dem UN-Gipfel im September zu sprechen. Mehr Informationen liegen uns allerdings nicht vor." Gesicherte Informationen zu seinem geplanten Besuch gebe es nicht. Weiter sagte er: "Wir können keine Aussagen über individuelle Visaanträge machen. Das verbietet uns das Gesetz."


Verstoß gegen Abkommen zwischen USA und UN

Die sudanesische Seite ist über die wiederholten Fälle, al-Baschir das Rederecht zu verweigern, nicht erfreut. Hassan Ali, ein hoher sudanesischer Diplomat, hatte sich daher bereits im vergangenen Jahr an das Rechtskomitee der Vereinten Nationen gewandt. "Der demokratisch gewählte Präsident des Sudans, Omar al-Bashir, wurde [2013] davon abgehalten, an der Generalversammlung teilzunehmen, weil das Gastgeberland, die USA, ihm ein Visum verwehrt hatten, was gegen das UN-USA-Hauptquartier-Abkommen verstößt."

Hassan Ali beschwerte sich außerdem darüber, dass die USA als Gastgeberland ausländischen Delegationen willkürliche Zwangsmaßnahmen auferlegten, "je nachdem, wie nah die Außenpolitik des entsprechenden Landes der Außenpolitik der USA ist." Das Einfrieren von Bankkonten ausländischer Missionen sei "eine schwere Verletzung des Hauptquartier-Abkommens". Diese Missionen müssten nun bereits seit drei Jahren ohne Bankkonto arbeiten.

Neben dem Hauptquartier-Abkommen verstößt die Verweigerung, Visa für Staatschefs auszustellen, auch gegen andere internationale Abkommen wie dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961.

Als die USA sich 1988 weigerten, dem damaligen palästinensischen Anführer Jassir Arafat ein Visum auszustellen, musste die Generalversammlung unter großen finanziellen Anstrengungen nach Genf verlegt werden. (Ende/IPS/jk/12.08.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/08/head-of-state-who-keeps-u-n-guessing-in-annual-ritual/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2015

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