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ASIEN/876: Pakistan - Schwierige Zeiten für NGOs (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Januar 2014

Pakistan: Schwierige Zeiten für NGOs

von Irfan Ahmed


Bild: © Irfan Ahmed/IPS

Pakistanerinnen protestieren gegen Terror und Gewalt
Bild: © Irfan Ahmed/IPS

Lahore, Pakistan, 3. Januar (IPS) - In Pakistan stoßen neue Auflagen für nichtstaatliche Organisationen, die sich mit ausländischen Mitteln finanzieren, auf breiten Widerstand. Nach Ansicht von Sozialaktivisten zielen die staatlichen Maßnahmen vor allem darauf ab, die Arbeit von Menschenrechtsgruppen und Entwicklungsorganisationen zu kontrollieren.

Von Seiten der Regierung heißt es, der Sektor müsse transparenter werden. Doch Farooq Tariq, Generalsekretär der Awami-Arbeiterpartei (AWP), hält den Vorstoß der regierenden Pakistanischen Muslim-Liga Nawaz (PML-N) für den Versuch, missliebige Organisationen in Schach zu halten.

Die PML-N betrachte vor allem Menschenrechtsgruppen als störend und toleriere keine unabhängige Kritik, meint Tariq und erinnert an die Äußerung eines Ministers, demzufolge Nichtregierungsorganisationen (NGOs) "ausländische Agenten" seien. "Den Staat geht es, so wie der srilankischen Regierung von Mahinda Rajapaksa auch, um die Kontrolle."

Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass pakistanische NGOs, die ausländische Hilfe erhalten, ihre Finanzierungsquellen und Einzelheiten zu Projekten und Arbeitsgebieten offenlegen. Auch internationale Organisationen, die in Pakistan tätig werden wollen, sollen künftig genaue Angaben über ihre Projekte machen.

Der Ausschuss für Wirtschaftskoordination des pakistanischen Kabinetts hatte die neue Politik im November gebilligt. Die Auflagen werden bis zum Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes gelten. Nach Ansicht von Beobachtern geht es der Regierung darum, sich vor Spionageaktivitäten ausländischer Geheimdienste zu schützen, die unter dem Deckmantel von Sozialprojekten betrieben werden könnten.


Regierung unter dem Eindruck des Afridi-Falls

2011 soll der Arzt Shakil Afridi im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA instrumentalisiert worden sein, mit Hilfe einer fingierten Polio-Impfkampagne in Abbottabad den ehemaligen Terroristenführer Osama bin Laden aufzuspüren, der dort im selben Jahr von einer US-Sondermilitäreinheit getötet wurde. Berichten, wonach ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation 'Save The Children' Afridi mit dem CIA zusammengeführt hatte, brachten den gesamten NGO-Sektor unter Generalverdacht.

Imtiaz Alam, Generalsekretär der 'South Asian Free Media Association' (Safma) geht davon aus, dass die Neuregelungen die bürokratischen Hürden für NGOs beträchtlich erhöhen werden. Solange die Projekte der Organisationen von namhaften renommierten Firmen überprüft werden, gibt es seiner Meinung nach keinen Grund, all zu viele Details offenzulegen. "Die Zivilgesellschaft unterstützt Transparenz, sie darf jedoch ihre Unabhängigkeit und Autonomie nicht aufs Spiel setzen."

Wie aus einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms UNDP von 2001 hervorgeht, sind in Pakistan etwa 16.000 NGOs registriert. Rechnet man die nicht registrierten Organisationen hinzu, könnte die Zahl auf gut 35.000 steigen. Die meisten dieser Organisationen sind in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Armutsbekämpfung tätig.

In einem Land, in dem etwa 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben, spielen die Hilfsgruppen eine zentrale Rolle. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 11,2 Prozent und die Müttersterblichkeit beträgt 276 pro 100.000 Lebendgeburten. Und jährlich sterben mehr als 350.000 Kinder vor ihrem fünften Geburtstag. Was den Stand der Alphabetisierung anbelangt, belegt Pakistan unter insgesamt 221 Staaten den 180. Platz.

Die Organisationen befürchten nun Rückschläge für ihre Arbeit. Der Gesetzentwurf sieht vor, die finanzielle Projektbeteiligung aus dem Ausland auf 20 Prozent der Verwaltungskosten zu beschränken. Außerdem soll es möglich werden, die Gelder bei Regelverstößen zu beschlagnahmen. Organisationen, die zum zweiten Mal gegen die Bestimmungen verstoßen, dürfen fünf Jahre lang keine ausländischen Finanzmittel mehr entgegennehmen.


Kontrollversuche befürchtet

Salman Abid, der Leiter der Menschenrechtsorganisation 'Strengthening Participatory Organisation' (SPO) fürchtet, dass das Gesetz nach seiner Verabschiedung zur Einschüchterung von NGOs verwendet wird. Projekte dürften der Souveränität, Integrität und Sicherheit sowie strategischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen des Landes nicht schaden. "Die Frage ist nur, wer entscheidet, wann gegen nationale Interessen verstoßen wird."

Nach Meinung von Abid hätten die zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Beratungen über die neuen Bestimmungen einbezogen werden müssen. Auch wenn die Befürchtungen der Regierung hinsichtlich möglicher ausländischer Spionageaktivitäten berechtigt seien, dürfe dies kein Freibrief für die Gängelung der Zivilgesellschaft sein.

"Die Regierung sollte ihren Sicherheitsapparat dazu nutzen, unerwünschte Personen ausfindig zu machen, anstatt den NGOs das Leben schwer zu machen", sagt Abid. Andere Experten sind der Meinung, dass die Regierung die Organisationen gezielt von strategisch sensiblen Gebieten fernhalten will.

Doch Abid Suleri, Direktor des Think Tanks 'Sustainable Development Policy Institute' (SDPI) zufolge, können die Auflagen Überlappungen in der Arbeit der NGOs unterbinden. Die Regierung könne aufzeigen, wo Hilfe benötigt werde, betont er. Das Land werde ferner profitieren, wenn internationale Geber den Staat als Projektpartner akzeptierten, um umständliche Verfahrensweisen zu vermeiden.

Suleri wünscht sich jedoch, dass die Regierung auch die Bilanzen religiöser Organisationen und ihrer militanten Gruppen auf mögliche finanzielle Zuschüsse aus dem Ausland überprüft. Ein solches Gesetz dürfe allerdings nicht auf Kosten einer dynamischen Zivilgesellschaft gehen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetze. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://safma.net/
http://www.undp.org/content/undp/en/home.html
http://www.spopk.org/spo/
http://www.sdpi.org/
http://www.ipsnews.net/2013/12/pakistani-ngos-fear-new-year-constraints/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2014