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ASIEN/973: Literaturhinweis - Sozialhilfe im ländlichen China. Trägt sie zur Armutsreduktion bei? (idw)


Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) - 16.02.2017

Sozialhilfe im ländlichen China: Trägt sie zur Armutsreduktion bei?

IAMO Policy Brief 31 deckt Probleme in der bedarfsgerechten Sozialhilfevergabe auf


In vielen ländlichen Regionen Chinas leidet die Bevölkerung unter absoluter Armut. Trotz der Einführung eines staatlichen Sozialhilfeprogrammes zur Armutsreduktion bleibt das Armutsproblem groß, und die Mittel des Programmes werden nicht optimal eingesetzt. So werden 79 Prozent der Haushalte unterhalb der Armutslinie nicht berücksichtigt, während 89 Prozent der Empfängerhaushalte gemäß der Armutsgrenze gar nicht bedürftig sind. Zu diesen Ergebnissen kommen Lena Kuhn und Dr. Stephan Brosig vom IAMO sowie Prof. Dr. Linxiu Zhang, Center of Chinese Agricultural Policy, Chinese Academy of Science, im Rahmen eines Forschungsprojektes, das sich mit der zielgenauen Auswahl von Transferempfängern und der Zuweisung von Transferleistungen beschäftigt.


Foto: Zhanli Sun © IAMO

Armut in den ländlichen Regionen Chinas.
Foto: Zhanli Sun © IAMO

Die Regierung der Volksrepublik China veröffentlichte im vergangenen Jahr den 13. Fünfjahresplan, der unter anderem die vollständige Beseitigung absoluter Armut bis zum Jahr 2020 vorsieht. Bereits seit der Einführung des "Rural Minimum Living Standard System" im Jahr 2007 erhalten ländliche Haushalte unterhalb einer lokalen Armutslinie finanzielle Unterstützung, also sogenannte Sozialtransfers. Die Verteilung dieser Sozialleistungen erfolgt jedoch noch sehr ungenau und verfehlt somit oftmals die eigentliche Zielgruppe des Programmes. In einigen Regionen Chinas wurden die Anzahl der Empfänger oder die bereitgestellten Mittel durch höhere Regierungsebenen vorab festgelegt. In armen Gegenden führte dies zur Knappheit von Mitteln und somit zum Ausschluss bedürftiger Haushalte, in reichen Regionen zur Zuweisung von Mitteln an Haushalte über der Armutsgrenze.

Eine weitere mögliche Ursache für die Fehlverteilung der Transfermittel ist die mangelhafte Implementierung nationaler Vorschriften. Niedrige Verwaltungsebenen in strukturschwachen Regionen verfügen oftmals über unzureichende finanzielle und personelle Ressourcen, um die tatsächliche Bedürftigkeit von Antragstellern anhand des Haushaltseinkommens zu überprüfen. Des Weiteren begünstigt die Vernetzung zwischen Bewerbern und Verwaltungsangestellten die ungerechtfertigte Zuweisung von Sozialleistungen auf Dorfebene.

Eine stärkere Beteiligung der Zentralregierung an den Implementierungskosten des Programmes könnte die Zielgenauigkeit von Sozialtransfers verbessern. Vor allem in strukturschwachen Gebieten könnte diese Unterstützung zu einer besseren Umsetzung der Antragsprüfung beitragen, mit welcher lokale Verwaltungen derzeit oft überfordert sind. Aufgrund unzureichender Einkommensdokumentation im ländlichen China werden nämlich zumindest in näherer Zukunft noch aufwändige Vergabe- und Kontrollverfahren, und somit ein hoher administrativer Aufwand erforderlich sein. Für eine bedarfsgerechte Sozialhilfevergabe empfehlen die Forschenden, mittelfristig einen stufenweisen Einsatz von Sozialtransfers durch Kranken-, Invaliden- und Rentenversicherungen, zumindest jedoch eine bessere Koordinierung vorhandener Sozialleistungen, zu diskutieren.


Weitere Informationen

Der IAMO Policy Brief 31 "Sozialhilfe im ländlichen China: Trägt sie zur Armutsreduktion bei?" kann auf der nachfolgenden Internetseite kostenfrei eingesehen und heruntergeladen werden:
www.iamo.de/publikationen/iamo-policy-briefs.

IAMO Policy Briefs

Mit den IAMO Policy Briefs bezieht das IAMO aufbauend auf die eigene Forschung zu wichtigen agrarpolitischen Fragen Stellung. In der Publikationsreihe werden verschiedene gesellschaftsrelevante Themen kurz und allgemeinverständlich dargestellt. Zur Zielgruppe zählen insbesondere Entscheidungsträger der Politik, Wirtschafts- und Medienvertreter sowie die interessierte Öffentlichkeit. Seit 2011 werden die IAMO Policy Briefs in unregelmäßiger Folge veröffentlicht.

Über das IAMO
Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution418

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO),
Daniela Schimming, 16.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2017

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