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ASIEN/656: Nepal - Teppich-Industrie in der Krise, Ruf nach staatlicher Hilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. September 2010

Nepal: Teppich-Industrie in der Krise - Ruf nach staatlicher Hilfe

Von Bhuwan Sharma


Katmandu, 17. September (IPS) - Nepals Teppich-Industrie hat schon weit bessere Zeiten erlebt. Gehörte sie einst zu den ganz Großen der Exportwirtschaft, kann sich ein Unternehmen wie das 'Jawalakhel Handicraft Centre' (JHC) heute nur noch mit Mühe am Markt halten.

Geschäftsführer Chimi Dorjee erinnert sich: "Früher haben wir in großem Umfang Teppiche in Länder wie Deutschland und die Schweiz exportiert." Inzwischen kann der 1960 gegründete Betrieb, der sich seinerzeit auf erfahrene Teppichknüpfer verlassen konnte, die zuvor aus Tibet geflohen waren. nur noch wenig Ware im Ausland absetzen.

Teppichweberin im 'Jawalakhel Handicraft Center' - Bild: © Bhuwan Sharma/IPS

Teppichweberin im 'Jawalakhel Handicraft Center'
Bild: © Bhuwan Sharma/IPS

Kein Einzelfall: Die einst prosperierende Teppichindustrie befindet sich in ganz Nepal in einer schweren Krise. Branchenführer erwarten, dass Nepals Regierung den darniederliegenden Unternehmen zu Hilfe kommt - andernfalls werde die prekäre Situation nicht zu meistern sein.

Surendra Dhakal, der Geschäftsführer der 'Nepal Carpet Exporters Association' (NCEA), stellt klar: "Wir brauchen eine exportfreundliche Politik." So müssten beispielsweise im Land Sonderzonen für die Teppichindustrie geschaffen werden. Die pünktliche Lieferung der Ware hänge von entsprechenden Rahmenbedingungen, für die Nepals Regierung zu sorgen habe.


Drastischer Arbeitsplatzschwund

Zweifellos würde Nepals Volkswirtschaft von einem Wiederaufleben der Teppichindustrie profitieren, die in besseren Zeiten ein Drittel der Gesamtexporte stellte. Kein anderer Wirtschaftszweig brachte mehr ausländische Devisen in den Himalaja-Staat. Auf dem Höhepunkt des Booms in den Jahren 1993/94 wurden 3.000 Teppichfirmen gezählt, die direkt und mittelbar 1,2 Millionen Menschen Beschäftigung gaben.

Doch sechs Jahre später war das Exportvolumen zwar um 21 Prozent zurückgegangen, der Wert betrug aber noch immer 140 Millionen. Dollar. 2008/09 exportierte Nepal dann nur noch Teppiche im Wert von 71,5 Millionen Dollar. Lediglich 600 Teppichfirmen sind heute übrig geblieben, die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie und rund um diese ist auf 100.000 geschrumpft.

NCEA-Geschäftsführer Dhakal nennt zwei entscheidende Gründe für die schwere Exportkrise der nepalesischen Teppich-Industrie. Häufig seien Unternehmen große finanzielle Risiken eingegangen, was der Qualität der Teppiche geschadet habe. Außerdem biete der Wettbewerber Indien seine Produkte deutlich günstiger an.

Zur Veranschaulichung verweist Dhakal auf den Distrikt Bhadohi im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, wo inzwischen fast 500 Dörfer vollständig von der Teppichproduktion abhängig sind. Dort verdiene ein Teppichweber monatlich etwas mehr als 32 Dollar, der Monatslohn in Nepal betrage hingegen 60 Dollar, berichtet der Industrielle.


Exporte nach Deutschland rasant eingebrochen

Allerdings sorgte auch die weltweite Rezession. Dhakal macht sie dafür verantwortlich, dass Deutschland, einst Nepals bester Kunde für handgeknüpfte Teppiche, inzwischen weniger abnimmt. Importierte die Bundesrepublik 1999/2000 Teppiche im Wert von umgerechnet 91,3 Millionen Dollar, so sackten die Exporteinnahmen 2008/09 auf 19,6 Millionen Dollar.

Paradoxerweise stützt jetzt ausgerechnet das Land die nepalesische Teppich-Industrie, das für die globale Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich war. Die Exporte in die USA erreichten 2008/09 einen Wert von 29,2 Millionen Dollar, 1999/2000 waren es hingegen nur 19,7 Millionen Dollar gewesen.

Surendra Dhakal nennt einen einfachen Grund für die gegenläufige Entwicklung: Während in den USA hochwertigere 80-Knoten-Teppiche gefragt seien, liege der Schwerpunkt bei den Exporten nach Deutschland bei 60-Knoten-Teppichen. Bis jetzt habe Indien bei Qualitätsteppichen Nepal noch nicht überflügeln können. Sollte die Regierung in Katmandu jedoch nicht entschlossen handeln, werde sich auch dies bald ändern.

Nepals Regierungen befinden sich allerdings seit mehr als zehn Jahren in einer Dauerkrise und sind damit beschäftigt, ihren eigenen Zerfall zu verhindern. Der Aufstand maoistischer Rebellen hatte Nepal von 1996 bis 2006 in einen Bürgerkrieg gestürzt, der 16.000 Menschenleben forderte. Nach Ende des Konflikts integrierten sich die Maoisten ins politische System. Nepal schaffte die konstitutionelle Monarchie ab und ist heute eine Republik. (Ende/IPS/bs/2010)


Links:
http://www.jhcnepal.com/
http://www.ncea.org.np/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52478

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2010