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ASIEN/653: Nepal - Auslandsadoptionen auch weiterhin im Zwielicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2010

NEPAL: Auslandsadoptionen auch weiterhin im Zwielicht

Von Bhuwan Sharma und Karina Böckmann


Katmandu, Berlin, 14. September (IPS) - Berichte über Unregelmäßigkeiten bei der Vermittlung nepalesischer Adoptivkinder haben Deutschland und andere Industriestaaten veranlasst, den Adoptionsverkehr mit Nepal einzustellen. Die Regierung in Katmandu sieht sich brüskiert, kündigte aber an, sich an internationale Standards zu halten und die Haager Konvention zur Auslandsadoption zu ratifizieren.

Das Abkommen sieht unter anderem vor, dass Adoptionen ins Ausland grundsätzlich erst dann erfolgen sollten, wenn für das Kind in seinem Heimatland keine Adoptionsfamilie oder andere adäquate Möglichkeiten gefunden werden können. Außerdem dürften aus der Vermittlung keine "unangemessenen" finanziellen Vorteile erwachsen. Ferner darf keinerlei Druck auf Eltern ausgeübt werden, ihre Kinder wegzugeben.

Doch Informationen über Unregelmäßigkeiten veranlassten zuletzt im August die USA, von den Adoptionen Abstand zu nehmen. Es gelte "die Rechte und Interessen der nepalesischen Kinder und ihrer Familien sowie potentielle Adoptiveltern in den USA zu schützen", teilten die Behörden in Washington mit. Damit folgte das Land dem Beispiel der Länder Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Norwegen, Schweden, Schweiz und Spanien.

"Einige faule Äpfel verderben das Ansehen eines ganzen Sektors", meinte dazu Sher Jung Karki, Staatssekretär im Ministerium für Frauen, Kinder und soziale Wohlfahrt. Er wies darauf hin, dass die Adoptionsgebühren in Nepal mit 5.000 US-Dollar vergleichsweise niedrig seien. "Die Heime brauchen die Mittel, um die Kinder versorgen zu können."

Karki zufolge ist künftig sichergestellt, dass ein Kind nur nach einer gründlichen Überprüfung seines familiären Hintergrundes in ein Heim aufgenommen wird. Wer versuche, aus den Adoptionen Kapital zu schlagen, werde schwer bestraft, sagte er.

"Wenn jemand für ein Adoptivkind 8.000 US-Dollar zahlen muss, wovon 5.000 Dollar an das Heim gehen, sind Unregelmäßigkeiten programmiert", meinte Philip Holmes, Adoptivvater zweier nepalesischer Kinder und Nepal-Landesdirektor des 'Esther Benjamins Trust', ein in Großbritannien registriertes Hilfswerk, das sich für das Wohl und den Schutz von Kindern auch vor Menschenhändlern einsetzt.


Markt für Auslandsadoptionen

Kinderhilfswerke berichten seit Jahren, dass durch die wachsende Nachfrage kinderloser Paare aus dem reichen Norden nach Kindern aus Entwicklungsländern auch in Nepal ein regelrechter Markt für Auslandsadoptionen entstanden ist, der wiederum illegalen und kriminellen Machenschaften Tor und Türe geöffnet hat.

Jedes Jahr werden 400 nepalesische Kinder adoptiert, die in 44 beim Ministerium für Frauen, Kinder und sozialer Wohlstand akkreditierten Heimen leben. Das nepalesische Gesetz erlaubt nicht nur die Vermittlung von Waisen, sondern auch von Kindern, die von ihren Eltern oder ihren Erziehungsberechtigten in die Obhut von Heimen oder der nationalen Kinderschutzorganisation 'Bal Mandir' gegeben werden.

Da die Auslandsoptionen für die Heime eine wichtige Einnahmequelle sind, sollen gerade arme Familien oftmals regelrecht überredet worden sein, ihre Kinder ins Heim zu geben, angeblich weil diese dort angemessen versorgt und eine Schulbildung erhalten würden. Doch in Wahrheit wurden die Mädchen und Jungen Berichten zufolge für Auslandsadoptionen freigegeben.

Ein solcher Betrug ist möglich, da lediglich ein Drittel der über 1.000 Kinderheime in Nepal öffentlich kontrolliert wird, wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und Terre des Hommes (TDH) in einer gemeinsamen Studie von 2008 herausfanden. Von den über 15.000 Kindern in Heimen in Nepal gehörten viele nicht dorthin, heißt es in der Untersuchung. Ihre Eltern seien vielfach bestochen, überredet oder getäuscht worden. Priorität müsse es deshalb sein, diese Kinder wieder mit ihren Familien oder Verwandten zusammen zu bringen, nicht die Wiederaufnahme von Auslandsadoptionen.


Zahl der Auslandsadoptionen eingebrochen

Noch 2006 wurden fast 500 Kinder aus Nepal an ausländische Familien vermittelt. Wegen wachsender internationaler Kritik an den Adoptionspraktiken und Berichten über gravierende Unregelmäßigkeiten hatte die Regierung im Mai 2007 Auslandsadoptionen zunächst gestoppt und 2008 neue Richtlinien für die Adoption nepalesischer Kinder durch Ausländer erstellt. Seit Mai dieses Jahres sind diese neuen rechtlichen Bedingungen und Verfahren in Kraft.

Doch die zwischenstaatliche Haager Konferenz für internationales Privatrecht (HccH) warf Nepal bereits im Februar weiterhin grobe Unregelmäßigkeiten im Adoptionsverkehr vor. Die 2008 gegebenen Garantien reichten als rechtlicher Rahmen für internationale Adoptionen bei weitem nicht aus, monierte sie.

Upendra Keshari Neupane, der dem staatlichen Ausschuss zur Kontrolle von Adoptionen angehört, sieht vor allem zwei Probleme, die Nepals Adoptionsverfahren in Misskredit bringen. Zum werden die Verfahren nicht hinreichend dokumentiert, zum anderen gebe es Heime, die ihre Zöglinge mit falschen Papieren ausstatten, um die Vermittlung an neue Eltern zu erleichtern. So wird das Alter der Kinder oftmals herabgesetzt, weil sich viele Paare möglichst junge Kinder wünschen. (Ende/IPS/ck/kb/2010)


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http://www.ebtrust.org.uk
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010