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AFRIKA/785: Namibia - Die alten Herren kleben an ihren Stühlen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2009 / Januar 2010

Die alten Herren kleben an ihren Stühlen

Interview mit Nora Schimming-Chase


Nora Schimming-Chase - Mitte der 1990er-Jahre Botschafterin Namibias in Deutschland und Österreich - ist seit 55 Jahren politisch aktiv. Sie saß seit Gründung des Congress of Democrats im Vorstand und vertrat den CoD bis zu ihrem Bruch mit der Partei im Parlament. Über Wahlen und Wahlausgang 2009 sprach sie mit Brigitte Reinhardt.


FRAGE: Was sind die herausragenden Ergebnisse dieser Wahlen?

NORA SCHIMMING-CHASE: Zu den herausragenden Ergebnissen zählt die Tatsache, dass der Congress of Democrats (CoD) seine Rolle als offizielle Opposition im Parlament verloren hat. Von den fünf Sitzen ist nur noch einer übrig geblieben. Nicht zu erwarten war der Verlust von zwei Sitzen bei der Democratic Turnhalle Alliance (DTA). Bei der Rally for Democracy and Progress (RDP) dagegen hatte man mit mehr als acht Sitzen gerechnet.

FRAGE: Was war bei diesen Wahlen anders im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen?

NORA SCHIMMING-CHASE: Es gab Änderungen im Wahlgesetz, in Anwendung von Beschlüssen der Regionalgemeinschaft SADC und der Afrikanischen Union (AU). Die Wahlen sollten an einem Tag stattfinden, die Stimmen sofort ausgezählt und veröffentlicht werden. Dies ist nicht geschehen. Swapo beschloss, doch wieder an zwei Tagen wählen zu lassen. Bis in allen Wahlkreisen die Stimmen ausgezählt waren und das Endergebnis vorlag, dauerte es fast eine Woche.

Es wurde ebenfalls zugesagt, den Parteien das Wahlregister sechs Wochen vor den Wahlen zur Kontrolle vorzulegen. Auch dies wurde nicht umgesetzt. Die Angaben der Wahlkommission ECN bezüglich der Wahlberechtigten variierten erheblich. Von den anfänglichen 1,3 Millionen blieben zwei Tage vor den Wahlen nur noch 822.344 übrig.

FRAGE: Lassen sich die Pannen bei den Wahlen auf Unfähigkeit und Schlamperei der Wahlkommission zurückführen?

NORA SCHIMMING-CHASE: Nein. Meiner Ansicht nach steckt Absicht dahinter. Mir ist zum Beispiel bekannt, dass sich hochqualifizierte Personen bei der Wahlkommission ECN beworben haben und abgelehnt wurden, weil man sie Oppositionsparteien zuordnete. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass der frühere Leiter der ECN entlassen wurde, als die Vermutung aufkam, er gehöre der RDP an. Und als die ECN gefragt wurde, warum die Wahlergebnisse nicht unmittelbar nach der Auszählung verschickt wurden, lautete die Antwort: Wir haben es vergessen.

Verwunderlich ist auch, dass in manchen Wahlkreisen die Ergebnisse höher waren als die Zahl der Wahlberechtigten. Ebenso erstaunlich ist es, dass der Spitzenkandidat der RDP bei den Präsidentschaftswahlen, Hidipo Hamutenya, in seinem Geburtsort nur sechs Stimmen bekommen haben soll, obwohl über 3.000 Menschen seine Wahlversammlungen besucht haben.

FRAGE: Warum tut sich die Opposition so schwer? Warum verspielen hoffnungsvolle Gründungen wie der CoD durch Spaltungen und innerparteiliche Auseinandersetzungen ihren Kredit?

NORA SCHIMMING-CHASE: Beim CoD kann man spätestens nach August 2008, als man mich aus der Partei herausgedrängt hatte, nicht mehr von "innerparteilichen Auseinandersetzungen" sprechen, sondern ganz einfach von Dummheit. In der namibischen Politik gibt es eine Herrschaft von Männern, die ihre Position nicht für das größere Ganze aufgeben wollen. Eher verschwinden sie von der politischen Bildfläche, als mit anderen zusammen zu arbeiten.

Ich habe mich im CoD dafür eingesetzt, auf die anderen Oppositionsparteien zuzugehen, um einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen aufzustellen, doch der Parteivorsitzende Ben Ulenga war dagegen.

Ein Grund für Abspaltungen hängt auch damit zusammen, dass jüngere Männer nicht damit rechnen können, in absehbarer Zeit in den Vorsitz ihrer jeweiligen Parteien aufzurücken und unter Umständen Präsidentschaftskandidat zu werden. Parteivorsitzender bleibt nun mal Parteivorsitzender, egal wie lange. Der Ausweg ist dann die Gründung einer neuen Partei.

FRAGE: Ist eine Überwindung der Swapo-Übermacht nur durch Spaltungen der Swapo zu erwarten?

NORA SCHIMMING-CHASE: Grundsätzlich ja, aber nicht mal das funktioniert. Swapo kann nur durch eine vereinigte Opposition geschwächt werden. Dies scheitert jedoch am Unwillen der einzelnen Parteiführer, der politischen Realität in die Augen zu schauen und ihre persönlichen Egoismen zu überwinden.

FRAGE: Sehen Sie die Möglichkeit, dass die Opposition bei bestimmten Themen die Swapo stärker herausfordern kann?

NORA SCHIMMING-CHASE: Themen gibt es reichlich. Präsident Pohamba hatte sich z.B. den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben, sich aber bereits mehrfach geweigert, den Bericht einer Untersuchungskommission zu diesem Thema dem Parlament vorzulegen. Die Bauindustrie ist weitgehend in den Händen von Chinesen, die schlecht arbeiten und bestechen. Jedes Jahr verlassen 10.000 Kinder ohne Abschluss die Schule usw..

Statt all diese Themen aufzugreifen und Swapo zur Rechenschaft zu ziehen, haben sich die Oppositionsparteien gegenseitig angegriffen.

FRAGE: In fünf Jahren - 2014 - stehen die nächsten Wahlen an. Sie werden dann von den "Freigeborenen", den nach 1990 Geborenen, bestimmt. Die alte Garde der Swapo ist in die Jahre gekommen. Wird es einen Generationswechsel und eine Hinwendung zu anderen Parteien geben?

NORA SCHIMMING-CHASE: Wenn die Oppositionsparteien zusammen arbeiten würden, wäre dies möglich, denn die jungen Leute hängen nicht mehr am Befreiungsmythos der Swapo.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. Nr. 6, Dezember 2009/Januar 2010, S. 18
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2010