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ASIEN/832: Afghanistan - US-Wiederaufbauhilfen in Milliardenhöhe versickert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. März 2013

Afghanistan: Korruption gefährdet innere Sicherheit - US-Wiederaufbauhilfen in Milliardenhöhe versickert

von Richard Sale


Bild: © Giuliana Sgrena/IPS

Kabul wird zunehmend von afghanischen Polizisten und privaten Sicherheitsfirmen kontrolliert
Bild: © Giuliana Sgrena/IPS

Washington, 18. März (IPS) - Nach dem für 2014 geplanten Truppenabzug und dem Rückgang der Hilfsgelder werden die USA in Afghanistan ein politisches System hinterlassen, das weder über Legitimität noch Stabilität verfügt. Darauf verweisen Experten, neue Untersuchungen und US-Kongressberichte.

Obwohl die afghanische Regierung aus Washington finanzielle Unterstützung in zweistelliger Milliardenhöhe erhalten hat, ist es nicht gelungen, den Projekten einschließlich der Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte Nachhaltigkeit zu verleihen. Dies wird vor allem auf die Zusammenarbeit mit korrupten US-Vertragsfirmen, auf laxe Kontrollen beider Staaten sowie die Schwäche der afghanischen Regierung von Präsident Hamid Karsai zurückgeführt.

Nach Ansicht von Vanda Felbab-Brown von dem Washingtoner Thinktank 'Brookings Institution' haben die US-Hilfen, die großzügig in die Provinzen Helmand und Kandahar gepumpt wurden, keine nachhaltige Entwicklung ermöglicht, sondern stattdessen am Ort zu einer Verzerrung des Wettbewerbs geführt. Wenn die USA den Hahn zudrehten, werde es zu "massiven wirtschaftlichen Engpässen" in Afghanistan kommen, die die politische Instabilität verschärfen würden.


40 Prozent der Gelder für zivile Projekte unüberprüfbar

Nachrichten über die Bestechlichkeit privater US-Firmen in Afghanistan sorgen für weiteren Unmut. Nach mehr als einem Dutzend Quartalsberichten an den US-Kongress steht fest, dass der vom Parlament eingesetzte Sondergeneralinspektor für den Wiederaufbau Afghanistans (SIGAR) über 40 Prozent der bisher 56 Milliarden Dollar, die für zivile Projekte bereitgestellt wurden, keine Rechenschaft ablegen konnte.

Ein Großteil der US-Unterstützung ist mehreren Studien zufolge aufgrund der Korruption auf beiden Seiten in dunklen Kanälen versickert. Mehr als hundert Fällen von Bestechung wurde offiziell nicht nachgegangen. Als der US-Rechnungshof die Programme in Augenschein nahm, wurde den Prüfern kein Einblick in die nicht fertig gestellten Projekte gewährt, die SIGAR 2011 ermittelt hatte.

Wie die US-Senatorin Claire McCaskill betonte, sind die Afghanische Nationalpolizei (ANP) und die Sicherheitskräfte "entscheidende Faktoren für unseren Erfolg in Afghanistan", für die Gewährleistung von Recht und Ordnung und die Vorbereitung des US-Abzugs aus Afghanistan.

Allein der Vertrag über die Ausbildung der afghanischen Polizei hat die US-Steuerzahler mehr als neun Milliarden Dollar gekostet. Doch die Ergebnisse sind enttäuschend, wie McCaskill unlängst vor dem Kongress erklärte. Insgesamt haben die USA mehr als 29 Milliarden Dollar für die afghanischen Sicherheitskräfte ausgegeben. Ein Drittel des Betrags ging an die ANP.

Das größte Problem besteht nun darin, dass die Karsai-Regierung nicht über die Strukturen verfügt, um die Entwicklungen zu kontrollieren. Laut einem SIGAR-Bericht vom April 2011 konnte das afghanische Innenministerium nicht genau angeben, wie viele Polizisten überhaupt im Dienst waren. Die fehlenden Kontrollmöglichkeiten öffneten massiven Betrügereien Tür und Tor.

Der Report stellt klar heraus, dass es keinerlei Kontrolle darüber gibt, wohin die US-Steuergelder in Afghanistan letztlich gegangen sind. Vermutlich stünden auf den Gehaltslisten Namen von Beschäftigten, die es gar nicht gebe oder die doppelt abkassierten. Auch müsse die Fähigkeit der afghanischen Regierung bezweifelt werden, die mehr als 800 für die Polizei und Armee vorgesehenen Einrichtungen zu unterhalten, die derzeit mit US-Geldern in Höhe von 11,4 Milliarden Dollar gebaut werden.

Ein Inspektionsbericht von 2012 über ein Projekt im Umfang von 7,3 Millionen Dollar für die Grenzpolizei in der nördlichen Provinz Kundus kam beispielsweise zu der Erkenntnis, dass statt der geplanten 173 Beschäftigten lediglich zwölf Afghanen vor Ort waren. Das Gebäude war verschlossen, und die Polizei hatte keine Schlüssel, um die Türen zu öffnen. Über die künftige Verwendung herrschte Unklarheit.


Zehntausende Polizeifahrzeuge zweckentfremdet

Im Februar dieses Jahres kam bei SIGAR-Überprüfungen heraus, dass man der Polizei in acht Provinzen zwar 30.000 Fahrzeuge bereit gestellt hatte, diese jedoch nicht in Stand gehalten werden können. 63 Millionen Dollar, die die afghanische Polizei für die Reparatur der Fahrzeuge verwenden sollte, wurden zwischen April 2011 und September 2012 zweckentfremdet, obwohl das Innenministerium in Kabul darum gebeten hatte, dass die Verantwortung für diese Reparaturen vom Ausland auf Afghanistan übergehen sollte.

Aus inzwischen durch Experten bestätigten Medienberichten geht hervor, dass die Polizisten die von den USA bereitgestellten Fahrzeuge privat genutzt haben. Außerdem wurden in Listen, auf denen die Ersatzteile aufgeführt waren, Lücken gefunden. Regelmäßig vereinbarte Kontrollen wurden demnach nicht vorgenommen.

Während immer mehr US-Soldaten Afghanistan verlassen, verschlechtert sich die Sicherheitslage. Einem Inspektorenteam von SIGAR wurde gesagt, dass ein bestimmter Ort im Norden des Landes außerhalb der 'Sicherheitsblase' liege und deshalb "zu unsicher für einen Besuch" sei, wie John Sopko berichtete, der zurzeit als Sondergeneralinspektor im Einsatz ist.

In einem im November geführten Interview in der Denkfabrik 'Stimson Center' in Washington erklärte er, dass Sicherheitsmängel eine Besichtigung von 38 Einrichtungen im Wert von etwa 72 Millionen Dollar verhinderten. "Ohne ausreichende Sicherheit wird der Wiederaufbau Afghanistans entweder zum Erliegen kommen oder ohne die notwendigen Kontrollen weitergehen". (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.usip.org/
http://www.sigar.mil/
http://www.ipsnews.net/2013/03/afghanistan-faces-massive-economic-constriction-after-u-s-withdrawal/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2013