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ASIEN/707: Malaysia - Unerbittliche Schwulenhatz, riskantes Outing eines Muslims auf YouTube (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Januar 2011

Malaysia: Unerbittliche Schwulenhatz - Riskantes Outing eines Muslims auf YouTube

Von Baradan Kuppusamy


Kuala Lumpur, 17. Januar (IPS) - Nur zwei Minuten dauerte das angeblich erste öffentliche Outing eines malaysischen muslimischen Homosexuellen. "Ich bin schwul, und das ist o.k.", erklärte der Ingenieur Azman Ismail kürzlich auf der Internetplattform YouTube.com. Jetzt erhält er in seinem Heimatland Malaysia Todesdrohungen und wird von staatlichen Medien als Verbrecher beschimpft.

In dem multiethnischen und multireligiösen südostasiatischen Land sind über 60 Prozent der knapp 28 Millionen Einwohner Muslime. Hier riskieren Schwule und Lesben, Bi- und Transsexuelle (LGBT), die sich zu ihrer sexuellen Neigung bekennen, und sei es nur durch Händchenhalten, nach islamischem und zivilem Recht hohe Strafen. Die Kriminalisierung wird mit Verstößen gegen geltende religiöse und kulturelle Normen begründet.

"Ich hatte nicht die Absicht, den Islam zu beleidigen. Ich wollte lediglich in einem von Aktivisten betriebenen Aufklärungsprojekt in YouTube für malaysische Schwule und deren Rechte eintreten", versicherte Azman gegenüber lokalen Medien. "Ich wollte etwas über unser eingeschränktes Leben berichten und hoffe, dass diese Videos zu mehr Diskussionen und einer offeneren Gesellschaft führen." Aus Furcht vor weiteren Repressionen hat Azman inzwischen seinen Videoclip aus dem Netz genommen. Er lässt sich weder fotografieren noch interviewen.

Bislang waren nur nichtmuslimische Malaysier in dem malaysischen You-Tube-Projekt aufgetreten. Es gleicht einer Internet-Kampagne, die im vergangenen Jahr in den USA als Reaktion auf eine Reihe von Suiziden junger Schwuler begonnen hatte.

In Malaysia betreibt die Initiative 'Seksualiti Merdeka' die Videoserie im Internet. Die Aktivistengruppe organisiert alljährlich ein Festival, das sich vor allem für die Rechte von Menschen einsetzt, deren sexuelle Orientierung nicht der geforderten heterosexuellen Norm entspricht.


Die Konfrontation mit Homosexualität schockiert

"Nicht die Tatsache, dass es in ihrem Land Schwule und Lesben gibt, schockiert die Malaysier. Doch viele sind empört, wenn man in der Öffentlichkeit derartige sexuelle Neigungen demonstriert", erläuterte Michael Lam IPS. Der Buchhalter, der aus seiner Homosexualität keinen Hehl macht, war erst kürzlich aus Australien nach Malaysia zurückgekehrt. "Wenn sich ein malaysischer Muslim offen zu seiner Homosexualität bekennt und dies verteidigt, provoziert er geradezu Ablehnung und Feindseligkeit. Toleriert werden LGBT nur, solange sie ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich zur Schau stellen."

In Malaysia können lokale Gerichte oder die strikt interpretierte islamische Rechtsprechung selbst Umarmungen, Händchenhalten oder Küsse in der Öffentlichkeit bestrafen. Gelegentlich bringen solche 'Anstößigkeiten' selbst Nicht-Muslime vor den Kadi. Die Polizei rückt regelmäßig zu Razzien in Amüsierbetrieben, Saunen und Massagesalons aus, um vermeintliche Schwule in flagranti zu erwischen. Schon der Besitz eines Kondoms ist in den Augen der Ordnungshüter verdächtig.

In Gegensatz zu anderen ehemaligen britischen Kolonien wird in Malaysia Analverkehr weiter als 'Sodomie' geächtet und 'als Verstoß gegen die natürliche Ordnung' mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft.

Anfangs reagierten andere Betroffene begeistert auf das Outing ihres muslimischen Landsmannes Azman. Sie hofften auf eine endlich offen geführte Debatte über das bislang verbotene Thema. Doch die staatlich kontrollierten Medien verurteilten Azman. Seine Kritiker meldeten sich im Internet in Diskussionsforen und Chats zu Wort und beschimpften ihn als 'Abartigen' und als 'Tier'.

"Wir hatten an einen Durchbruch geglaubt. Wir waren begeistert, denn Azmans Bekenntnis war so offen und couragiert", sagte eine auf Anonymität bestehende Theaterautorin. "Doch jetzt habe ich Angst und möchte mich verstecken. Wir alle mussten Azmans Video auf unseren Webseiten löschen."

Viele Websites, die Azmans Pioniertat anfangs unterstützten, haben vor allem wegen der Todesdrohungen gegen Azman ihre Beifallserklärungen aus dem Netz entfernt. "Wir sind ganz normale Leute, Bürger und Wähler", betonte ein Journalist, der ebenfalls anonym bleiben wollte. "Wir sind gegen Engstirnigkeit in jeder Form, doch Gewalt verabscheuen wir", betonte er.


Staat droht Schwulenverbänden

Auch der für Islamische Angelegenheiten zuständige Minister Jamil Khir Baharom hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Im Staatsfernsehen kündigte er am 6. Januar an, man werde "angemessen" gegen Schwulenaktivisten vorgehen, die versuchten, Homosexualität zu propagieren.

Die angesehene Nichtregierungsorganisation 'Joint Action Group for Gender Equality' (JAG) erklärte dazu: "Azman Ismail ist nicht der erste schwule Muslim in Malaysia, und er wird auch nicht der letzte bleiben. Im Gegensatz zu Hassreden ist Homosexualität jedoch kein Verbrechen."

Die Organisation, die wie zahlreiche andere Gruppen Azman unterstützt, warnte: "Die sich in unserer Gesellschaft ausbreitende Kultur von Hass und Intoleranz ist Besorgnis erregend. Sie richtet sich gegen alles, was anders ist, sei es Rasse, Religion, Geschlechtszugehörigkeit oder sexuelle Orientierung." (Ende/IPS/mp/2011)


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IPS-Tagesdienst vom 17. Januar 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2011