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AFRIKA/961: Namibia - Grundeinkommen für alle, Regierung unter wachsendem Druck (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Februar 2011

Namibia: Grundeinkommen für alle - Regierung unter wachsendem Druck

Von Servaas van den Bosch


Windhuk, 17. Februar (IPS) - In Namibia haben sich die Befürworter eines monatlichen Grundeinkommens (Basis Income Grant - BIG) zur landesweit größten Kampagne gegen Armut und soziale Ungleichheit zusammengeschlossen. Sie wollen die Regierung dazu bewegen, ein erfolgreiches Pilotprojekt auf das ganze Land auszudehnen, das sie seit mehreren Jahren mit privaten Mitteln in der Ortschaft Otjivero durchführen.

Zwei Jahre lang brachte die BIG-Bewegung die Gelder auf, um allen 900 Einwohnern unter 60 monatlich 100 namibische Dollar (13 US-Dollar) auszuzahlen. Obwohl das Pilotprojekt im Dezember 2009 ausgelaufen ist, werden die Menschen vor Ort auch weiterhin bezuschusst. Bis Ende 2011 sollen sie eine monatliche Grundsicherung in Höhe von umgerechnet elf US-Dollar beziehen. Bis dahin soll die Regierung überzeugt werden, dass BIG nicht nur das Elend im Land wirksam bekämpft, sondern auch Existenzgründungen fördert.

Das 100 Kilometer von Windhuk entfernte Otjivero ist ein Fall für sich, hat das Dorf auf seiner geographischen Lage vor allem die vielen Armen angezogen, die seit der namibischen Unabhängigkeit 1990 von den umliegenden Farmen der Weißen vertrieben worden sind. Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Alkoholismus und Prostitution waren hier weit verbreitet. Eltern sahen sich nicht in der Lage, das Schulgeld für ihre Kinder aufbringen, und Kranken fehlte das Geld, um sich stationär behandeln zu lassen.


Erfolg auf ganzer Linie

Die Ergebnisse des Pilotprojekts können sich sehen lassen. So wurde die Unterernährung von 42 Prozent auf zehn Prozent gesenkt, die Arbeitslosigkeit ging um 25 Prozent zurück, und die Kriminalität konnte fast halbiert werden. Der Schulabbrecherrate liegt inzwischen bei fast null, und die Zahl lokaler Geschäftleute hat sich verdreifacht. "Eine armes verzweifeltes Dorf ist zu einem Ort geworden, in denen sich die Menschen Kleider kaufen und ihre Kinder zur Schule schicken können", freut sich der Vorsitzende der BIG-Koalition und Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Namibias (ELCRN), Zephania Kameeta.

Doch bislang zeigt sich die Regierung von den Projekterfolgen unbeeindruckt. Eine Ausweitung auf den Rest des Landes lehnte Staatspräsident Hifikepunye Pohamba kürzlich mit der Begründung ab, dass Grundeinkommen lediglich Faulheit Vorschub leisteten.

Doch solche Kommentare kommen nicht gut an in einem von Armut und Ungleichheit geprägten Land. Die Erfahrung musste auch die Führung der Arbeitnehmergewerkschaft NUNW im letzten Jahr machen, als sie sich anschickte, der Linie der Regierungspartei zu folgen und aus der BIG-Koalition auszuscheren. Sie wurde von ihren BIG-begeisterten Mitgliedern unverzüglich zurückgepfiffen.

Auf einer Konferenz zum Thema 'Soziale Gerechtigkeit und staatliche Verantwortlichkeit', die vom 10. bis 11. Februar in Windhuk stattfand, rührte die BIG-Bewegung erneut die Werbetrommel für ihr Vorhaben und ließ bei dieser Gelegenheit etliche Bewohner von Otjivero zu Wort kommen. "Mit dem Grundeinkommen, dass ich jeden Monat erhalte, kann ich die Schulgebühren und die Schuluniformen für meine Kinder bezahlen", berichtete etwa die 32-jährige Dorfbewohnerin Bertha Hamases.


BIG als wirtschaftliches Sprungbrett

Einen kleinen Betrag ihrer monatlichen Grundsicherung hatte sie dafür verwendet, um ein Stellengesuch in einer Zeitung zu schalten. Die Investition hat sich offenbar gelohnt: "Mit meinem Verdienst kaufe ich Kleidung und Schuhe, die ich dann für gutes Geld weiterverkaufe", berichtet sie. Inzwischen konnte die Ein-Zimmer-Hütte, die sie einst mit ihren Kindern bewohnte, um zwei weitere Räume vergrößert werden. "Und ein Besuch im Krankenhaus ist auch kein Problem."

"BIG ist eine effektive Maßnahme, um eine gerechte Gesellschaft zu schaffen", betonte der Befreiungstheologe Kameeta. Mit Blick auf die 20 Jahre namibische Unabhängigkeit erklärte er: "Frieden meint nicht nur die Abwesenheit von Krieg. Der Krieg ist seit 1990 zu Ende, doch wie kann ein Mensch ohne Dach über dem Kopf, der in einem leeren Flussbett schlafen muss, Frieden finden? Wer eine solche Initiative nicht in Erwägung zieht, stellt sich selbst in ein armseliges Licht."

Die BIG-Idee geht auf einen Vorschlag zurück, den eine staatlich bestellte Kommission, das Namibische Steuerkonsortium, 2002 unterbreitet hatte, um Armut und ungleiche Verteilung im 2,1 Millionen Einwohner zählenden Land wirksam zu bekämpfen. Demnach soll jeder namibische Bürger bis ins Rentenalter monatlich mindestens 100 Namibische Dollar erhalten. Danach hätte er Anspruch auf die bestehende Einheitsrente in Höhe von 500 namibischen Dollar. Anpassungen im Steuersystem sollen dafür sorgen, dass die nichtarmen Namibier ihre BIG-Beträge zurückerstatten.

Selbst für den Fall, dass sich die Regierung nicht von der BIG-Kamapagne überzeugen lässt, sehen die Befürworter Mittel und Wege, ihr Vorhaben zu verwirklichen. Kateema schlägt vor, die Einnahmen des Bergbau- und Tourismussektors direkt als monatliche Grundsicherung an die Bevölkerung auszuzahlen. "Das Geld würde somit in unserem Land im Umlauf bleiben und uns wettbewerbsfähiger machen", ist er überzeugt.

"Wir können nicht einfach die Minen nationalisieren und Land beschlagnahmen, um das System zu finanzieren", meint hingegen Handelsminister Hage Geingob, ebenfalls ein erklärter Befürworter von BIG. Denkbar wäre seiner Meinung jedoch, die Privatwirtschaft zur Kasse zu bitten. "Wäre es nicht möglich, dass Bergbauunternehmen in einen Fonds einzahlten, aus dem sich die Grundeinkommen finanzieren ließen?"


Kostengünstiges Unterfangen

Die BIG-Koalition hat ausgerechnet, dass eine Grundsicherung für alle den Staat jährlich 190 Millionen US-Dollar kosten würde. Das entspricht gerade einmal 5,7 Prozent des nationalen Haushaltsetats. Nach Ansicht der Sozialaktivisten ließen sich die Gelder problemlos über eine Reform der Steuereinnahmen oder durch Steuerauflagen für die Bergbau- und Tourismusindustrie aufbringen.

"Es gibt keine Alternative", meint Claudia Haarmann von der BIG-Koalition. "Seit Beginn des Pilotprojekts vor drei Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation der Menschen weiter verschlechtert. Und immer mehr Menschen, ob Arbeitnehmer, junge Leute oder Politiker, sprechen sich für eine solche Grundsicherung aus."

Haarmann zufolge könnte das Geld auch aus dem namibischen Entwicklungsfonds kommen. Die Regierung hat vor, ihr Entwicklungsbudget im Haushaltsjahr 2010/2011 auf 620 Millionen Dollar zu verdoppeln. Dabei gibt sie jedes Jahr 40 Prozent weniger aus, als sie eigentlich könnte. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
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http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54502

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011