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ASIEN/637: Philippinen - Fluch und Segen des Familienerbes, Vergangenheit holt Präsidenten ein (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010

Philippinen: Fluch und Segen des Familienerbes - Vergangenheit holt Präsidenten ein

Von Johanna Son


Manila, 23. August (IPS) - Benigno Aquino III. hat seinen Familiennamen erfolgreich eingesetzt, um Präsident zu werden. Mit viel Vertrauensvorschuss gewählt, beginnt ihn das politische Erbe seiner Familie jetzt einzuholen. Der Kredit ist aufgebraucht, jetzt muss er sich im Tagesgeschäft bewähren.

Aquino gelangte auf einer Welle der Sympathie und des Mitgefühls ins Amt, nachdem seine Mutter Corazon im August 2009 gestorben war. Sie war charismatisch und beliebt und hatte mit ihrer gewaltlosen 'Volksrevolte' den verhassten Diktator Ferdinand Marcos vertrieben. Sie wiederum hatte die Ermordung ihres Mannes, Benignos Vater, genutzt, um Marcos zu stürzen.

Benigno Junior war angetreten mit dem Versprechen, das Erbe seiner Eltern fortzuführen, sein Wahlkampf war geprägt von T-Shirts, Buttons, Stickern und Plakaten mit den Köpfen der beiden. Er versprach den Menschen den Kampf gegen Korruption und Sonderrechte der Beamten und Privilegierten. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, indem er auf die offizielle Eskorte mit Sirenen verzichtete und nicht in den Malacanang-Präsidentenpalast einzog. Personenkult verbat er sich.

Ohne Zweifel ist der Staatschef auch weiterhin extrem populär. Seine Zustimmungsrate lag bei Amtsantritt Ende Juni bei 88 Prozent, aber jetzt muss er mit diesem Vertrauensvorschuss Politik machen. Die Filipinos erwarten viel von ihm.


Landreform und Familienbesitz

Ein dorniges Problem, das es anzupacken gilt, ist die Hazienda 'Luisita' ein 6.500 Hektar großes Anwesen im Norden des Landes, das der Familie seiner Mutter gehört. Er selbst nutzt es nur gelegentlich am Wochenende. Ein weiteres sind die Muslime im Süden der Inseln, die ihre Unabhängigkeit fordern, ähnlich wie Separatisten im Norden. Hinzu kommen kommunistische Untergrundkämpfer, die allen Regierungen seit 1969 das Leben schwer machen.

Aquino hat eine neue Verhandlungsdelegation zusammengestellt, die mit der 'Moro Islamischen Befreiungsfront' (MILF) im Süden über mehr Autonomie für die Volksgruppe sprechen soll. Das hat die anderen Separatisten gleichfalls wieder ermutigt. Konstitutionell vorgesehen sind autonome Gebiete im Norden und Süden bereits seit 1987, implementiert wurden sie nie wirklich.


Schweigen oder handeln

Emotional aber ist die Hazienda Luisita das größte Minenfeld. Die Besitzrechte der Familie Aquino und die Ansprüche der 10.000 Bauern auf dem Land sollen vom Obersten Gerichtshof geklärt werden.

Der Prozess hat seine Wurzeln in Corazon Aquinos Landreform von1988. Ein damals verabschiedetes Gesetz erlaubt die Ausgabe von Anteilen an der Hazienda an die Bauern als Option auf den Kauf ihrer Parzellen.

Das Gesetz verwässert nach Auffassung von Kritikern die Landreform, die mit der Konzentration des Landbesitzes in den Händen einiger weniger Familien Schluss machen sollte. Diese Form des Großgrundbesitzes bescherte den kommunistischen Untergrundorganisationen Zulauf.

Präsident Aquino hält sich aus dem Konflikt heraus, um nicht den Eindruck zu erwecken, er beeinflusse die Rechtsprechung. Er will von den Bauern, die schließlich das größte Interesse in der Angelegenheit hätten, wissen, was sie wollen. Seine Kritiker aber werfen Aquino vor, dass er sich so aus der Verantwortung stehle.


Reden - aber richtig

Der Fall Luisita ist nicht das einzige Gerichtsverfahren nach sechs Wochen im Amt als Präsident. Gegen die von ihm eingesetzte 'Wahrheitskommission', die Korruption unter der Vorgängerregierung untersuchen soll, sind Verfahren anhängig, ebenso gegen eine Erhöhung der Straßenmaut und gegen Entlassungen im öffentlichen Dienst.

Die Wahrheitskommission mag dem Präsidenten Schlagzeilen beschert haben, aber die rechtlichen Grundlagen sind unklar, so der Rechtsexperte Joaquin Bernas. "Rhetorik kann ihren Wert haben, wenn sie nicht nach hinten losgeht", so sein Kommentar. "Der Präsident mag zwar gut ohne Sirenen auskommen, aber die wirklichen politischen Probleme seiner Amtszeit sind um einiges größer", fügte Ricky hinzu, der als Fahrer arbeitet. (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010