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AFRIKA/857: D.R. Kongo - Verjagt und ausgebeutet, Pygmäen sind Holzfällern und Plantagen im Weg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. September 2010

D.R. Kongo: Verjagt und ausgebeutet - Pygmäen sind Holzfällern und Plantagen im Weg

Von Cyprien Lusenge


Bunia, D. R. Kongo, 6. September (IPS) - In der ressourcenreichen kongolesischen Nordostregion Ituri in der Provinz Nord-Kivu werden immer mehr der dort heimischen Pygmäen aus dem Regenwald vertrieben. Der massiver Holzeinschlag, die sich ausbreitenden Plantagen und die Ausbeutung wertvoller Bodenschätze rauben den indigenen Waldmenschen ihre Lebensgrundlage, ihre Tradition und ihre Kultur.

Die Entwicklung zwingt die Betroffenen zu einem kümmerlichen Leben in Lagern entlang der Fernstraße, die die Provinzen Nord-Kivu und Oriental Richtung Süden verbindet. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) schätzt, dass in Nord-Kivu bereits um die 1.000 Pygmäen in Camps untergebracht sind. Kaum jemand hilft den entwurzelten Menschen, in der ihnen fremden Umgebung zurechtzukommen.

"Die ganze Welt zieht es in den Kongo, um die Vorkommen an Mineralien auszubeuten und die Wälder zu plündern. Der Wald von Ituri, in dem die Pygmäen leben, ist ein besonders begehrtes Ziel", klagen die katholischen Missionare Antonio Mazzucato und Piero Lombardo. Die beiden Geistlichen leben seit 20 Jahren in der Region. Seit 1986 betreut Pater Mazzucato in Nord-Kivu im Gebiet zwischen Bambasa und Beni das Entwicklungs- und Hilfsprogramm 'Projet Pygmées Etabe'.


Arbeit in den Minen

Als einzige Überlebensmöglichkeit bleibt vielen Pygmäen nur die Schwerstarbeit in den Minen. Hier schuften sie für einen Hungerlohn unter der Aufsicht von Wärtern. "Das, was ich dort verdiene, erlaubt mir kein auskömmliches Leben in meiner neuen Umgebung", stellt Nyamanzi aus dem Dorf Mataha fest.

Außerhalb ihrer traditionellen Gemeinschaft und ohne soziale Anerkennung fällt es den Waldmenschen, die als Nomaden und Jäger lebten, überaus schwer, sich an ihre neuen Nachbarn anzupassen. Spannungen und Konflikte sind an der Tagesordnung. "Mehr als einmal haben Pygmäen auf der Suche nach etwas Essbarem meine Felder geplündert. Letztes Jahr hatte mein Mann Streit mit Pygmäen, die ungeniert unseren Mais ernteten", berichtet die Bäuerin Misisa aus dem Dorf Biasiku. Sie gehört zur Ethnie der Nande, einer der größten Volksgruppen im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

"Uns bleibt aber nichts anderes übrig, wenn wir überleben wollen", rechtfertigt sich Améli, eine Pygmäin aus Matembu, einem Dorf an der Straße zwischen Beni und Mambasa. "Leider entlohnen uns die Minenaufseher manchmal mit selbst gebranntem Schnaps", klagt sie. "Wenn man uns zwingt, den Wald, unsere Lebensgrundlage, überstürzt zu verlassen, gleichen wir Fischen, die ohne Wasser leben müssen", fügt sie hinzu.

Dazu meint der Ethnologe Jean-Pierre Kalwahali, der in Ituri das traditionelle Leben der Pygmäen studiert: "Man muss dieser Volksgruppe helfen, ohne dass sie ihre Identität verliert und versuchen, zwischen den verschiedenen Kulturen Brücken zu schlagen."


Hilfe von außen

Solche Integrationshilfen für Pygmäen bieten inzwischen einige Initiativen an. So organisiert Pater Mazzucato in etlichen Dörfern Alphabetisierungskurse. In stockendem Französisch berichtet ein Pygmäe aus Kadodo: "Hier gibt es auch eine Tischlerei, eine Schneiderei und eine Reparaturwerkstatt. Hier sind wir unter uns und können lernen, ohne uns vor anderen zu blamieren."

Pater Antonio hat auch Agrarprojekte auf die Beine gestellt. "Damit können wir den Pygmäen in ihrer gewohnten Umgebung Entwicklungshilfe leisten, die ihre Lebensrealität und ihre eigenen Fähigkeiten berücksichtigt", erklärt der Missionar. "Ich bringe es ihnen nach und nach bei und passe mich dabei selbst an ihre Lebensweise an."

Andere Organisationen wie 'Kundi la mapendo' richten den Schwerpunkt ihrer Entwicklungsarbeit auf Gesundheitserziehung und Hygiene. Es bleibe aber noch viel zu tun, um die Pygmäen in Ituri vor der forstwirtschaftlichen Ausbeutung ihrer Waldheimat zu schützen, betont Mazzucato. (Ende/IPS/mp/2010)


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2010