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AFRIKA/835: Sambia - Politische Gewalt nimmt zu, Teilnahme von Frauen an Wahlen gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. August 2010

Sambia: Politische Gewalt nimmt zu - Teilnahme von Frauen an Wahlen gefährdet

Von Kelvin Kachingwe


Lusaka, 5. August (IPS) - Menschenrechtsgruppen im südafrikanischen Staat Sambia haben davor gewarnt, dass Kandidaten politischer Parteien immer häufiger Einschüchterungen und tätlichen Übergriffen ausgesetzt sind. Das Klima der Gewalt drohe vor allem Frauen davon abzuschrecken, bei den allgemeinen Wahlen im nächsten Jahr anzutreten.

Erst kürzlich sind während der Kampagne für eine Nachwahl in Chifubu in der Provinz Copperbelt Anhänger der regierenden Bewegung für eine Mehrparteien-Demokratie (MMD) und der oppositionellen Patriotischen Front (PF) gegenüber Mitgliedern anderer Parteien aggressiv aufgetreten.

Im Mai waren vor einer Wahl in Mufumbwe in der Nordwestprovinz zwei Menschen von 'politischen Hooligans' getötet worden. Die Täter waren angeheuert worden, um gezielt Unruhe zu stiften. Dabei wurde auch der Parlamentsabgeordnete Charles Kakoma verletzt, der vermutlich von Sympathisanten der Regierung zusammengeschlagen und niedergestochen wurde.

Anfang des Jahres bekam bereits Edith Nawakwi, die Vorsitzende des oppositionellen Forums für Demokratie und Entwicklung, den Zorn ihrer Gegner zu spüren. Nachdem sich Nawakwi kritisch zur Regierungspolitik geäußert hatte, drohte ihr MMD-Vertreter damit, sie von mehreren Männern vergewaltigen zu lassen.

Hilfe von der Polizei konnte Nawakwi nicht erwarten. Polizeichef Francis Kabonde erklärte, es sei keine Straftat, anderen mit Gewalt zu drohen. Auch Staatspräsident Rupiah Banda nahm die Notlage die Politikerin offensichtlich nicht ernst. Einige junge Leute hätten auf Beleidigungen reagiert, die die Opposition gegen ihn geäußert habe, sagte er.

Weibliche Abgeordnete und Menschenrechtsorganisationen rechnen jedoch damit, dass sich zahlreiche Frauen aus Angst vor Übergriffen nicht mehr für die Wahlen im kommenden Jahr aufstellen lassen wollen.

In Sambia werde zu wenig dafür gesorgt, dass Gesetze eingehalten würden, beschwerte sich die Parlamentarierin Sylvia Masebo. "Als eine von 22 weiblichen Mitgliedern der Nationalversammlung befürchte ich, dass es 2011 für Frauen sehr schwierig werden wird, bei der Wahl anzutreten", sagte Masebo, die früher in einer Provinzregierung Wohnungsbauministerin gewesen war.

Frauen und Kinder trügen stets die Hauptlast von Konflikten, erklärte Racheal Njovu von dem nichtstaatlichen 'Zambia Women's Coalition Network'. Die Sicherheitskräfte des Landes könnten die Übergriffe offenbar nicht stoppen. "Ich weiß nicht, wer sonst die wehrlosen Frauen schützen sollte", empörte sich Njovu. Wenn sich diese Art von Gewalt im nächsten Wahlkampf fortsetzt, sind sowohl Kandidatinnen als auch Wählerinnen in Gefahr."

Beverly Nyirenda, die in einem Armenviertel der Hauptstadt Lusaka lebt, will vorsichtshalber gar nicht erst wählen gehen. Sie habe sich auch deshalb nicht in das Wählerregister eintragen lassen, da sie erwarte, dass die Abstimmung ohnehin nicht frei und fair verlaufen werde, erklärte sie. "In Mufumbwe wurden sogar Polizeibeamte mit Messern angegriffen", berichtete sie. "Wie kann es bei derartigen Gewalttaten noch freie Wahlen geben?" fragte sie sich. Die Wähler müssten ihre Rechte ohne Angst ausüben dürfen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten die Regierung bereits auf, die gewaltsamen Zwischenfälle in diesem Jahr zu untersuchen, da Konsequenzen für die Wahlen im nächsten Jahr zu erwarten seien. Ob dieser Appell Erfolg haben wird, ist jedoch zweifelhaft, da mehrere MMD-Politiker offenbar mit Gewalttätern unter einer Decke stecken.

Richard Banda ist einer der arbeitslosen Jugendlichen, die angeworben wurde, um Wähler einzuschüchtern. Er und seine Freunde hätten Marktfrauen so lange unter Druck setzen müssen, bis diese sich bereit erklärt hätten, für die Partei des Präsidenten zu stimmen, sagte er. Die Jugendlichen hätten ihnen damit gedroht, andernfalls ihre Stände wegzunehmen und damit die gesamte Existenzgrundlage der Frauen zu vernichten.

"Die meisten von uns haben nichts zu tun", gab Banda zu. "Daher können wir auch zu entfernten Orten fahren, sofern wir Fahrkarten, Geld und Alkohol bekommen." Die Parteiprogramme interessierten sie nicht, sagte er. "Wir müssen nur Angst schüren. Besonders einfach ist das in ländlichen Gegenden und Slums, wo die meisten Leute Analphabeten sind."

Vor Wahlmanipulationen warnte auch das nichtstaatliche 'Anti-Voter Apathy Project' (AVAP). Die Wahlkommission sei weder technisch noch logistisch in der Lage, einen freien und gerechten Urnengang zu garantieren, meinte die Geschäftsführerin Bonnie Tembo. Zudem respektierten weder Politiker noch NGOs und Medien das Wahlgesetz.

Tembo forderte, dass vor den Wahlen 2011 die Verfassung und das Wahlrecht unbedingt reformiert werden müssten. Beratungen über ein neues Grundgesetz sind in Sambia immerhin bereits im Gang. (Ende/IPS/ck/2010)


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http://antivoterapathyproject.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2010