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AFRIKA/851: São und Principe - Inseln im Ölrausch, wer profitiert? (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. August 2010

São und Principe: Inseln im Ölrausch - Wer profitiert, wer hat den Kater?

Von Megan Iacobini de Fazio


New York, 30. August (IPS) - Der kleine arme Inselstaat São Tomé und Principe könnte das große Los gezogen haben, nachdem vor seinen Küsten Öl gefunden wurde. Doch die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) ist skeptisch: Wie in anderen schlecht regierten Staaten könnten die Einnahmen in den Taschen einiger Weniger verschwinden, während das westafrikanische Land als Ganzes verelendet.

São Tomé und Principe war einmal portugiesische Kolonie und ist eines der kleinsten und unbeachtetsten Länder der Welt. Bisher leben die 175.000 Bewohner des Inselstaates im Golf von Guinea hauptsächlich vom Kakaoanbau, Fischfang und von der Landwirtschaft. Die Hälfte der Bevölkerung versucht unterhalb der Armutsgrenze zu überleben, 15 Prozent werden als extrem arm eingestuft. Das könnte sich dank der geschätzten zehn Milliarden Barrel Öl unter dem Meeresboden ändern.

Doch HRW mahnt zur Vorsicht. In ihrem Bericht 'Eine unsichere Zukunft: Ölkonzessionen und festgefahrene Reformen in São Tomé und Principe' stellt die Organisation detailliert dar, wie inkompetent und korrupt die letzte Regierung des Landes mit dem Ölvorkommen umging, ohne dass bisher überhaupt nur ein Tropfen gefördert wurde.


Land am Scheideweg

Die neue Regierung von Ministerpräsident Patrice Trovoada, dessen Unabhängige Demokratische Aktion (ADI) bei den allgemeinen Wahlen am 1. August den Sieg davontrug, ohne allerdings die absolute Mehrheit zu erreichen, steht nach Ansicht von HRW nun an einem Scheideweg. "Sie kann weitermachen wie die alte, oder sie kann offener und transparenter mit der Vergabe der Bohrlizenzen umgehen", meint der Sprecher der Organisation, Iain Levine.

São Tomé hat seit Ende der 1990er Jahre verschiedene Erdölexplorationsabkommen abgeschlossen und sich mit Nigeria zusammengetan, um die vermuteten Vorkommen im Golf von Guinea gemeinsam zu erschließen. Als sich die Vermutungen bestätigten, stellte die Regierung 2008 zwar einen Antrag auf Aufnahme in die Rohstoff-Transparenzinitiative (EITI), ohne aber die Kriterien zu erfüllen. So hätte sie etwa alle Zahlungen von Ölkonzernen und alle Staatseinnahmen aus Öl- und Gasunternehmen offenlegen müssen. São Tomé wurde schließlich von der Liste der Mitgliedstaaten gestrichen.

HRW befürchtet, dass das Land durch den unerwarteten Reichtum und seine Verlockungen in Korruption versinkt und die Wirtschaft weiter Schaden nimmt, wie es in Nachbarstaaten wie Nigeria, Gabun und Äquatorialguinea passiert ist. "Nur durch Transparenz werden weitere Einkünfte aus dem Rohstoffabbau der Bevölkerung zugute kommen", so Levine.


Korruption und Insidergeschäfte

Die Einschätzung der Organisation ist umso beunruhigender, weil die neue Regierung gerade wieder Bohrrechte versteigert. Multis wie Chevron, ConocoPhillips, Petrobas und Tullow Oil haben Interesse bekundet und können bis zum 15. September Gebote einreichen.

Schon bei früheren Anlässen war aufgefallen, dass Deals gemacht wurden, die äußerst ungünstig für São Tomé und umso profitabler für die fördernden Konzerne waren. Vorwürfe von Korruption und Insidergeschäften wurden laut, als auch kleine Bieter berücksichtigt wurden, die über keinerlei Erfahrung oder Kapazitäten für die Erschließung verfügten. Dahinter standen offensichtlich Privatinteressen von Beamten und politische Manipulationen des Partners Nigeria.

2005 ermittelte die Nationalversammlung und stellte fest, dass Beamte, die die Vergabe leiteten, Anteile in Firmen hatten, die obwohl teilweise völlig ungeeignet, trotzdem den Zuschlag erhielten.


Besser machen

Um eine Wiederholung zu vermeiden, möchte HRW der Regierung "konkrete Empfehlungen machen, um die neue Vergaberunde transparenter und nachvollziehbarer" zu gestalten. Andernfalls könnte das Land den Weg des Nachbarlandes Äquatorialguinea gehen: Trotz einer Tagesproduktion von fast 500.000 Barrel Öl ist es von Korruption zerfressen, nur eine winzige Minderheit profitiert vom Ölgeschäft, der Rest des Landes ist bitterarm. Die Lage der Menschenrechte, das Erziehungswesen und die Gesundheitsversorgung zählen zu den schlechtesten der Welt.

"Wenn São Tomé und Principe jedoch unseren Empfehlungen folgt", so HRW-Sprecher Levine, "hat es gute Chancen, die zu erwartenden Einkünfte zur Linderung der Armut und Kindersterblichkeit einzusetzen und sein Gesundheits- und Erziehungswesen zu verbessern." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.hrw.org/en/reports/2010/08/24/uncertain-future-0
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52598

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2010