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ASIEN/1013: Nationale Minderheiten Vietnams nehmen gleichberechtigt am Fortschritt des Sozialismus teil (Gerhard Feldbauer)


Vietnam

Nationale Minderheiten nehmen gleichberechtigt am Fortschritt des Sozialismus teil

von Gerhard Feldbauer, 20. Juni 2023


In Vietnam ist in der überwiegend von nationalen Minderheiten bewohnten Provinz Dak Lak der Bergregion des Zentralvietnamesischen Hochlandes in der zweiten Juniwoche eine konterrevolutionäre Verschwörung gescheitert. Ausländische Rädelsführer einer Organisation Front unifé de lutte des races opprimées hatten Angehörige der ansässigen Minderheiten angestachelt, gegen die sozialistische Staatsmacht vorzugehen und das heute in Gemeindebesitz befindliche frühere Land der feudalen Stammesführer zurückzuverlangen. Die Niederschlagung des Umsturzversuches durch die Sicherheitsbehörden erhielt die volle Unterstützung der einheimischen nationalen Minderheiten [1]. Was veranlasste die Montagnards, die Bergbewohner, denen hohe Geldsummen versprochen worden waren, sich auf die Seite der Volksmacht zu stellen?

Werfen wir einen Blick in die Geschichte der heute in Vietnam lebenden 53 ethnischen Minderheiten, die mit fast 14 Millionen etwa 14,3 Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachen. Während die Kinh, die nationale Mehrheit, meist in den Ebenen, vor allem im Delta des Roten Flusses und des Mekong leben, bevölkerten die Minderheiten die zwei Drittel des Landes bedeckenden Bergregionen. Neben der Vielfalt von fast 50 unterschiedlichen Sprachen bzw. Dialekten und Kulturen herrschten vor der Gründung der Demokratischen Republik Vietnam (DRV), bei den einzelnen Minderheiten unterschiedlich ausgeprägt, Züge fast aller vorkapitalistischen sozialökonomischen Formationen vor: Überreste der Gentilordnung, Stammesverhältnisse mit Merkmalen der Feudalordnung bildeten die Basis für gesellschaftliche Verhältnisse, in der tiefste Unwissenheit, völliger Analphabetismus, asiatisches Mittelalter mit Totenkult sowie Geisterglauben und damit größte sozialökonomische Rückschrittlichkeit, Stagnation und für die Mehrheit dieser Menschen großes Elend vorherrschten. Während eine Anzahl Minderheiten die Technik bewässerter Reisfelder übernommen hatte, betrieben die meisten der als Halbnomaden lebenden Stämme noch Brandrodung oder lebten überwiegend als Sammler, Jäger und Fischer. Stammeszwist und kriegerische Traditionen sowie eine historisch bedingte Abneigung gegen die Kinh ausnutzend, hatte die französische Kolonialmacht die Minderheiten gegeneinander aufgewiegelt und aus einzelnen Stämmen einheimische Spezialtruppen gegen die Befreiungsbewegung aufgestellt. Die USA setzten diese Praxis fort und formierten vor allem in Laos unter den Meo eine Division gegen die von der Befreiungsfront Viet Minh unterstützte Laotische Befreiungsfront.

In Vietnam war es der Viet Minh jedoch gelungen, viele Angehörige der Bergvölker für ihren Kampf zu gewinnen. Nach dem Sieg über die kolonialen bzw. neokolonialen Eroberer bewies die Volksmacht, dass es sich dabei um kein Zweckbündnis gehandelt hatte, sondern integrierte die Minderheiten gleichberechtigt in die gesellschaftliche Entwicklung. Besonders Ho Chi Minh legte dafür entscheidende Grundlagen. Wie kein Zweiter hat er hier die Leninschen Gedanken von der nationalen Frage verwirklicht und gezeigt, dass es ihm immer um die Einheit von Wort und Tat ging. Bei der Regierung der DRV schuf er ein Komitee der nationalen Minderheiten, dessen Vorsitzender Mitglied der Regierung war. Auf seine persönliche Initiative erließ die Nationalversammlung ein Statut, auf dessen Grundlage nach dem Sieg über die französischen Kolonialherren 1954 in Nordvietnam 15 autonome Zonen der Minderheiten geschaffen wurden, die über eigene Bildungseinrichtungen und ein entwickeltes Gesundheitswesen verfügten.

Ein Stammesführer wurde General und Mitglied des Politbüros, zahlreiche weitere Angehörige der Minderheiten hatte hohe Funktionen im Staatsapparat, in der Nationalversammlung und in der Volksarmee inne. Ihre Angehörigen konnten an allen Schulen und Universitäten studieren. Linguisten erfassten die Dialekte der Bergvölker in einer Schriftsprache, Ethnologen sammelten ihre Lieder, Märchen und Mythen [2]. Ho Chi Minh sorgte dafür, dass diese Politik gegenüber den Bergvölkern mit Geduld und Überzeugung verwirklicht wurde. Davon zeugte beispielsweise, dass erst 1960 die Polygamie aufgehoben wurde und es auch danach jedem Mann, der noch mit einer zweiten Frau verheiratet war, freigestellt wurde, dieses Gesetz zu befolgen. Trennungen mussten im gegenseitigem Einvernehmen erfolgen, und einer zweiten Frau, die den Mann verließ, stand entsprechender Unterhalt zu.

Diese Politik wird in der nach dem Sieg über die USA 1975 ein Jahr später im wieder vereinigten Vietnam gebildeten Sozialistischen Republik Vietnam konsequent fortgesetzt. Auf den Parteitagen ihrer führenden Kraft, der Kommunistischen Partei Vietnams, werden jeweils zur Entwicklung der nationalen Minderheiten in den Bergregionen spezielle Programme beschlossen. So auch auf dem 13. Parteitag 2021 wieder ein Programm zur "Erhaltung und Entwicklung der ethnischen Minderheiten 2021-2030".


Anmerkungen:

[1] Siehe Schattenblick:
www.schattenblick.de → Infopool → Politik → Ausland:
ASIEN/1011: Konterrevolutionäre Operation im zentralen Hochland Vietnams gescheitert (Gerhard Feldbauer)

[2] Nguyen Khac Vien (Hg.): Region Montagneuse e Minorités nationales, Hanoi 1967.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 30. Juni 2023

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