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AFRIKA/856: Südafrika - Latente Fremdenfeindlichkeit, Einwanderer leben weiter in Angst (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2010

Südafrika: Latente Fremdenfeindlichkeit - Einwanderer leben weiter in Angst

Von Kim Cloete


Kapstadt, 3. September (IPS) - "Fremdenhass ist Teil unseres Lebens in Südafrika ", klagt Abdinasir Shaikh Aden, der im Zentrum von Kapstadt Lebensmittel verkauft. "Hier zu leben, ist nicht leicht. Wir überleben einfach nur." Zwei Monate nach der Fußball-WM ist es im Kapstaat wieder ruhig geworden, doch die Angst des Somaliers vor fremdenfeindlichen Übergriffen ist geblieben.

Aden war wie viele andere afrikanische Zuwanderer vor der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Sommer massiv bedroht worden. Zeitweilig sah er sich sogar gezwungen, seinen Laden zu schließen, um sich nicht in Lebensgefahr zu bringen. Man habe ihm nahe gelegt, das Land zu verlassen, "weil für Ausländer in Südafrika nach der Abreise der Touristen und Fußballfans kein Platz mehr ist".

Inzwischen hat sich die aggressive Stimmung zwar wieder beruhigt und Aden steht inzwischen wieder in seinem Lebensmittelgeschäft. Doch bleibt er nach wie vor wachsam, zu gegenwärtig ist die Erinnerung an fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika im Mai 2008, die 66 Migranten das Leben kostete 6.000 Menschen in die Flucht trieb.

Doch auch in den Monaten vor Beginn der Fußball-WM im vergangenen Sommer war die Atmosphäre äußerst gespannt, Übergriffe nahmen zu. Allein in der Westkap-Provinz, in der auch Kapstadt liegt, wurden zwischen Mai und Juli 55 Übergriffe auf Ausländer registriert. 40 Verdächtige wurden festgenommen. Seither haben zahlreiche Afrikaner, vor allem Migranten aus Simbabwe, das Land wieder verlassen.


Zwei Drittel der Migranten vor der WM massiv bedroht

68 Prozent der Einwanderer seien im Juni und Juli bedroht worden, berichtet Miranda Madikane vom 'Scalabrini Centre', das Migranten unterstützt. "Polizei, Regierung und Zivilgesellschaft waren höchst alarmiert", erklärte sie. Da alle bereit waren zu reagieren, seien die Flammen schließlich gelöscht worden. Doch die Angriffsgefahr bestehe weiter und der Siedepunkt sei bald erreicht.

Der Polizeibehörde zufolge ist es in den vergangenen Wochen zu keinen weiteren Übergriffen erfahren. Sollte es aber erneut zu ausländerfeindlicher Gewalt kommen, werde man mit aller Entschiedenheit gegen die Angreifer vorgehen, versicherte Polizeisprecher Zweli Mnisi.

Beobachter führen die Ausländerfeinseligkeit auf die schwierigen Lebensbedingungen großer Teile der südafrikanischen Bevölkerung und den harten Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt zurück. Rezession und hohe Arbeitslosigkeit haben die den Druck auf die armen Bevölkerungsgruppen weiter erhöht.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) leben in Südafrika rund 357.000 Menschen, die offiziell um Asyl nachgesucht haben oder als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Inoffiziellen Schätzungen zufolge sind weitere Millionen Menschen in der Hoffnung auf bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in das Land geströmt.


Forderung nach einer kontrollierten Einwanderung

Madikane spricht sich für eine kontrollierte Einwanderung aus. "Hier laufen viele Leute ohne Papiere herum. Die Südafrikaner haben Recht, wenn sie sich darüber aufregen", sagt sie. Es sei nun an der Regierung, den Zustrom von Ausländern zu regulieren.

Die meisten Migranten wollen aber unter keinen Umständen wieder in ihre Heimat zurück. "Wir wissen nicht, wo wir hingehen sollen", meinte Liliane Mukangwa aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie lebt seit acht Jahren mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Südafrika und verkauft auf dem Markt Stoffe. "Bei uns zu Hause ist es viel zu gefährlich."

Auch Mukangwa musste erfahren, dass sie in ihrer neuen Heimat nicht immer erwünscht ist. "Die Südafrikaner beschuldigen uns, dass wir ihnen ihre Männer und Jobs wegnehmen wollen", klagt sie. Aus Angst vor Angriffen kehrt sie stets bei Tageslicht von dem Markt in Kapstadt zurück und lässt sich von Verwandten oder Freunden begleiten. Mit dem Zug möchte sie nicht allein fahren: "Man spürt dort sehr große Spannungen."

Liliane Mukangwa aus der D.R. Kongo fühlt sich in Südafrika diskriminiert - Bild: Kim Cloete/IPS

Liliane Mukangwa aus der D.R. Kongo fühlt sich in Südafrika diskriminiert
Bild: Kim Cloete/IPS


Friedliche Koexistenz in Slum nahe Kapstadt

In Elendsvierteln wie Masiphumelele am Rand des Kapstadter Vororts Hout Bay versuchen Südafrikaner und Ausländer so friedlich wie möglich als Nachbarn miteinander auszukommen. Die Slum-Gemeinde erhielt für ihren Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit vor einigen Jahren bereits eine Auszeichnung.

Nach den Ausschreitungen von 2008 seien viele Leute nach Masiphumelele gekommen, weil sie sich dort sicher fühlten, berichtet der Pfarrer Mzuvukile Nikelo. 40.000 Menschen im Viertel - 20 Prozent aller Einwohner - stammten aus anderen Ländern. Nikelo hat inzwischen auch eine Bewegung gegründet, die gemeinsame Sport- und Musikaktivitäten für die Slumbewohner organisiert. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.scalabrini.org.za/
http://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/home
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52688

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2010