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GRIECHENLAND/012: Proteste in Griechenland schon vor Generalstreik am nächsten Mittwoch (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 20. September 2012

Rathäuser umfunktionieren
Proteste in Griechenland schon vor Generalstreik am nächsten Mittwoch

von Heike Schrader, Athen



Am nächsten Mittwoch ist in Griechenland wieder Generalstreik, der dritte in diesem Jahr. Die Leute sind empört über die Pläne der sogenannten Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) sowie ihrer eigenen Regierung, die Sechs-Tage-Woche wieder einzuführen. Außerdem soll die minimale Ruhepause zwischen zwei Arbeitsschichten auf elf Stunden verkürzt werden. Neue Einschnitte sind auch bei Renten und Arbeitsentgelten vorgesehen.

In Vorbereitung auf den Generalstreik standen bereits am Donnerstag in der Hauptstadt alle Metrozüge und Straßenbahnen still. Mit ihrem Ausstand wehrten sich die bei den noch öffentlichen Verkehrsmitteln Schaffenden gleichzeitig gegen die Pläne von Gläubigern und Regierung, die in den letzten beiden Jahren bereits drastisch erhöhten Fahrpreise ein weiteres Mal anzuheben. Sie fordern statt dessen eine Absenkung des auf 1,40 Euro gestiegenen Preises auf den Stand von 2009. Damals kostete ein Anderthalbstundenticket einen Euro. Die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Metallarbeiter haben gestern ebenfalls ganztägig gestreikt. In den Häfen von Piräus und Thessaloniki traten ab Mittag gleichzeitig die Hafenarbeiter in einen mehrstündigen Ausstand.

Von Dienstag bis Donnerstag blieben auch die Fachhochschulen Griechenlands wegen des Streiks ihrer Professoren geschlossen. Die Richter und Staatsanwälte des Landes befinden sich schon seit Montag im Ausstand. Bis einschließlich Freitag legen sie täglich zwischen 10 und 15 Uhr die Arbeit nieder.

Bei den Gemeinden griff man nach mehreren Streiktagen in den vergangenen Wochen am Mittwoch zum Mittel der symbolischen Besetzung. Dabei wurden am Vormittag überall im Land Rathäuser für fünf Stunden besetzt und Versammlungen für die »Information der Gemeindearbeiter über die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen« abgehalten. Ziel der Aktion sei »die Vorbereitung der Arbeitenden auf die Durchführung vielfältiger Aktionen wie Demonstrationen, Besetzungen oder Versammlungen«, heißt es in der Ankündigung der Gewerkschaft der Gemeindearbeiter POE-OTA zu den Aktionen. Sobald das neuerliche Sozialkahlschlagspaket ins Parlament eingebracht würde, »werden sich die Rathäuser in Zentren des Widerstands, nicht nur der Gemeindearbeiter, sondern aller gesellschaftlicher Gruppen verwandeln«, kündigte die POE-OTA an.

Bereits am Dienstagabend waren etwa 1.000 Mitglieder unabhängiger Basisgewerkschaften in einem Protestmarsch durch Athen gezogen. Dem aufrufenden Netzwerk gehören vor allem eine ganze Reihe seit der Krise gegründeter Basisgewerkschaften insbesondere von prekären Arbeitsverhältnissen gezeichneten Branchen, wie Kurierdiensten, Gastwirtschaft oder Callcenter, an. Die unabhängigen Basisgewerkschaften organisieren sich abseits vom sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft, GSEE, aber auch außerhalb der der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) zugehörigen Gewerkschaftsfront PAME.

An der Demonstration nahm auch eine Gruppe von Gewerkschaftern aus Österreich, Deutschland, Serbien und der Schweiz teil, die sich derzeit auf einer Solidaritätsdelegationsreise in Griechenland befindet.

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Quelle:
junge Welt vom 20.09.2012
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2012