Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/834: Niger - 50 Jahre Unabhängigkeit. Im Jubiläumsjahr hungert ein Viertel der Bevölkerung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2010

Niger:
50 Jahre Unabhängigkeit - Im Jubiläumsjahr hungert ein Viertel der Bevölkerung

Von Gilles Olakounlé Yabi


Bamako, 4. August (IPS) - Vor 50 Jahren, am 3. August 1960, erhielt Frankreichs ehemalige Kolonie Niger ihre Unabhängigkeit. Doch in dem westafrikanischen Sahelland gibt es im Jubiläumsjahr nichts zu feiern. Angesichts der in weiten Teilen des Landes herrschenden Hungerkrise hat die Regierung darauf verzichtet, öffentliche Gelder für Festlichkeiten zu verschwenden. Fast ein Viertel der über 15 Millionen Nigrer hungert, jeder zweite ist auf ausländische Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Anders als sein im Februar aus dem Amt geputschter Vorgänger Mamadou Tandja bat Staatspräsident Salou Djibo, Chef der amtierenden Militärjunta, die internationale Gemeinschaft in aller Öffentlichkeit um Hilfe. Aus vermeintlichem Nationalstolz hatte Tandja frühere Versorgungskrisen einfach ignoriert und seine Landsleute lieber in aller Stille verhungern lassen, als zuzugeben, dass sie dringend Hilfe bräuchten.

Dass Niger nach 50 Jahren Unabhängigkeit immer noch gegen den Hunger kämpfen muss, ist bezeichnend für die Bilanz dieses halben Jahrhunderts, die das 1,3 Millionen Quadratkilometer große Land zwischen Nord- und Westafrika ziehen muss.


Niger zählt zu den zehn ärmsten Ländern weltweit

Die Natur hat Niger weder verschwenderisch mit nutzbarem Ackerland ausgestattet noch mit günstigen klimatischen Bedingungen, die südlichen Nachbarländern wie Benin und Nigeria sowie den Küstenländern der Region das ganze Jahr über Wachstumsperioden bescheren. Dennoch bieten die Widrigkeiten der Natur, die die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht behindern, keine überzeugende Erklärungen für die ständig wiederkehrenden Versorgungskrisen und die große Armut im Land, unter dessen Wüstenboden die größten Uranvorkommen der Welt liegen.

Mehr als 60 Prozent der Landesbevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 3,68 Prozent liegt das Sahelland weltweit an der Spitze. Knapp die Hälfte der Nigrer ist noch keine 14 Jahre alt.


Uranvorkommen machen die Bevölkerung nicht reicher

Niger ist der zweitgrößte Uranförderer. Frankreich hatte diesen wertvollen und begehrten Rohstoff entdeckt und für die Entwicklung seiner Atomindustrie erschlossen. Die ehemalige Kolonialmacht sorgte dafür, dass ihr Privileg der Uranförderung auch nach der Unabhängigkeit des Niger erhalten blieb.

Während Frankreich es verstanden hat, Nigers Uranvorkommen für die Stromversorgung seiner eigenen Bevölkerung zu nutzen, haben es die einheimischen Staatsführer bislang nicht vermocht, die überwiegend agrarische, wenig produktive Wirtschaft ihres Landes mit Hilfe der Einkünfte aus dieser wertvollen Ressource neu auszurichten und zu modernisieren. Die arme Bevölkerung muss weiter hungern.

Die Tatsache, dass Niger am 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von einer Interims-Militärjunta regiert wird, zeigt seine quälend verlaufene politische Entwicklung im vergangenen halben Jahrhundert. Doch verglichen mit den zahlreichen Umstürzen früherer Jahre, die die Hauptstadt Niamey erlebt hat, könnte der Staatsstreich vom 18. Februar in eher guter Erinnerung bleiben.


Militärregierungen statt Demokratie

Schon Staatspräsident Hamani Diori, der 'Vater der Unabhängigkeit' des Niger, war nach 14-jähriger Amtszeit 1974 gestürzt worden. Danach regierte Oberstleutnant Seyni Kountché bis zu seinem Tode 1987 das Land mit harter Hand. Sein Nachfolger wurde General Ali Salibou.

Er wurde 1991 abgesetzt, nachdem pro-demokratische Kräfte Anfang 1990 mit Demonstrationen und Streiks die Zulassung von politischen Oppositionsparteien erreicht hatten. Mahamane Ousmane, der erste Staatspräsident, der in der Zeit des Mehrparteiensystems gewählt worden war, wurde 1996 noch vor Ablauf seiner regulären Amtszeit von Militärs gestürzt. 1999 kehrte das Land zur Demokratie zurück und wählte mit Mamadou Tandja einen pensionierten Oberst zum Staatspräsidenten.

Als der 71-jährige Tandja 2009 eine Verfassungsänderung durchsetzte, um sich eine dritte Amtszeit als Staatspräsident zu sichern, hatte er sich, ungeachtet der bisherigen Geschichte des Landes, darauf verlassen, die Armee unter Kontrolle zu haben. Doch im Februar dieses Jahres putschten die Militärs, setzten die Verfassung außer Kraft und stellten den gestürzten Staatspräsidenten unter Hausarrest.

Nigers Übergangspräsident Djibo hat die demokratische Wahl eines neuen Staatspräsidenten noch vor März 2011 versprochen. Unterdessen hungert das Land, wie schon so oft in den vergangenen 50 Jahren. (Ende/IPS/mp/ 2010)


Link:
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6014
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=601

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2010